Covid-Proteste„Sa Bo“ vom Dienst suspendiert: Berufliche Konsequenzen für Sprachrohr der Bewegung

Covid-Proteste / „Sa Bo“ vom Dienst suspendiert: Berufliche Konsequenzen für Sprachrohr der Bewegung
Einer der Wortführer der sogenannten Querdenker-Bewegung in Luxemburg wird bei Protesten an Heiligabend von Polizisten abgeführt. Drei Täge später wird der Vollzugsbeamte Sacha Borsellini vom Dienst suspendiert. Foto: Editpress/Alain Rischard

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Sacha Borsellini wurde kurz nach Weihnachten vom Dienst suspendiert. Der Gefängniswärter aus Esch ist in den letzten Monaten als Sprachrohr der sogenannten Querdenker-Bewegung in Luxemburg negativ aufgefallen. Ob die Freistellung des 27-Jährigen im direkten Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten bei den Covid-Protesten steht, wollten Gefängnisverwaltung und Justizministerium nicht bestätigen. Fakt ist: Nur wenige Tage zuvor war Borsellini im Rahmen einer Protestaktion auf dem Knuedler von der Polizei aufgegriffen worden.

Freitagnachmittag, Heiligabend, kurz nach 14 Uhr: Grinsend schreitet der ganz in Schwarz gekleidete Sacha Borsellini voran, flankiert von mehreren Polizisten, die den Gefängniswärter am Arm durch die Menge leiten. Das Haupt wird von einer Kapuze verhüllt, das Gesicht aber ist frei. Eine Maske trägt der selbst ernannte Impfgegner nicht. In der einen Hand trägt der 27-Jährige seinen Rucksack. Die andere Hand wird von einem Beamten am Rücken fixiert. Festgehalten wird die Szene von einem Tageblatt-Fotografen, der die Protest-Aktion der sogenannten Querdenker-Bewegung an Heiligabend in Bildern dokumentiert.

Knapp hundert Teilnehmer haben sich am 24. Dezember auf dem Knuedler eingefunden, um gegen die Covid-Politik der Regierung zu demonstrieren. Auch wenn die Reihen der Demonstranten im Vergleich zu vergangenen Aktionen etwas ausgedünnt wirken, ist die Stimmung vor dem Rathaus der Hauptstadt immer noch geladen. Neben etlichen Touristen, Passanten und dem Tageblatt-Journalisten drängen sich auch viele Schaulustige mit Smartphones um die Protestteilnehmer. Dazwischen versuchen rund zwei Dutzend Demonstranten, den Sicherheitsperimeter zu durchbrechen und die Polizisten aus der Reserve zu locken.

Acht Personen werden an diesem Nachmittag in Polizeigewahrsam genommen. Im Zusammenhang mit den Artikeln 5 und 14 des Polizeigesetzes, wie ein Sprecher der Ordnungskräfte später bestätigt. Gegen einen Teilnehmer wird nach der Veranstaltung gar Anzeige wegen Rebellion erstattet. Um wen es sich dabei handelt, wird nicht verraten.

Wenn die Polizei bei solchen Veranstaltungen Personen aufgreift, handelt es sich nicht unbedingt um Festnahmen im juristischen Sinn. Vielmehr erlauben die besagten Artikel des Polizeigesetzes den Beamten, rasch einzugreifen und Unruhestifter von der Straße zu nehmen – etwa um eine eskalierende Lage zu entspannen. Eines der „Instrumente“, die den Beamten zur Verfügung stehen, ist die Identitätskontrolle nach Artikel 5, die dann eingesetzt wird, wenn eine „ernste, konkrete und eine unmittelbare Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit besteht.

Artikel 14 betrifft hingegen die sogenannte „détention administrative“ – eine vorübergehende Festsetzung von Personen, die die öffentliche Ordnung gefährden und eine Gefahr für sich selbst oder Umstehende darstellen. In der Regel kann der oder die Betroffene nicht länger als zwölf Stunden in Gewahrsam genommen werden. Oft kommen betreffende Personen nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß, nachdem die nötigen Formalitäten erledigt wurden. Dies soll Tageblatt-Informationen zufolge auch bei Borsellini der Fall gewesen sein.

