Play-offs„Rote Löwen“ on tour: Das sind die Unentbehrlichen aus dem Hintergrund

Play-offs / „Rote Löwen“ on tour: Das sind die Unentbehrlichen aus dem Hintergrund
Ohne sie läuft nichts: Léon Huss, Carlo de Borger und Domingos de Oliveira (v.l.) haben am Freitag die FLF-Koffer und -Kisten gepackt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Sie schleppen Wasserkisten, pumpen Fußbälle auf oder spülen dreckige Trainingshütchen – alles damit sich die „Roten Löwen“ und der Trainerstab in den nächsten Tagen bedenkenlos auf ihr großes Ziel konzentrieren können: Das Tageblatt hat den drei FLF-Betreuern Léon Huss, Carlo de Borger und Domingos de Oliveira beim Kofferpacken in Monnerich über die Schulter geschaut. 

510 Liter stilles Wasser: Einen halber Kubikmeter – so viel Wasser haben Léon Huss, Carlo de Borger und Domingos de Oliveira am Freitag aus der Monnericher Garage mithilfe eines Gabelstaplers in den Transporter gehievt. Mehr als die Hälfte der Flaschen sind für den medizinischen Stab vorgesehen, um energetisierende Mischgetränke während des Trainingslagers in Lipperscheid zuzubereiten, der Rest wird als Verpflegung bei den Trainingseinheiten benötigt. 

Gastfreundschaft geht anders: Es ist einer dieser kleinen Nadelstiche des Gegners, die genau zeigen, wie wichtig die nächsten Tage sein werden … Anders als bei den Qualifikationsterminen oder den Begegnungen der Nations League ist Georgien als Ausrichter des Halbfinals diesmal nicht von der UEFA verpflichtet worden, ein Minimum an Fußbällen bereitzustellen. Heißt also, dass die Luxemburger Betreuer die 50 Spielgeräte, die in der Ferne für das Training gebraucht werden, erst nach Lipperscheid bringen müssen – um sie dort nach der letzten Einheit wieder mit dem Kompressor zu entleeren. Dann werden sämtliche Bälle platt in eine der Metallboxen verfrachtet und nach Tiflis geflogen, wo sie wieder aufgepumpt werden müssen. 

Am Dienstagmorgen wird das Trio 50 Bälle „plattmachen“
Am Dienstagmorgen wird das Trio 50 Bälle „plattmachen“ Foto: Editpress/Alain Rischard

Eine halbe Tonne: Das ist das Gewicht an Gepäck, das die drei Betreuer am Dienstagmorgen auf dem Findel einchecken werden. Nicht am gewöhnlichen Schalter, sondern bei den „Übergrößen“. In den sperrigen Metallboxen, nummeriert von 1 bis 20, befindet sich sämtliches Material, das in Georgien zum Einsatz kommen wird: Von der Trainingskleidung über Trikots, einen Drucker, die Geschenke für das Präsidentenbankett, Verbandszeug und Medikamente, einen Kompressor, eine Kühlbox, Müsli-Riegel und Proteinpulver bis hin zum Fernsehgerät für die Videoanalysen. Das eingespielte Trio muss auch nicht mehr überlegen, um zu wissen, in welcher Box die gelben Hütchen zu finden sind. Denn wenn die Betreuer und Trainer in den letzten Jahren etwas gelernt haben, dann ist es, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein: So gab es auch schon mal Stress, wenn im Hotel plötzlich Anschluss-Kabel eines Bildschirms spurlos verschwunden waren oder der versprochene Beamer nicht funktionsfähig war. 

Der Mini-Rucksack: Als die Spieler am Sonntag zur ersten gemeinsamen Trainingseinheit erschienen, hatten Léon Huss, Carlo de Borger und Domingos de Oliveira schon ein paar Arbeitsstunden hinter sich. Um 10 Uhr traf sich das Trio im Mannschaftshotel, um den Transporter zu entladen und das Material zu verteilen. Priorität hatte dabei die Zusammensetzung der Stofftaschen: Jeder Nationalspieler erhält vor seiner Trainingseinheit einen personalisierten Rucksack mit Trikot, kurzer Hose, Socken und Handtuch. Nach der Einheit wird die dreckige Wäsche mitsamt Tasche dann wieder von den Betreuern eingesammelt. „So geht unterwegs nichts verloren“, erklärte De Borger. Organisation und Präzision sind bei diesen Wäschebergen ohnehin gefragt: Am Montagmittag musste die durchnässte Trainingskleidung wieder nach Monnerich gebracht werden – damit sie vor Abflug noch mal im CNF gewaschen, getrocknet, gefaltet und verpackt werden konnte. Während die Trainingstrikots mit dem Aufdruck des Sponsors noch beim Abschlusstraining in Tiflis getragen werden dürfen, ist es am Spieltag strengstens untersagt, diese im Stadion zu zeigen.

Ab ins Eisbad: In die große blaue Tonne kommt in Lipperscheid nicht etwa Altpapier, sondern sehr kaltes Wasser. Vier Grad beträgt die Temperatur des kühlen Nasses, in das sich die Spieler nach dem Training stürzen. Altmodischer geht es derweil bei den Einheiten in Bissen zu: Da kommt es dann schon mal vor, dass einer der FLF-Busfahrer 60 Kilogramm Eiswürfel anschleppt. 

