ParlamentMehrheit lehnt Zuckersteuer ab

Parlament / Mehrheit lehnt Zuckersteuer ab
Eine Zuckersteuer für Luxemburg? Nein, sagt die Mehrheit im Parlament. Foto: Tageblatt-Archiv

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In Fragen der Gesundheit und des gesunden Essens ist nahezu jedermann Experte. Eine Binsenweisheit, die sich gestern auch im Parlament bestätigte. Die schädlichen Folgen von Übergewicht und Fettleibigkeit waren Thema einer Interpellation.

Laut dem Luxembourg Instute of Health waren im Jahr 2019 31,9 Prozent der Bevölkerung übergewichtig, 16,5 Prozent waren adipös. Fettleibigkeit sei eine Krankheit der modernen Gesellschaften. Sie sei ein Risikofaktor für viele chronische Erkrankungen, so Dan Biancalana (LSAP) im Parlament, das auf seine Initiative hin die Problematik erörterte. Man sollte die Einführung einer Besteuerung ungesunder Produkte überlegen, etwa eine Zuckersteuer. Ein Vorschlag, der jedoch bei den Mehrheitsparteien auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Eine entsprechende Motion wurde mit den Stimmen der 35 CSV- und DP-Abgeordneten abgelehnt. Die Opposition sprach sich geschlossen dafür aus.

Anfang des Jahres hatte das „Observatoire national de la santé“ besorgniserregende Zahlen vorgelegt. Jeder fünfte Elf- und Zwölfjährige ist fettleibig. Der Anteil bei den Jungen stieg im Zeitraum 2014-2022 von 15 auf 22 Prozent, bei den Mädchen von 11 auf 16 Prozent an. Damit übersteigen diese Werte jene der Nachbarländer. Den schulmedizinischen Diensten zufolge waren im Schuljahr 2021/22 landesweit 13 Prozent der Lyzeumschüler fettleibig.

Zugenommen hat auch die Fettleibigkeit in der Gesellschaft allgemein – insgesamt 16,5 Prozent gelten als adipös. Die finanziellen Folgekosten dieser Entwicklung sind mit einer Milliarde Euro auch für Luxemburg erheblich.

Biancalana wies auf die Komplexität des Problems hin. Es reiche nicht, einer betroffenen Person bloß zu sagen, sie solle sich mehr bewegen und gesünder ernähren. Er wies auf genetische Faktoren und auf die Rolle des sozialen Umfelds hin. So ist der Anteil fettleibiger Menschen in Bevölkerungsschichten mit niedrigem Schulabschluss tendenziell höher. Einfluss spielt auch die finanzielle Lage der Haushalte. 39 Prozent der Kinder aus Familien ohne finanzielle Sorgen essen täglich Früchte und Gemüse, bei weniger gut bestellten sind es 18 Prozent. Problematisch sei auch der Rückgang sportlicher Aktivitäten in der Bevölkerung. 42 Prozent der Befragten gaben an, nach der Pandemie weniger Sport zu machen als zuvor.

Neben anderen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Fettleibigkeit nannte Biancalana auch die Einführung einer Zuckersteuer, wie sie bereits in einigen Ländern realisiert wurde. In Großbritannien etwa habe dies zur Senkung des Zuckergehalts in Lebensmitteln geführt. Die Zusatzabgabe sei zwar nicht im Koalitionsabkommen vorgesehen. Man sollte jedoch über eine Besteuerung ungesunder, zuviel Zucker, Salz und schädliches Fett enthaltender Produkte nachdenken.

Der sozialistische Vorschlag stieß auf Ablehnung der CSV und der DP. So bevorzugte der CSV-Sprecher Jeff Boonen eine EU-Regelung.

Während Fred Keup (ADR) die Rolle des Elternhauses bei der Vermeidung von Übergewicht und Fettleibigkeit betonte, wies François Bausch („déi gréng“) auf die irreführenden Informationen auf den Verpackungen gesundheitsschädlicher Lebensmittel. Eine „Katastrophe“ sei, wenn zuckerhaltige Limonade als gesund bezeichnet werde, bloß weil Vitamin C hinzugefügt werde. Gebraucht werde eine „ehrliche Verpackung“. Nutriscore reiche nicht.

