Eindrücke an der Corona-Front„Man kann klatschen, soll sich bitte aber auch an die Regeln halten!“

Eindrücke an der Corona-Front / „Man kann klatschen, soll sich bitte aber auch an die Regeln halten!“
Die Angestellten in Lebensmittelläden und Supermärkten gehen jeden Tag auf Tuchfühlung mit den Kunden, auch in Zeiten einer Pandemie. Die Sicherheitsmaßnahmen sind in den meisten Filialen entsprechend hoch.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Pflegepersonal, Ladenangestellte, Briefträger und andere Mitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe: Sie alle kämpfen an vorderster Front der Pandemie, damit die Gesellschaft weiterdreht. Ihnen gebührt derzeit der Dank der Nation. Statt Blumen und Schokolade ernten sie ab und an aber auch Frust und Ärger.

„Mögen Sie Schokolade?“ Die Kassiererin blickt etwas verdutzt auf, doch dann beginnen ihre Augen zu leuchten. Der Kunde hält ihr jene Packung „Merci“ entgegen, die sie gerade noch am Scanner vorbei in Richtung Einkaufstüten geschleust hat. „Danke für Ihren Einsatz!“, sagt der junge Mann mit einem herzlichen Lächeln, bevor er der freundlichen Angestellten das Geschenk überreicht. Strahlend nimmt die Frau das süße Dankeschön entgegen. „Martina! Schau mal, was der junge Mann mir gerade geschenkt hat“, ruft sie stolz der Kollegin an der nächsten Kasse zu. „Das teilen wir uns“, sagt sie dem Kunden, der natürlich zustimmt. „Danke noch mal, dass Sie in diesen Zeiten jeden Tag für uns da sind“, meint dieser, bevor er die letzte Tüte in den Einkaufswagen hievt und mit den Waren davonschlendert.

Wie den zwei Kassiererinnen in einem Supermarkt in Echternach geht es derzeit vielen Menschen, die trotz Pandemie täglich zur Arbeit erscheinen. Seien es nun Ladenangestellte, Apothekenmitarbeiter, Briefträger oder – allen voran – das Personal im Gesundheits- und Pflegewesen: Die Bevölkerung zeigt sich in Krisenzeiten besonders dankbar für deren Einsatz. Von Regenbögen in den Fenstern über kleine Geschenke an Briefkästen und Scheibenwischern bis hin zum Applaus der Bevölkerung und einem Sirenenkonzert der Polizei vor den Krankenhäusern – die Anerkennung nimmt derzeit viele Formen an.

Auch wenn sich ein überwiegender Großteil über die kleinen Aufmerksamkeiten aus der Bevölkerung freut, wird diese Anteilnahme längst nicht von jedem begrüßt. So werden die gut gemeinten Solidaritätsbekundungen vor allem von Mitarbeitern aus Pflegeberufen teils auch kritisiert. Schade findet eine junge Krankenpflegerin aus dem Norden des Landes den Umstand, dass es einer Pandemie bedarf, damit das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Berufsstandes endlich wächst. „Zu lange wurde unserer Tätigkeit die angemessene Anerkennung verwehrt“, betont die 25-Jährige im Gespräch mit dem Tageblatt.

„Man kann klatschen! Die gleichen Menschen aber sollten dafür sorgen, dass dem Pflegepersonal auch nach der Pandemie noch Respekt entgegengebracht wird und die Arbeitsbedingungen allgemein verbessert werden“, pflichtet ihr ein Mitarbeiter aus einem hauptstädtischen Krankenhaus bei. „Wer uns wirklich unterstützen möchte, sollte sich an die Regeln halten: regelmäßig die Hände waschen und die Ausgangsbeschränkungen einhalten!“, mahnt die gelernte Pflegekraft. Nach drei Wochen Quarantäne stelle er eine gewisse Unruhe bei seinen Mitmenschen fest. „Die Leute wollen wieder raus, stellen verschiedene Regeln infrage. Uns ist jedoch am meisten geholfen, wenn jeder zur Eindämmung des Virus beiträgt.“

„Es hält sich die Waage“

Diese Meinung teilt aber nicht jede Arbeitskraft, die derzeit an der Front der Pandemie unterwegs ist. „Die Leute sind wirklich diszipliniert. In den letzten drei Wochen hatten wir kaum Probleme“, stellt die Verkaufsleiterin einer deutschen Supermarktfiliale in Echternach fest. Plexiglasscheiben schützen die Angestellten, am Boden erinnern gelb-schwarze Streifen den Kunden daran, Abstand zu halten. „Am Anfang taten sich einige Menschen etwas schwer mit den Veränderungen. Es kommt auch jetzt noch ab und an vor, dass verschiedene Leute nicht mehr daran denken und etwas zu nahe an die Theke kommen. Wir weisen sie darauf hin und dann halten sie sich auch daran“, erklärt die leitende Angestellte der Supermarktkette.

