Kontroverse um „Stroossen-Englen“„Obdachlosen-Hilfe kommt nicht an“

Kontroverse um „Stroossen-Englen“ / „Obdachlosen-Hilfe kommt nicht an“
Während der sanitären Krise hatten es die Obdachlosen besonders schwer. Kleiderstuben und Lebensmittelausgaben blieben geschlossen, spendenfreudige Passanten blieben aus. Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Sie reichen den Notleidenden in der Hauptstadt die Hand, verteilen Lebensmittel, Kleidung und warme Decken an Obdachlose und Drogenabhängige. Die Freiwilligen der „Stroossen-Englen“ waren vor allem in der sanitären Krise gefordert. Manchen Akteuren aber scheinen sie ein Dorn im Auge zu sein.

„Mir reechen d’Hand“, lautet der Leitspruch der „Stroossen-Englen“. Menschen in Not zu helfen, ist ihr Anspruch. Dreimal wöchentlich besuchen die Freiwilligen der Luxemburger Vereinigung die Brennpunkte der Hauptstadt, um Obdachlose und Drogenabhängige mit dem Nötigsten zu versorgen. In der Regel werden belegte Brote, Wasser, Kleidung und Decken an die Notleidenden verteilt. Im Winter gibt es sogar ein warmes Süppchen: „Für viele Betroffene die einzige warme Mahlzeit des Tages“, weiß Mitbegründer Luc Lauer.

Die Betroffenen selbst wissen die Unterstützung durchaus zu schätzen. Das zeigt sich an der hohen Zahl an Besuchern, die sich zu den gegebenen Zeiten an den Treffpunkten im Bahnhofsviertel und in der Oberstadt einfinden, um Hilfe entgegenzunehmen. Doch scheint die Vereinigung nicht nur Freunde zu haben: Glaubt man den Aussagen der Freiwilligen, wurden ihnen besonders in den letzten Wochen viele Steine in den Weg gelegt.

Mitbegründer Luc Lauer geht sogar ein Stück weiter und erhebt schwere Vorwürfe: Die staatliche Hilfe komme nicht dort an, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Seine Vereinigung aber müsse immer wieder Hürden überwinden, um die Menschen am Rande der Gesellschaft mit dem Nötigsten zu versorgen. Was natürlich in Zeiten einer sanitären Krise besonders schwer wiegt.

Die „Stroossen-Englen“ sind eine offiziell registrierte Vereinigung ohne Gewinnzweck, die vor etwas mehr als zwei Jahren ins Leben gerufen wurde. Laut Internetauftritt handelt es sich bei den Mitgliedern ausschließlich um Freiwillige „aus den verschiedensten Berufssparten“, die sich zum Ziel gesetzt haben, „Leute, die auf der Straße leben, zu verpflegen“. Weiter wolle man auch zusammen mit den Betroffenen versuchen, sie in den staatlichen Einrichtungen unterzukriegen, die eigens für diese Zwecke geschaffen wurden.

„Mir reechen d’Hand“, lautet das Motto der Vereinigung ohne Gewinnzweck. Mit zwei Lieferwagen werden mehrere Routen gefahren. Dabei haben die Freiwilligen auch eine Art Food-Truck, um die Obdachlosen zu verpflegen.
„Mir reechen d’Hand“, lautet das Motto der Vereinigung ohne Gewinnzweck. Mit zwei Lieferwagen werden mehrere Routen gefahren. Dabei haben die Freiwilligen auch eine Art Food-Truck, um die Obdachlosen zu verpflegen. Foto: privat

Drei Mal wöchentlich sind die Freiwilligen in der Stadt Luxemburg unterwegs. Die Vereinigung verfügt mittlerweile über zwei Lieferwagen, die nach den in der Szene geltenden Standards umgebaut wurden und bei Bedarf auch als eine Art Food-Truck fungieren können. Die Lebensmittel stammen in der Regel aus dem Restbestand der Großhändler und Bäckereien, während die meisten Sachspenden von Privatleuten bereitgestellt werden.

