Nach Tageblatt-RechercheEinordnung der Stellungnahme der CFL

Nach Tageblatt-Recherche / Einordnung der Stellungnahme der CFL
CFL-Generaldirektor Marc Wengler und Verwaltungsratspräsident Jeannot Waringo Foto: Editpress/Julien Garroy

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Nachdem das Tageblatt am Montagabend über Missstände in der BMS-Abteilung der CFL berichtet hatte, berief die Eisenbahngesellschaft für Dienstagnachmittag eine Pressekonferenz ein, um die Vorwürfe zurückzuweisen. Wir gehen im Detail auf die wichtigsten Aussagen vom CFL-Generaldirektor Marc Wengler und seinem Verwaltungsratspräsidenten Jeannot Waringo ein.

„Haben keine Kenntnisse von den Vorwürfen“

Die CFL-Direktion bestritt eingangs der Pressekonferenz, Kenntnis von irgendwelchen Vorfällen zu haben. Nach mehrmaliger Nachfrage räumte Marc Wengler dann ein, dass es tatsächlich einen Vorfall vor acht Monaten gegeben haben soll, der der Direktion bekannt sei. Damals seien die entsprechenden Prozeduren mit einem „Rappel à l’ordre“ bis hin zur Kündigung eingehalten worden. Aus dem „Rappel à l’ordre“ hatte das Tageblatt zitiert. Dieser kam als Reaktion auf eine Mail, in der sich acht von zwölf Praktikanten beim Abteilungsleiter über Missstände beschwert hatten. Der „Rappel à l’ordre“ war an sämtliche Mitarbeiter des BMS adressiert und nicht, wie Marc Wengler gegenüber L’Essentiel erklärte, an zwölf Mitarbeiter. In diesem „Rappel à l’ordre“ hat der Abteilungsleiter unter anderem relativ offen mit Entlassung gedroht. Zitat: „Rappelez-vous bien que vous être (sic!) en stage, que j’évalue à la fois votre travail et votre comportement, et que toute défaillance peut facilement et rapidement conduire à un licenciement.“ Unmittelbar danach schrieb der Chef des BMS: „Comme déjà expliqué, rendez-vous compte de la chance que vous avez d’être aux CFL.“ Tageblatt-Informationen zufolge war einer der Praktikanten, der sich über die Zustände beschwert hatte, von der Kündigung betroffen. Schriftstücken zufolge, die dem Tageblatt vorliegen, war neben dem Abteilungsleiter der BMS auch die Personalabteilung der CFL über Missstände informiert.

„BMS ist nicht da, um Gangster zu schnappen“

Das Tageblatt hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die BMS-Abteilung eine von der CFL finanzierte Dienstleistung zur aktiven Kriminalitätsbekämpfung sei. Das Tageblatt hat lediglich darauf hingewiesen, dass sich eine schwere Straftat ereignete, ohne dass jemand von der CFL die zuständigen Polizeibehörden informiert habe. Ein Umstand, der öfters vorkommen soll und möglicherweise hätte vermieden werden können, wenn Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung nicht während ihrer Arbeitszeit schlafen, Online-Poker spielen oder Serien auf bekannten Streaming-Plattformen schauen würden.

Die Stellungnahme von Jeannot Waringo: Niemand arbeite acht Stunden am Stück konzentriert. Auch das hat das Tageblatt in seiner Berichterstattung keineswegs gefordert. Zwischen schlafen am Arbeitsplatz und einer fünfminütigen Kaffeepause, in der man sich von einem (nicht schlafenden) Kollegen vertreten lässt, liegen allerdings Welten.

„Bei den Vorwürfen handelt es sich um eine Momentaufnahme“

Die rund ein Dutzend Fotos und Videos, die dem Tageblatt vorliegen, zeigen deutlich, dass es sich nicht um eine Momentaufnahme handelt. Die Fotos wurden zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen. Außerdem liegen Personen mit dem Kopf auf dem Schreibtisch, haben Decken und Kissen dabei, was ebenfalls darauf schließen lässt, dass vorsätzlich geschlafen wird und es sich nicht um einen kurzen, bestimmten Augenblick handelt. Außerdem gibt es wohl noch einen Unterschied zwischen acht Stunden konzentriert arbeiten und zugedeckt mit dem Kopf auf dem Schreibtisch schlafen. Das Tageblatt wird die Fotos nicht veröffentlichen, zum einen aus Gründen des Quellenschutzes, zum anderen, weil sie in einem Sicherheitsbereich aufgenommen wurden. Unsere Grafikerin hat deshalb zwei Fotos nachgezeichnet, damit sich die Leser dennoch einen Eindruck vom uns vorliegenden Material machen können.