Die Artikel 5 und 14 des Polizeigesetzes erlauben es den Beamten, bei Protesten rasch zu handeln, um Unruhestifter kurzzeitig aus dem Verkehr zu ziehen
Die Artikel 5 und 14 des Polizeigesetzes erlauben es den Beamten, bei Protesten rasch zu handeln, um Unruhestifter kurzzeitig aus dem Verkehr zu ziehen Foto: Editpress/Alain Rischard

„Eine logische Konsequenz“

Drei Tage später wird der 27-jährige Gefängniswärter eigenen Aussagen zufolge vom Dienst suspendiert: „Heute ist etwas passiert, mit dem ich bereits seit einiger Zeit gerechnet habe“, schreibt Borsellini am Montag nach Weihnachten in einem Beitrag auf Instagram. Er sei am Morgen arbeiten gegangen und sofort ins Büro des Vorgesetzten zitiert worden. „Ich wurde dann bis auf Weiteres in Dispens gesetzt und darf nicht mehr arbeiten gehen“, so der 27-Jährige.

Es sie dies die logische Konsequenz davon, wenn man „Themen anspricht, die das Gegenteil des offiziellen Narrativs sind, an das die Menschen blind glauben und dem sie vertrauen sollen“. Genau dieses offizielle Narrativ müsse mit allen Mitteln geschützt werden, mutmaßt Borsellini. Er habe vollstes Vertrauen in sich selbst, die Menschen um sich herum und ins Universum. „Bléift kritesch, bléift an der Léift an bléift gesond“, lautet seine abschließende Botschaft wortwörtlich. „Alles gëtt gutt.“

Borsellini ist nicht der erste Mitarbeiter der Gefängnisverwaltung, der im zeitlichen Zusammenhang mit Teilnahmen bei Protestveranstaltungen gegen die Covid-Politik der Regierung vom Dienst freigestellt wird. Anfang Dezember wurde bereits ein Vollzugsbeamter suspendiert, nachdem es bei Protesten auf dem Glacis zu Ausschreitungen gekommen war. Damals musste sogar ein Wasserwerfer der belgischen Polizei eingesetzt werden.

Justizministerin Sam Tanson und die Gefängnisverwaltung halten sich in der Folge bedeckt, was die Suspendierung der Vollzugsbeamten angeht. Beide Seiten verweisen gegenüber dem Tageblatt darauf, dass man Personalangelegenheiten weder bestätigen noch kommentieren werde.

Auch die Staatsbeamtengewerkschaft CGFP hat zunächst keine Kenntnis von Borsellinis Suspendierung. „Der Betroffene ist allerdings auch nicht Mitglied der CGFP und wird nicht nur deswegen keine Unterstützung von uns erhalten“, betont Präsident Romain Wolff gegenüber dem Tageblatt.

Im gleichen Zusammenhang betont CGFP-Sprecher Max Lemmer, dass sich die Gewerkschaft dafür einsetze, dass ungeimpfte Beamte keine Disziplinarstrafen zu befürchten haben. Dies gelte aber nur für den Fall, dass sie sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht impfen lassen wollen. Ansonsten gelte weiterhin das Prinzip des „Code de bonne conduite“, wonach ein Staatsbeamter sämtliche Aussagen oder Tätigkeiten unterlassen soll, die der Würde seines Amtes schaden, einen Skandal heraufbeschwören oder die Interessen des öffentlichen Dienstes beeinträchtigen könnten.

Medienschelte à la Keup

Sacha Borsellini ist nicht erst seit den Protesten an Heiligabend kein unbeschriebenes Blatt in der sogenannten Querdenker-Szene. Seit Monaten schon gilt der Escher Strafvollzugsbeamte als einer der Wortführer der Bewegung. Bei den entsprechenden Veranstaltungen ist „Sa Bo“ stets in der ersten Reihe, ergreift immer wieder das Wort, um die Teilnehmer zu beschwören und fragwürdige Narrative zu verbreiten.

Borsellini ist auch in den sozialen Netzwerken aktiv, wo er die Corona-Maßnahmen regelmäßig als Schikane und Diskriminierung darstellt und Vergleiche zum Faschismus herstellt, die den Holocaust relativieren. Der junge Beamte scheint an eine große Verschwörung zu glauben und verfällt regelmäßig in rechtspopulistische Rhetorik. Politiker seien Verbrecher und Lügner, die Presse instrumentalisiert und gesteuert, das Volk manipuliert.

