Régis Moes: „Es bleibt eine doch sehr traditionelle Ausstellung“

Régis Moes: „Es bleibt eine doch sehr traditionelle Ausstellung“
Régis Moes hat Geschichte in Paris und Brüssel studiert. Er ist Kurator des MNHA und Co-Kurator der Ausstellung „#Wielewatmirsinn“ – 100 Jahre allgemeines Wahlrecht. Foto: Editpress/François Aussems

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst (MNHA) und die Abgeordnetenkammer zeigen ein Jahr lang gemeinsam die Ausstellung „#wielewatmirsinn – 100 Jahre Allgemeines Wahlrecht in Luxemburg“ und verweisen auf Ausschluss und Meriten der Demokratie. Wir haben mit Kurator Régis Moes gesprochen. 

Von Anina Valle Thiele

Tageblatt: Die Ausstellung im MNHA thematisiert 100 Jahre allgemeines Wahlrecht. Welches waren die größten Hürden dabei, dieses komplexe Thema in ein Ausstellungsformat zu gießen?

Régis Moes: Es war schwierig, diese Masse an Dokumenten, an Archivmaterial auszuwerten. Im 19. Jahrhundert gab es ein komplexes Wahlsystem, in das wir in der Ausstellung eigentlich nur eine Einführung geben. Politik und politische Geschichte drücken sich ja besonders in Dokumenten aus – es ist etwas, was fürs breite Publikum vielleicht schwer zugänglich ist, wenn man immer nur Dokumente oder Plakate zeigt. Es war eine Herausforderung, die Ausstellung so zu gestalten, dass sie nicht nur für ein spezialisiertes Publikum zugänglich wird.

Heute sind die Chamber-Wahlen noch immer nur Luxemburgern vorbehalten. Fast 48% der hierzulande lebenden Bevölkerung dürfen nicht das nationale Parlament wählen. Kann man von einem Erfolg der Demokratie sprechen?

Es leuchtet, glaube ich, ein, dass 1919 ganz klar ein Sprung gemacht wurde in der Demokratie, dass da die Partizipation, die Inklusion von sehr, sehr vielen Leuten gefördert und vorangetrieben wurde. Wir haben in der Ausstellung versucht zu zeigen, wie die Proportion der Wähler heute im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist. Da können die Besucher ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen.

Welche Herausforderungen bringen digitale Formate (Facebook, Twitter, Instagram) in der Partizipation mit sich?

Über Facebook wird die Illusion geschaffen, man habe Zugang zu Informationen, man kriegt viel mit, aber eigentlich sind die Algorithmen so geschrieben, dass man nur das sieht, was einen selbst interessiert. Es ist auch für Luxemburg eine Herausforderung, gekoppelt an andere gesellschaftliche Entwicklungen: den Rückgang des Vereinslebens, wo immer auch über Politik diskutiert wurde, die Automatisierung der Gesellschaft, die heute eigentlich weniger vernetzt ist im Alltag und sich nur nicht dessen bewusst ist. Auf der anderen Seite sind die Leute heute politisch interessierter als noch vor 30, 40 oder 50 Jahren, wo vielleicht ein größeres Vertrauen in die Politik herrschte, aber diese weniger hinterfragt wurde. Man wählte eine Partei aus Gewohnheit, in der sozialen Klasse, in der man war.

Die Herausforderung ist seit jeher, wie man bildungsferne Schichten ins Museum bekommt. Inwiefern ist es Ihnen gelungen, dass die Ausstellung allgemein verständlich ist?

Es bleibt eine doch sehr traditionelle Ausstellung. Wir mussten einen sehr großen Bogen schlagen, wir kamen nicht umhin, sehr viel Text unterzubringen. Wir haben natürlich versucht, über unsere polarisierende Werbekampagne mit den Forderungen „kein Wahlrecht für Autofahrer“ oder „kein Wahlrecht für Singles“ Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, und ein Ziel war es, Leute anzuziehen, die sonst vielleicht nicht ins Museum kommen. Natürlich hat unser Museum den Bildungsauftrag zu versuchen, so weit wie möglich alle sozialen Schichten anzusprechen, und das versuchen wir ja auch, indem wir zum Beispiel keinen Eintritt verlangen. Die Ausstellung ist jetzt bis zum 6. September 2020 gratis zugänglich und wir sprechen in der kulturellen Vermittlung auch Schulen und Jugendhäuser an sowie Vereine des Dritten Alters wie Amiperas oder Club Senior.