Keine Konvention mit Stadt und Staat

Die Straßen-Engel arbeiten mit staatlichen Behörden zusammen, mit Ärzten, Entzugskliniken, Sozialarbeitern und anderen Vereinigungen, wie etwa der „Stëmm vun der Strooss“, den Ärzten ohne Grenzen oder dem Lions Club. Nur eine offizielle, staatliche Konvention hat die Asbl. im Augenblick noch nicht. Genau hier aber scheint der Hase im Pfeffer zu liegen.

Im Gespräch mit dem Luxemburger Wort hat etwa Sozialschöffe Maurice Bauer die Verteilaktionen der Vereinigung jüngst kritisiert. Diese wirkten schlimmstenfalls kontraproduktiv auf die Zielsetzung jener Hilfssysteme, an der die Stadt Luxemburg bereits beteiligt sei. Aussagen, die Luc Lauer nicht nachvollziehen kann: In dem von Bauer beschriebenen Hilfssystem fielen immer noch zu viele Menschen durch das Raster. Dabei gibt es ausreichend Angebote, wie auch Lauer zugibt. „In Luxemburg müsste eigentlich niemand auf der Straße leben“, so der gelernte Bestatter aus Diekirch. „Wenn aber in den unterschiedlichen Infrastrukturen immer wieder Betten leer bleiben, muss man sich Fragen stellen“, so der Mitbegründer der Vereinigung. „Dann stimmt etwas nicht mit dem System.“

Die Freiwilligen der „Stroossen-Englen“ scheuen auch nicht davor zurück, Ross und Reiter zu nennen. So investierten Staat und Stadt viel Geld in konventionierte Vereinigungen mit sogenannten Streetworkern. „Davon haben wir in den letzten zwei Jahren im Bahnhofsviertel und an den anderen Brennpunkten kaum etwas bemerkt“, behauptet Lauer. Ähnliche Kritiken äußern auch die Betroffenen selbst.

So wurde der Vereinigung zu Beginn der sanitären Krise etwa versichert, dass Obdachlose und Drogenabhängige aufgefangen werden sollen. Die Freiwilligen der Straßen-Engel sollten während der Pandemie lieber zu Hause bleiben, zitiert Lauer einen Mitarbeiter aus dem Familienministerium. Man wolle dafür sorgen, dass die Notleidenden allesamt in der „Wanteraktioun“ unterkämen, so das Versprechen. Menschen, die dennoch durchs Raster fallen, sollten von Streetworkern auf das Angebot hingewiesen werden.

„Gar nichts“

Tatsächlich schließt das Winterfoyer für Obdachlose jedes Jahr Ende März seine Türen. Wegen der sanitären Krise aber wurde das Angebot für Menschen ohne Unterkunft jüngst bis Ende Juni verlängert. „Wir haben uns das Ganze ein paar Tage lang angeschaut, mit Obdachlosen gesprochen, aber auch Polizisten befragt“, erklärt Lauer. Was denn nun bei den Obdachlosen angekommen sei, habe man von den Gesprächspartnern wissen wollen. „Gar nichts“, so die gängige Antwort.

Den Betroffenen wird persönlich nur selten Glauben geschenkt. Das weiß auch Lauer. Ein Grund, weshalb manche Betten in den Foyers etwa leer blieben, sei der Umstand, dass sich viele Obdachlose nicht in die Einrichtungen trauen. Aus Angst vor Diebstahl und Überfällen. „Nur: Wenn man den Verantwortlichen davon berichtet, heißt es, die Obdachlosen lügen“, bedauert Lauer.

Gründe, weshalb sich die Freiwilligen in der sanitären Krise doch noch vor die Tür trauten: Lebensmittel wurden keine mehr verteilt, die Kleiderstuben hatten geschlossen und auch die sanitären Angebote wie Duschen und Toiletten waren nicht mehr zugänglich. Wegen der Ausgangsbeschränkungen blieben auch die Passanten weg, die den Obdachlosen ab und an ein paar Cent zustecken. „Manche wussten sich nicht anders zu helfen, als Waren zu stehlen. Das können wir nicht zulassen“, unterstreicht Lauer.

