CFLSicherheit oder Sicherheitsgefühl? Verwirrung um Videoüberwachung an Bahnhöfen

CFL / Sicherheit oder Sicherheitsgefühl? Verwirrung um Videoüberwachung an Bahnhöfen
Eines der zahlreichen Hinweisschilder zur Videoüberwachung auf den Bahnhöfen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wie genau sieht die Videoüberwachung auf Bahnhöfen aus? Hier gibt es unterschiedliche Interpretationen und der Kunde weiß nicht wirklich, inwiefern die Kameras zu seiner Sicherheit beitragen.

Rund 1.400 Kameras sorgen an und um Luxemburgs Bahnhöfe für Sicherheit. So preisen es zumindest die Hinweisschilder an Bahnsteigen, Unterführungen oder Wartehallen an: „Zu Ihrer Sicherheit ist diese Zone unter Videoüberwachung“, heißt es dort Weiß auf Blau und dreisprachig vonseiten der CFL. Doch überraschenderweise streitet die CFL ab, dass diese Kameras zur „Sicherheit“ ihrer Kunden da wären. Sie dienten bloß dem „Sicherheitsgefühl und der Abschreckung“, heißt es. So gibt es an Luxemburgs Bahnhöfen eine Videoüberwachung, die momentan nur eines sichert: Verwirrung.

Das Bildmaterial der Kameras läuft in zwei CFL-Büros zusammen. Eines ist in Belval, eines in Mersch. „Building Management System“, abgekürzt BMS, heißt die Abteilung der CFL, die sich unter anderem darum kümmert. Inzwischen stellt sich allerdings die Frage, was das genau bedeutet. Sichten die BMS-Mitarbeiter diese Videos live und sorgen so tatsächlich für mehr Sicherheit, wie es die CFL auf ihren Schildern verspricht? Oder soll niemand in den BMS-Zentralen diese Videos anschauen, die auf Dutzenden Schirmen in den BMS-Standorten in Echtzeit zu sehen sind? So behauptete es die CFL-Führung bei ihrer eigens wegen unserer ersten Recherche einberufenen Pressekonferenz am Dienstag vor einer Woche. CFL-Direktor Wengler sprach dort von einem „Sicherheitsgefühl“, das die Kameras vermitteln sollen.

Klärungsbedarf

Eine Frage, die Klärung bedarf. Denn das Sicherheitsgefühl könnte ein falsches sein. Sich nur in Sicherheit zu wähnen, ist nicht dasselbe wie tatsächlich in Sicherheit zu sein. Menschen in einer Gefahrensituation dürften sich je nach Situation anders verhalten. Die Hinweisschilder zur Videoüberwachung der CFL vermitteln – die möglicherweise falsche – Gewissheit, im Fall der Fälle zumindest in Kameranähe schnell Hilfe zu erhalten, da jemand einen zum eigenen Schutz beobachtet.

In einer Recherche hatte das Tageblatt am 4. März Missstände beim BMS aufgedeckt. Unter anderem waren uns Fotos und Videos zugespielt worden, die BMS-Mitarbeiter zeigen, die im Büro vor den vielen Schirmen, inklusive Decken und Kissen, schlafen oder Serien schauen. Die CFL wiegelte daraufhin ab. Die Überwachungsvideos sollten gar nicht in Echtzeit von den Mitarbeitern gesichtet werden. Sogar falls es Missstände wie die von uns geschilderten gebe, habe dies, so die logische Schlussfolgerung, keinen Einfluss auf die Sicherheit der CFL-Kunden. Schließlich gehe es, wie erwähnt, um ein „Sicherheitsgefühl“, nicht um tatsächliche Sicherheit.

Ganz so einfach, wie die CFL-Leitung es darstellt, ist es aber nicht. Nicht nur liegen dem Tageblatt Textnachrichten vor, in denen BMS-Mitarbeiter Kollegen herbeirufen, um diese oder jene Szene, die sich an einem Bahnhof abspielt und deren Bilder live vor ihnen ablaufen, mitzubeobachten. Nach Tageblatt-Informationen wurden die BMS-Mitarbeiter im vergangenen Jahr zudem dazu aufgefordert, über mehrere Monate hinweg eine verstärkte Videoüberwachung von Teilen des hauptstädtischen Bahnhofs durchzuführen.