Manche Unternehmen scheuen keine Kosten, um ihre Mitarbeiter vor einer Ansteckung zu schützen. Im Auchan etwa werden auf Maß geschneiderte Plexiglaskabinen aufgestellt. 
Manche Unternehmen scheuen keine Kosten, um ihre Mitarbeiter vor einer Ansteckung zu schützen. Im Auchan etwa werden auf Maß geschneiderte Plexiglaskabinen aufgestellt.  Foto: Editpress/Julien Garroy

Auch reiße dem einen oder anderen Kunden an der Kasse mal der Geduldsfaden, so die Verkaufsleiterin. „Oder sie halten den Abstand zum nächsten Kunden nicht ein. Generell aber hält es sich die Waage: Die meisten Menschen sind einsichtig und halten sich an die Regeln.“ Ähnlich sehen es auch die Mitarbeiter eines Supermarkts mit angrenzender Tankstelle in Fels: Bis auf wenige Ausnahmen halte sich jeder an die Sicherheitsbestimmungen. Wie in vielen anderen Geschäften auch werden hier die Kunden gebeten, alleine einzukaufen und nur einzutreten, wenn ein anderer Kunde das Geschäft verlässt. „Und doch wird das Plakat vor der Tür manchmal ‚übersehen‘, um es mal so auszudrücken“, meint eine Angestellte.

So wollte sich nicht jeder auf Anhieb an die Regel halten, dass nur eine Person pro Familie einkaufen sollte. „Am Anfang waren viele Elternteile noch mit den Kindern unterwegs. Man kann die Kleinen jedoch schlecht alleine vor der Tür lassen. Inzwischen haben sich die Leute darauf eingestellt und kommen allein“, so die junge Frau. Dennoch komme es immer wieder vor, dass es sich manche Kunden nicht nehmen lassen wollen, in der Gruppe einzukaufen. „Dann müssen wir halt etwas sagen. Nur lässt nicht jeder sich das gefallen. Dann bleibt uns auch nichts anderes übrig, als sie gewähren zu lassen. Wir können ja niemanden einsperren“, fährt die Angestellte fort.

Derzeit gelten besondere Sicherheitsbestimmungen in Supermärkten – anfängliche Schwierigkeiten blieben da nicht aus
Derzeit gelten besondere Sicherheitsbestimmungen in Supermärkten – anfängliche Schwierigkeiten blieben da nicht aus Foto: Editpress/Julien Garroy

Aber auch hier ist die Feststellung, dass sich ein überwiegender Teil an die Richtlinien hält und nur die wenigsten ausfallend werden. „Die meisten Kunden sind freundlich, viele bedanken sich sogar bei uns“, erklärt eine Mitarbeiterin der angrenzenden Tankstelle, und fügt mit einem Lachen hinzu: „Wir sind ja auch freundlich zu den Leuten.“ Nein, frech sei noch niemand zu ihr gewesen. „Auch die Sache mit dem Bargeld haben die meisten akzeptiert“, sagt sie in Anspielung auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, weitestgehend nur noch Bankkarten zu akzeptieren.

Licht und Schatten

„Wenn überhaupt, dann hat vor allem diese Entscheidung für den meisten Ärger gesorgt“, meint hingegen die Angestellte einer großen Bäckerei in Luxemburg. In ihrer Filiale im Osten des Landes wären bereits mehrere Kunden ausfallend und frech geworden, weil sie nicht mit Bargeld zahlen konnten. „Ich kann ihren Ärger ja auch nachvollziehen. Nicht jeder hat eine Bankkarte. Wir würden gerne helfen, doch dürfen und können wir nicht. Wir haben ja nicht mal mehr Wechselgeld in den Kassen“, erklärt die Betroffene.

Neben Beschimpfungen habe sogar ein Mann damit gedroht, die Ware „anzuhusten“. Auch gebe es immer noch Kunden, die den Abstand zu Ware und Kasse nicht einhalten. „Die kleine Plexiglasscheibe vor der Kasse allein rettet uns in dem Fall sicher nicht“, kritisiert die Angestellte die Sicherheitsvorkehrungen des Unternehmens.