Also wurden die Routen durch die Hauptstadt wieder aufgenommen. Die entsprechenden Genehmigungen der Polizeidirektion und des Gesundheitsministeriums ließen sich die Straßen-Engel per E-Mail zustellen. Einzige Voraussetzung: Sie mussten sich an die gängigen Maßnahmen halten. Von der Vereinigung „Wonschstär“ erhielten die Freiwilligen die belegten Brote. Andere Mittel wurden aus dem Gastronomiebereich zur Verfügung gestellt, während die Freiwilligen selbst Schutzmasken und Desinfektionsmittel organisierten, um sich zu schützen, aber auch die Obdachlosen zu versorgen.

Trotz ausdrücklicher Genehmigungen stehen die Straßen-Engel mittlerweile wieder vor einer neuen Hürde. So seien die Freiwilligen während einer Verteilaktion in der Oberstadt vor Wochenfrist von einem Schöffen der Stadt Luxemburg verscheucht worden. Lauer zufolge soll sich das Mitglied des Schöffenrates nicht gerade zimperlich geäußert haben. Einen Namen habe er aber nicht nennen wollen, so Lauer. Laut der anwesenden Polizeibeamten soll es sich um Patrick Goldschmidt gehandelt haben.

Sein Engagement sei gebrochen, meint Luc Lauer. Kritiken, die Vereinigung sei nicht professionell, treffen ihn und seine Mitstreiter schwer. Von den Betroffenen und Partnern selbst habe sich noch niemand beschwert. „Ich weiß nicht, wie es weitergeht“, so Lauer. „In die Oberstadt dürfen wir vorerst nicht mehr fahren.“

Eine Antwort des Staatsministers stehe noch aus. Ob das Gesundheitsministerium helfen kann, bezweifele er. Wenn überhaupt, dann das Familienministerium. Von dort kam jedoch der Aufruf, zu Hause zu bleiben. Um weiter in der Hauptstadt Lebensmittel verteilen zu können, bedarf es einer Genehmigung des Schöffenrates. „Mit dem möchte ich mich aber nicht anlegen“, meint Lauer. „Den Krieg werden wir verlieren.“

Clemens RM
3. Juni 2020 - 17.46

Stroossen Eng(e)len a Piraten Vun der Wahlcampagne fir d‘Chamberwahlen 2018 wou den Här Lauer a verschidde ‚Matstreider‘ sech fir Wahlpropaganda vu Clement a Frères op Fotoen regroupéiert hunn ginn ech meng Spenden erëm u Caritas a Croix Rouge. Den Här Lauer hat ausserdeem eng auslännerfeindlech Ausso iwwer PN verbreet. Domadder war méng Mooss endgülteg voll. Si bei mär op FB gespoart!

J.Scholer
3. Juni 2020 - 11.14

Die etablierte Politik finanziert die etablierten, sogenannten Hilfsorganisationen . Das Geld versiegt in Glanzbrochüren, aufgeplusterten Verwaltungs-, Mitarbeiterstab und Werbeaktionen .Der Hilfsbedürftige am Ende der Kette erreicht oft nur ein Bruchteil. Vor Monaten wollte ich Material für ein Hilfsprojekt mit Jugendlichen spenden . Schriftlicher wie telefonischer Kontakt kamen zustande, eine Abholung zugesichert. Bis zum heutigen Tage hat sich keiner dieser renommierten Hilfsorganisation mehr gemeldet . Mir scheint eine Geldüberweisung anstatt der Sachspende ,wäre denen lieber gewesen. Es ist traurig zusehen, wenn Privatakteure, wie die Street Angels „ sech den Arsch opreissen an Politiker mat Steng geheien“, dabei pumpt der Luxemburger Steuerzahler Millionen Hilfsgelder ins Ausland, die Bedürftigen im eigen Land oft vergessen.

Anaconda
3. Juni 2020 - 10.25

Wie können wir helfen? Die Obdachlosen in der Oberstadt sehen zur Zeit sehr schmutzig und verstört aus. Wir haben uns gewundert, dass sie in der Krise nicht ausreichend versorgt wurden.