Werden die Bilder nun in Echtzeit angeschaut oder nicht? Diese Frage steht weiterhin im Raum.
Werden die Bilder nun in Echtzeit angeschaut oder nicht? Diese Frage steht weiterhin im Raum. Foto: Editpress/Julien Garroy

CFL weicht aus

Auf erneute Nachfrage hin weicht die CFL auch hier aus. „Die Aufsichtsbeamten haben Anfang 2023 wiederholt festgestellt, dass sich Personen nach 18 Uhr auf dem Bahnsteig VI am Bahnhof in Luxemburg-Stadt befunden haben, darunter Drogenabhängige. Um einen kundenfreundlichen Betrieb des Bahnhofs garantieren zu können, haben die Aufsichtsbeamten die Unterstützung der BMS-Mitarbeiter angefragt, um diesen konkreten Unannehmlichkeiten, die räumlich begrenzt sind und von CFL-Mitarbeitern festgestellt wurden, entgegenwirken zu können“, so die Antwort der CFL. Das Wort Videoüberwachung wurde nicht verwendet. Auch auf eine weitere Nachfrage, ob von den Mitarbeitern der BMS eine Videoüberwachung gefordert wurde, verweist die CFL auf ihre erste Antwort.

Wie bereits auf der Pressekonferenz wurde in diesem Fall betont, dass es nicht darum gegangen sei, „Gangster“ zu „jagen“, wie die CFL schreibt, ohne dass jemand behauptet hätte, sie müsse solches tun. Ein paar Tage nach der Pressekonferenz wiederholte ein Verantwortlicher der CFL in einem RTL-Beitrag: „Mir si kee Sécherheetsorgan. Do ass keen hannendrun, dee live déi Biller do kuckt.“ Auf ihrer Webseite wirbt die CFL unterdessen: „7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Die Sicherheit des Personals und der Kunden hat für die CFL absolute Priorität …“ Zusätzlich steht da, die BMS-Mitarbeiter seien auch für die Fernüberwachung zuständig.

Abhilfe durch neues Gesetz

Die jüngsten Aussagen der CFL stehen aber im Widerspruch nicht nur zu den Aussagen unserer Quellen und zur Eigenwerbung der CFL im Internet, sondern auch zur Antwort auf eine parlamentarische Frage der Piraten aus dem Jahr 2019. Damals antworteten der ehemalige Mobilitätsminister François Bausch („déi gréng“) und der ehemalige Medien- und Kommunikationsminister Xavier Bettel (DP): „D’Centrale de Télésurveillance vun den CFL geréiert d’Videoiwwerwaachung an de Garen, de Park+Riden, de Quaien, de Lifter, dem Funiculaire a bei den Noutruff-Bornen. D’Opérateure vun dëser Zentral visualiséieren an Echtzäit d’Biller vun den Iwwerwaachungskameraen, mee si kënne keng enregistréiert Biller visualiséieren.“ Außerdem wird in der Antwort erklärt, dass „die Zentrale spezifisch für die Visualisierung der Bilder ausgelegt“ ist.

Werden die Bilder nun in Echtzeit angeschaut oder nicht? An dieser Frage hängt auch jene, wie sicher sich Bahnreisende fühlen sollen oder können. Die Erklärungsversuche der CFL haben eher mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen. Was weder irgendeiner Sicherheit noch einem etwaigen Sicherheitsgefühl dient.

Vielleicht bringt der 21. März Aufklärung. Für den Tag sind die CFL-Verantwortlichen auf Anfrage der Piraten in die Mobilitätskommission der Chamber eingeladen, um Erklärungen zu ihrer Videoüberwachung zu geben. Abhilfe könnte zudem das Gesetzesprojekt 8335 schaffen, das noch vom ehemaligen Mobilitätsminister François Bausch auf den Instanzenweg gebracht und zuletzt im Zusammenhang mit dem Bettelverbot erwähnt wurde. Dabei geht es auch um die Videoüberwachung im öffentlichen Transport und Bahnhöfen. In Kapitel sechs, Artikel 21 über den Zweck der Videoüberwachung heißt es unter anderem: „de détecter et d’identifier les comportements potentiellement suspects ou dangereux, susceptibles de provoquer des accidents et des incidents“ und „de prévenir, de constater et de réprimer les dégâts à l’infrastructure, les installations et les moyens de transports publics“. Spätestens wenn dieses Gesetz verabschiedet ist, muss sich irgendjemand die Bilder der Überwachungskameras in Echtzeit ansehen. Vorerst hängen zwar 1.400 Kameras herum, was sie aber bezwecken sollen, bleibt unklar.