Die blaue Eistonne wird in Lipperscheid und im Stade de Luxembourg genutzt
Die blaue Eistonne wird in Lipperscheid und im Stade de Luxembourg genutzt Foto: Editpress/Alain Rischard

Der frühe Vogel: Sie sind meist die Ersten, die in der Abflughalle – zu Hause und auswärts – erscheinen: Mindestens zwei der Betreuer brechen schon viel früher als der Rest der Delegation zum Flughafen auf. Nachdem sämtliche Metallboxen eingecheckt worden sind, folgt der administrative Teil, um den sich die drei kümmern. Am Schalter werden alle Personalausweise abgegeben, sodass den Spielern dann der Pass mitsamt dem Flugticket übergeben werden kann. 

Der Mann des Geldes: Der 72-jährige Léon Huss ist der erfahrenste der drei FLF-Betreuer. Im Juni 2017 war er zum ersten Mal mit den „Roten Löwen“ unterwegs, in Albanien durfte er damals gleich ein 2:1 bejubeln, ein paar Monate später war er auch beim 0:0 in Toulouse an Bord. Am Freitag wachte er in Monnerich, Klemmbrett unter dem Arm, über die Fracht des FLF-Lasters und ist auswärts u.a. für die Kommunikation mit dem Hotelpersonal zuständig. Zudem hat Huss immer etwas Kleingeld in der Tasche, falls im Ausland Einkäufe fällig werden. Dass so etwas immer mal vorkommt, kann er bestätigen – wie etwa bei einem spontanen Schuhkauf. Lustige Anekdoten und kleine Pannen gab es ebenfalls: Vor ein paar Jahren hatten die Betreuer gleich beide Taktiktafeln hochkant in einem Bus verstaut, „wo sie sehr gut hinpassten …“ – und dann allerdings vergessen, sie am Flughafen auszuladen. 

Nicht ganz neu: Obschon sich Carlo de Borger und Domingos de Oliveira schon seit mehreren Jahren in den Dienst der FLF stellen und u.a. wichtige Dienste im Jugendbereich geleistet haben, gehören sie zu den neuen Gesichtern der Qualifikations-Kampagne. Die Rentner – De Oliveira wird im Mai 75 Jahre alt, De Borger ist 62 – sind Mitte der Woche meist mit Jugendmannschaften im Ausland unterwegs und genießen den Kontakt zu allen Generationen: „Heute stehen einige im A-Kader, die ich schon seit sieben Jahren kenne. Das ist toll. Die Jungs sind sehr respektvoll und freuen sich, wenn sie uns sehen“, sagte De Oliveira. Sein Kollege hat ebenfalls eine ganz besondere Beziehung zu der Nationalauswahl, da er 34-mal das Kostüm des Maskottchens, des plüschigen „Roten Löwen“, übergestreift hatte, bevor er in die Rolle des Betreuers schlüpfte. Der Mann für die gute Laune ist zwar für jeden Spaß zu haben, aber ebenso mit voller Konzentration bei der FLF-Mission dabei: So sorgte er persönlich dafür, dass das EKG-Gerät der Teamärztin Lara Heinz unbeschadet in Lipperscheid ankam.

Die Flock-Anekdoten: Joëlle, so heißt die gute Seele aus der FLF-Waschküche, die beim Packen der Trikottaschen ein paar Geheimnisse verriet. Gemeinsam mit Kollegin Fatima bereitet sie unmittelbar nach der Pressekonferenz des Nationaltrainers eine Tasche mit Trikots vor: Die gewünschten Größen haben die nominierten Spieler ihr im Vorfeld mitgeteilt. Sobald feststeht, wer zum A-Kader gehört, werden die Shirts zum FLF-Sponsor gebracht, der für jeden zwei Exemplare mit Name und Nummer beflockt. Diese dürfen die Spieler später übrigens behalten (oder verschenken). Bevor sie den Betreuern überreicht werden, kümmern sich die beiden Damen um die letzte Kontrolle: Stimmen Größe, Name und Nummer überein, kommt das Trikot sorgfältig gefaltet in die Sporttasche. Manchmal muss im Ausland allerdings improvisiert werden: Als in der Slowakei kurzfristig eine Trikotnummer getauscht werden musste, waren die Betreuer nicht weniger als zwei Stunden unterwegs, um einen Laden zu finden, der aushelfen konnte: Vor Ort musste dann am Computer erst einmal die richtige Schriftart ausfindig gemacht werden, bevor mithilfe eines Spezialsprays die alte Flockierung abgeschabt werden konnte. 

Die FLF-Auswahl wird in ihren weißen Trikots in Georgien antreten
Die FLF-Auswahl wird in ihren weißen Trikots in Georgien antreten Foto: Editpress/Alain Rischard

Das Kribbeln: Langsam, aber sicher steigt auch bei den „alten Hasen“ die Spannung. Von den scherzhaften Sprüchen um den „Durchmarsch bis nach Berlin“ inklusive des hohen Blutdrucks – das Trio träumt wie alle anderen von der Europameisterschaft in Deutschland. „Je näher der Tag rückt, umso präziser muss alles laufen“, erklärte De Borger. „Man will bloß nichts falsch machen, um niemanden zu verärgern.“ Am vergangenen Freitag schaute Nationaltrainer Luc Holtz kurz vorbei und musste nicht viele Worte verlieren: Diesem Trio, das nach jahrelangem Kleinbus-Tetris erstmals einen großen Lastwagen zur Verfügung gestellt bekam, kann er in entscheidenden Momenten blind vertrauen.