In seinem jüngsten Beitrag auf Facebook ergeht sich Borsellini in diffusen Analysen der Tageblatt-Berichterstattung, die er bereits unter Androhung juristischer Konsequenzen zu unterbinden versucht hat. Dabei übernimmt der 27-Jährige eins zu eins die Medienschelte des ADR-Abgeordneten Fred Keup. Dieser hat am Wochenende in Beiträgen auf sozialen Netzwerken die Hypothese aufgestellt, das Tageblatt versuche, die Covid-Proteste mit „reißerischen Artikeln“ zu schwächen, weil die Gewerkschaften sich nicht mehr auf die Straße trauten. Und das aus Furcht, von „Schwurbler/innen“ gekapert zu werden, so Keup.

„Das Tageblatt ist Teil von Editpress und gehört dem OGBL“, schreibt der Abgeordnete auf Facebook. „OGBL und Tageblatt haben Ziele. Sinn und Ziel ist es nicht, die Bevölkerung objektiv, neutral zu informieren. Ziel ist es, die politischen Ziele des OGBL zu fördern, also die Menschen in dem Sinne zu beeinflussen und die Position der Linken und des OGBL zu stärken“, lautet seine Theorie.

Borsellini schlägt in die gleiche Kerbe: Die Meinung der Menschen werde zwar durch die Medien beeinflusst, doch könne auch „die Straße“ einen starken Impakt auf die Menschen und ihre Meinung haben. „Die Straßen haben jahrelang den Gewerkschaften gehört, die natürlich nicht immer unparteiisch sind“, bemerkt der Vollzugsbeamte. Dies gelte auch für den OGBL sowie die Editpress-Gruppe, die einer Regierungspartei nahestehe. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die LSAP.

Borsellini bedient sich anschließend der Pressehilfe, um zu verdeutlichen, dass das Tageblatt angesichts dieser Zuschüsse keinen unparteiischen und objektiven Journalismus betreiben könnte. Deswegen setze das Tageblatt alles daran, auch weiterhin einer der Haupt-Meinungsmacher des Landes zu sein. Außerdem wolle die Zeitung sicherstellen, dass „die Straßen nicht an Menschen verloren gehen, die oppositionell zur Regierungspolitik stehen, sondern an Gewerkschaften, die viele Menschen enttäuscht haben“.

Wer von den Medien objektiven, sachlichen und investigativen Journalismus erwarte, werde enttäuscht, so Sacha Borsellini. Eine sachlich-investigative Nachfrage des Tageblatt zu den Geschehnissen der letzten Tage blieb bis Redaktionsschluss allerdings unbeantwortet.

„Fred Keup ist offenbar auch ins Lager der Verschwörungstheoretiker abgerutscht, von Sacha Borsellini war ohnehin nichts anderes zu erwarten“, kommentiert Tageblatt-Chefredakteur Dr. Dhiraj Sabharwal die Aussagen. Dr. Benoît Ochs, Bas Schagen und Sacha Borsellini haben zuletzt damit gedroht, das Tageblatt juristisch unter Druck zu setzen. Sollte es wegen eines kritischen Berichts nicht zu einer öffentlichen Entschuldigung kommen, seien Klagen unausweichlich, so ihre Anwälte. Die drei Herren fordern insgesamt 350.000 Euro.


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Trierweiler
8. Januar 2022 - 17.11

De ganze Prisong otemt op.

Luxo choqué
7. Januar 2022 - 12.54

Korrrekt, 3x "bleift...". E Staatsbeamten muss ons Sprooch richteg schreiwen ! Och e Giischtchen...

Romain
4. Januar 2022 - 21.58

Bravo Tageblatt - dir huelt kee Blat viru de Mond a benennt ‚Ross und Reiter‘. Eis Demokratie muss sech dene Schwurbeler entgéint stellen. Da sollen di dräi Schwurbeler iech op d‘Geriicht huelen da fuere se ewech. Duerch hir Aktiounen si se nämlech Persounen vun öffentlechem Interessi ginn, an do ass et wichteg dat d‘Journalisten eis informéieren wat do hannendru stëcht