Auf die mangelhaften Verpackungsangaben ging auch Sven Clement (Piratepartei) ein. In einigen südamerikanischen Ländern seien ungesunde Lebensmittel in neutrale Verpackungen verpackt. Ein nachahmenswertes Beispiel, meinte er. Dem Einfluss insbesondere der Fastfood-Industrie sollte man entgegenwirken, forderte seinerseits Marc Baum („déi Lénk“), etwa durch Steuern und die Förderung des biologischen Landbaus, der Entwicklung strikterer Standards.

Leider verblieben dem eigentlichen Experten in Gesundheitsfragen im Parlament, Dr. Gérard Schockmel (DP), lediglich dreieinhalb Minuten Zeit, um sich zu äußern. Übergewichtige Kinder würden oftmals auch übergewichtige Erwachsene. Die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft spiele eine Rolle. Ebenso die Art der Geburt: natürliche Geburt oder Kaiserschnitt. Letzteres müsse reduziert werden. Auch das Stillen der Kinder schütze sie vor Übergewicht. Ganz problematisch sei Antibiotika für die Darmflora von Kleinkindern, so Schockmel weiter, der hierzu einen Aktionsplan forderte.

Gesundheits- und Sozialministerin Matine Deprez (CSV) ging auf bereits vorhandene Präventionsprogramme gegen Übergewicht ein. Sie erwähnte dabei auch die „Clinique de l’obésité“ des CHL, in der rund 500 Patienten erfolgreich betreut würden. Sportminister Georges Mischo (CSV) bezeichnete die Situation von Übergewicht und Fettleibigkeit, insbesondere bei Kindern, als „schlimm“. Die Forderung Biancalanas nach mehr Sportstunden in der Schule reichte er jedoch an den Unterrichtsminister weiter.

Unfaire Wahlen in Russland

In einer von sämtlichen Parteien und politischen Bewegungen getragenen Resolution werden die rezenten Präsidentschaftswahlen in Russland kritisiert. Es seien keine freien und fairen Wahlen gewesen, heißt es darin.

Tabakwaren werden teurer

Die Akzisen auf Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse werden zum 1. Mai 2024 um 2,7 Prozent angehoben. Erstmals besteuert werden ab Oktober E-liquids für E-Zigaretten und Nikotinbeutel. Die Angaben machte Finanzminister Gilles Roth (CSV) anlässlich einer Aktualitätsdebatte zum Tabakverkauf und den staatlichen Einnahmen. Trotz Preisanhebung bleibe der Preisunterschied zum Ausland bestehen. Im Vergleich zum niedrigsten Zigarettenpreis in Deutschland werde er von 0,45 auf 0,35 Euro reduziert. Der Staat verbuchte 2023 rund eine Milliarde Euro allein an Akziseneinnahmen auf Tabak. Hinzu kommen noch etliche Millionen Euro Mehrwertsteuer. Er wisse nicht, wie man schlagartig darauf verzichten könne, so Roth. Er bescheinigte sich, aber auch heutigen Oppositionspolitikern, Inkohärenz im politischen Handeln. Tatsächlich hatte eine Aktualitätsstunde zum selben Thema mit denselben Schlussfolgerungen bereits 2022 stattgefunden. Autor war der damalige Oppositionsabgeordnete Gilles Roth. Gestern wie damals schon wurde der Widerspruch zwischen der Bekämpfung des Tabakkonsums und den erklecklichen Einnahmen des Staats aus dem Tabakverkauf angeprangert.

Öffentliche Ausschussitzungen

Die Sitzungen der Ressortausschüsse Landwirtschaft, Wohnungsbau, Umwelt, Erziehung und Medien werden in Zukunft gestreamt. Es handelt sich um ein Pilotprojekt. Die Abgeordneten erhoffen sich dadurch eine größere Transparenz der Parlamentsarbeiten. Die Plenarsitzungen werden seit etlichen Jahren bereits von Chamber TV öffentlich übertragen.

Redezeiten verkürzt

Eine weitere Änderung der internen Parlamentsordnung sieht die Reduzierung der Redezeiten einzelner Debattenmodelle in öffentlicher Sitzung vor.