Wie überall im Leben lösen sich auch in diesem Bereich Licht und Schatten ab. Auf jeden freundlichen Kunden kommt ein Unverbesserlicher, der sich nicht um elementare Umgangsformen kümmert oder Sicherheitsbestimmungen einhält. Ob nun bewusst oder ungewollt. Davon weiß auch die Kassiererin einer großen Luxemburger Supermarktkette ein Liedchen zu singen. „Warum erlässt die Regierung Regeln, wenn sich nur die Hälfte der Leute daran hält …“, stellt die Frau fest. Sie bediene etwa alle paar Tage dieselben  Kunden: „Diese Menschen kaufen dann Brot und Bier, um zwei Tage später wieder mit neuen Artikeln vor mir zu stehen, anstatt genug für eine ganze Woche oder gar mehr einzukaufen“, berichtet die Betroffene. „Mit Hamsterkäufen hat das ja nichts zu tun. Die meisten Leute decken sich für mehrere Tage, ja, Wochen ein.“

Ein Kunde raus, ein Kunde rein: Die meisten Kunden zeigen Disziplin. Nur ab und an kommt es noch vor, dass manchen Betroffenen der Geduldsfaden reißt. 
Ein Kunde raus, ein Kunde rein: Die meisten Kunden zeigen Disziplin. Nur ab und an kommt es noch vor, dass manchen Betroffenen der Geduldsfaden reißt.  Foto: Editpress/Julien Garroy

Auch sehe sie immer wieder Menschen, die trotz Aufforderung der Geschäftsleitung mit der ganzen Familie einkaufen gehen. Jedes Familienmitglied schnappe sich einen Einkaufswagen, um so die Bestimmungen zu umgehen. „Auch kommt es derzeit öfter mal vor, dass ein Artikel einer bestimmten Marke ausverkauft ist. Anstatt dann aber zu einer Alternative, also zum Produkt einer anderen Marke, zu greifen, werden unsere Mitarbeiter angemotzt“, so die Kassiererin, deren Unternehmen inzwischen dazu übergegangen ist, Ärzte und Pflegepersonal bevorzugt zu bedienen.

„Anstatt diese Menschen an der Kasse vorzulassen, bleiben manche Kunden stur stehen. Dabei geht das Pflegepersonal jeden Tag für uns an die Grenzen ihrer Belastbarkeit“, so die frustrierte Angestellte. Diese Begebenheiten seien inzwischen in verschiedenen Läden an der Tagesordnung. „Und wenn wir am Abend dann dazu kommen, für unsere Familien einzukaufen, sind verschiedene Artikel wieder vergriffen. Dann darf sich auch niemand wundern, wenn auch wir an unsere Grenzen stoßen – Dank hin oder her.“

de Schmatt
7. April 2020 - 20.09

Mir sinn nach wäit ewech vu Courtoisie a geliewter Solidartéit. Ët huet ee bal d'Gefill, wéi wann d'Aggressivitéit nach géif zouhuelen.

Eric Hamus
6. April 2020 - 7.59

Merci Clemens MR. Ech wees mol vum Fall vun enger Botzkraft aus dem CHEM, an eben vun där Damm zum Schluss, déi mer erzielt huet, datt d'Solidaritéit do ophällt, wann et drëms geet, eng aner Persoun un der Caisse fir ze loossen. Fir de Recht hunn ech natierlech een oppent Ouer fir d'Erfahrungen vun de Leit aus dem Gesondheets a Flegesecteur. Ech hunn sou eng Impressioun, wéi wann Dir wisst, wéi der u mech kommt! Wann net: ehamus@tageblatt.lu. Merci!

Clemens MR
6. April 2020 - 1.09

@Eric Hamus Intressanten Artikel! Schéin datt bei der Recherche meescht manéierlech Clientèle ënnerwee war. Ët gëtt déi aner Säit vun der Médaille, dat ass wat Leit vum Gesondheets a Flegesecteur erliewen wann sie fir sech akafe ginn. Villfach manner agréabel wat do mat munch Clientèle erliewt gëtt. ‚Les uns et les autres‘

Eric Hamus
5. April 2020 - 13.33

@de Schmatt: Der junge Mann war der einzige Kunde an den Kassen. Der Supermarkt in Echternach ist in Regel nicht überfüllt in diesen Zeiten.

Jimbo
5. April 2020 - 13.06

Fannen dat grad esou dämlech wann se engem Pilot applaudeieren wann deen säin Flijer landt. Dei machen och just hiren Job. Maer applaudeiert och keen wann ech schaffe ginn...

D´Maartfra
5. April 2020 - 10.28

Mir as onverständlech wieso de Maart an der Stad darf sin, an e Baumarkt oder eng Gärtnerei dierf net op sin. Oder breichten dei hellef vun enger Gemeng,, esou wei dei net mei ganz taufrische Damen aus der Stadt.

de Schmatt
5. April 2020 - 10.06

Schöne Geste von dem jungen Mann gegenüber der Kassiererin. Allerdings sollte man möglichst ohne langes Gerede seine Einkäufe zügig erledigen und die Kasse ebenso zügig und ohne viel zu reden passieren. Nur so wird ein Gedränge und eine grössere Menschenansammlung im Kassenbereich vermieden, im Interesse aller, der Kunden und dem Personal.