BezirksgerichtUntersuchungsrichter wirft vorsitzendem Richter Befangenheit vor

Bezirksgericht / Untersuchungsrichter wirft vorsitzendem Richter Befangenheit vor
Das gibt es auch nicht alle Tage: Ein Bezirksrichter wird von einem Untersuchungsrichter der Befangenheit bezichtigt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Ein nicht alltäglicher Prozess zwischen einem Anwalt und einem Untersuchungsrichter wurde am Donnerstag noch ungewöhnlicher: Nach den abschließenden Ausführungen seines Anwalts erhob sich das eigentliche Opfer und warf dem vorsitzenden Richter Befangenheit vor. Daraufhin musste die Sitzung unterbrochen werden. Nun liegt der Ball beim Präsidenten des Bezirksgerichts.

Ungewöhnlich sind die Umstände allemal: Ein Anwalt muss sich vor dem Bezirksgericht Luxemburg verantworten, weil er versucht haben soll, einen Untersuchungsrichter zu beeinflussen. Letzterer fühlt sich in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt und in seiner Ehre verletzt, während der Anwalt einen gefährlichen Präzedenzfall wittert. Schließlich habe er nur seine Arbeit getan und sich für einen Mandanten eingesetzt. Unterstützt wird er dabei vom „Conseil de l’ordre des avocats“ und zahlreichen Anwaltskollegen, die ihren Unmut in den geheiligten Hallen der Justiz mitunter lautstark kundtun.

Nun ist die juristische Posse um ein Kapitel reicher. Aber der Reihe nach: Zurück geht die Affäre auf einen tragischen Zwischenfall vor zwei Jahren in einem Betrieb von ArcelorMittal. Ein Arbeiter kommt dabei ums Leben. Auf Anordnung des Untersuchungsrichters Felipe Rodriguez wird daraufhin ein Stromaggregat versiegelt, das womöglich mit dem Unfall in Zusammenhang steht. Die Maschine darf für die Dauer der Ermittlungen nicht in Betrieb genommen werden.

Für ArcelorMittal bedeutet der Produktionsstopp einen Verlust von etwa drei Millionen Euro am Tag. Als Anwalt des Stahlgiganten versucht Me André Lutgen, mehr über die Dauer der Ermittlungen in Erfahrung zu bringen. Er setzt sich dafür ein, die Versiegelung so schnell es geht wieder aufzuheben – natürlich, sofern es die Umstände und legalen Bestimmungen erlauben. Der Untersuchungsrichter aber lässt sich nicht beirren und lässt die Anfrage des Anwalts unbeantwortet.

Lutgen befürchtet eine kostspielige Verzögerung und entschließt sich, bei höheren Instanzen anzuklopfen. Er verfasst eine entsprechende Mail an die damaligen Justizminister Felix Braz und Wirtschaftsminister Etienne Schneider sowie Generalstaatsanwältin Martine Solovieff. Der Untersuchungsrichter ist alles andere als begeistert: Die Mail empfindet er als Einschüchterung und Einmischung in die Unabhängigkeit seiner Arbeit. Er erstattet Bericht an die Staatsanwaltschaft. Und diese entschließt sich wiederum dazu, Anklage gegen den Anwalt zu erheben.

Ein Euro Schadensersatz

Zum Auftakt des Prozesses am Dienstag beharren beide Parteien darauf, nur ihre Arbeit getan zu haben. Er verstehe nicht, wieso er vor Gericht stehe, so Me André Lutgen. Er sei seinem Kunden gegenüber verpflichtet gewesen, Schaden abzuwenden. Weil er keine Antwort vom Untersuchungsrichter erhalten habe, habe er die Minister informieren wollen. Damit diese bei möglichen Schadensersatzforderungen später nicht hätten behaupten können, nichts davon gewusst zu haben, so dessen Begründung. Untersuchungsrichter Rodriguez gab hingegen zu Protokoll, dass er seine Entscheidungen nach bestem Gewissen getroffen habe. Mit dem Anwalt habe er nicht reden müssen, da dies von Gesetzes wegen auch gar nicht erlaubt sei.

So weit die Verhandlung am Dienstag. Am Donnerstag sollte der Prozess eigentlich abgeschlossen werden. Zunächst sah es auch ganz danach aus: Eingangs der Sitzung ließ der Untersuchungsrichter wissen, dass er sich der Anklage anschließe und als Zivilpartei den symbolischen Euro Schadensersatz fordere. Anschließend ergriff sein Anwalt das Wort.

Während der Verhandlung habe sich sein Mandant mehr als Angeklagter gefühlt denn als Opfer. Er fühle sich in seiner Berufsehre angegriffen, da seine Arbeitsweise gleich mehrmals in Frage gestellt worden sei. Und das nicht nur vom Anwalt selbst, sondern auch vom vorsitzenden Richter. Dieser sei den Untersuchungsrichter während der Verhandlung gleich mehrmals angegangen, sodass sein Mandant das Gefühl nicht losgeworden sei, der Richter sei voreingenommen.

Diesen Worten ließ Untersuchungsrichter Felipe Rodriguez prompt Taten folgen: Nach den Ausführungen seines Anwalts erhob sich das eigentliche Opfer und kündigte an, einen Antrag auf Befangenheit gegen den Richter einreichen zu wollen. Dieser habe ihn während der ersten Sitzung wie einen Angeklagten behandelt und entsprechend aggressiv befragt, so der Vorwurf.

„Ein regelrechter Skandal“

Die Sitzung wurde im Anschluss kurz unterbrochen, damit der Untersuchungsrichter die nötigen Formalitäten in die Wege leiten konnte. Diese wurden dem Richter nach Wiederaufnahme offiziell zugestellt, woraufhin die Verhandlung ausgesetzt wurde. Der Präsident des Bezirksgerichts muss jetzt darüber entscheiden, ob der Antrag zulässig ist oder nicht. Ist das nicht der Fall, wird die Verhandlung an einem noch zu bestimmenden Datum mit den Schlussplädoyers fortgesetzt.

Sollte der Präsident des Bezirksgerichts den Antrag jedoch annehmen, wird der vorsitzende Richter nochmals die Gelegenheit erhalten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dieser kann dem Befangenheitsantrag zustimmen und sich zurückziehen. In dem Fall wird der Prozess in neuer Besetzung frisch verhandelt. Lehnt der Richter es jedoch ab, sich zurückzuziehen, muss der Antrag von der Magistratur kontradiktorisch verhandelt werden.

Me André Lutgen und weitere Kollegen der Luxemburger Anwaltschaft zeigten sich im Anschluss entsetzt über das Vorgehen des Untersuchungsrichters. Der Antrag auf Befangenheit sei „extrem bedauerlich, traurig und ein regelrechter Skandal“, so der Anwalt des Angeklagten. Dieser habe ein Recht auf ein Urteil. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass sich ein Zeuge in eine Verhandlung einmische, nur weil diese nicht so verlaufe, wie er es sich vorgestellt habe.

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3. Juli 2021 - 19.36

Das wird mal wieder ein Spaß, wie ein berühmter Vogel einmal gesagt hat:" Do buppt jideree jiddereen".