Zumindest scheinen die Mitarbeiter Decken und Kissen im Büro dabei zu haben
Zumindest scheinen die Mitarbeiter Decken und Kissen im Büro dabei zu haben Illustration: Tageblatt/Kim Kieffer

„BMS ist keine Überwachungseinheit“

Die CFL bezeichnet die in der BMS tätigen Mitarbeiter selbst als Fernüberwachungsagenten. Dennoch meint Generaldirektor Marc Wengler, dass die Kameras hauptsächlich da seien, um den Passagieren ein „Sicherheitsgefühl“ zu vermitteln.

Die Mitarbeiter der BMS-Einheit seien hauptsächlich da, um Gebäude oder Parkplätze zu kontrollieren, um das technisch einwandfreie Funktionieren zu gewährleisten. Es sei – anders als in der auf der Internetseite nachzulesenden Berufsbezeichnung – ein Assistenz- und kein Überwachungsdienst.

„Neben der Einführung neuer Geräte, die vom BMS überwacht werden, darunter SOS-Säulen und Kameras, stellen wir weiterhin zusätzliche Mitarbeiter für unsere Zentralen ein, da sich das nationale BMS zu einem Kompetenzzentrum für Fernüberwachung und Notfallkoordination entwickelt hat“, wird der Leiter der nationalen BMS-Einheit auf der CFL-Webseite zitiert. Aber auch wenn Fernüberwachungsagenten andere Aufgaben als die Videoüberwachung haben, lässt sich diese Arbeit schlecht im Schlaf durchführen.

Zwei Mitarbeiter seien pro Schicht in jedem Büro, so Generaldirektor Wengler
Zwei Mitarbeiter seien pro Schicht in jedem Büro, so Generaldirektor Wengler Illustration: Tageblatt/Kim Kieffer

„Die Berichterstattung des Tageblatt ist ein Rundumschlag“

Der Tageblatt-Artikel visiert eine Abteilung innerhalb der CFL, in der keine 30 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die CFL beschäftigt laut eigenen Angaben jedoch fast 5.000 Mitarbeiter. Von einem Rundumschlag gegen die gesamte CFL kann also nicht die Rede sein.

„Kommt zu uns und redet mit uns über die konkreten Vorfälle“

Dass sich Journalisten schriftlich an die Presseabteilungen wenden, hat einen Grund: eine nachvollziehbare und auch im Nachhinein belegbare Berichterstattung. Das ist in der Pressearbeit durchaus üblich. Schriftliche, handfeste Beweise, Fotos, Screenshots, Videos und Sprachnachrichten aus Chatverläufen sind übrigens auch die Grundlage für die vom Tageblatt aufgedeckten Missstände. Auch ist das Setzen eines zeitlichen Rahmens, in dem die Journalisten eine Antwort erwarten, keine Seltenheit. Bei staatlichen Behörden ist mittlerweile eine Antwort innerhalb von 24 Stunden Pflicht. Falls eine Antwort innerhalb dieses Zeitraumes nicht möglich sein sollte, ist es nicht unüblich, dass sich Pressestelle und Journalisten gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt einigen.

Dass das Tageblatt seine Informationen nicht gleich mit der CFL teilt, hat einen Grund und dieser nennt sich Quellenschutz. Ein hohes Gut im Journalismus. Außerdem hat das Tageblatt bislang lediglich aus Dokumenten zitiert, die innerhalb der CFL bekannt sein sollten. 

Flory
6. März 2024 - 10.37

@ JJ / 1) ass de Jeannot net arm, an 2) ass et Zéit vir a Pensioun ze goen a net nach Schinnen ze béien.

JJ
6. März 2024 - 8.29

Der arme Jeannot muss schon wieder die Schienen gerade biegen.

Robert Hottua
6. März 2024 - 7.09

Dies ist eine gute Gelegenheit, den offensichtlich durch Whistleblower-Aktivitäten geleisteten Dienst am (luxemburger) Staat zu würdigen und zu festigen. MfG Robert Hottua