ParlamentLuxemburgs 195 Millionen Euro teure Telefonleitung

Parlament / Luxemburgs 195 Millionen Euro teure Telefonleitung
Das System besteht aus elf von der SES bereitgestellten Satelliten Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Das Parlament stimmte am Dienstag (16.5.) dem Gesetzesprojekt zur Realisierung des Programmes MEO Global Services (MGS) zu. Dabei handelt es sich um die Schaffung von Kommunikationskapazitäten über Satelliten auf mittlerer Erdumlaufbahn (Medium Earth Orbit, MEO). Sie sollen der Luxemburger Armee und Verbündeten zur Verfügung gestellt werden. Zur Nutzung des von der SES konzipierten, aus elf Satelliten bestehenden Systems müssen auch entsprechende Bodenstationen eingerichtet werden. 

Partner am Programm seien die USA, weitere könnten dazukommen, so Berichterstatterin Stéphanie Empain („déi gréng“). Luxemburg ist bereits mit dem Beobachtungssatelliten Luxeosys und dem militärischen Kommunikationssatelliten Govsat-1 im Weltraum aktiv. MGS wäre komplementär zu Govsat, so Empain. Es bietet 40-mal mehr Kapazitäten und habe eine größere Abdeckung. 

Luxemburg wird nicht selbst Satelliten in den Weltraum schießen. Es nimmt lediglich Dienstleistungen der SES in Anspruch, bemühte sich Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“), den Unterschied zu bisherigen Weltraumprojekten zu erklären. Man kaufe lediglich eine Telefonleitung, meinte der Piraten-Deputierte Marc Goergen. Dazu stellte das Parlament gestern 195 Millionen Euro über zehn Jahre bereit.

Keinesfalls ungeteilte Zustimmung

Die Telefonleitung in den Weltraum fand jedoch keinesfalls ungeteilte Zustimmung. So erinnerte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) an die Zusatzfinanzierungen beim Beobachtungssatelliten Luxeosys. Das kurz vor den Legislativwahlen vom Parlament gebilligte Militärprojekt sollte ursprünglich 170 Millionen Euro kosten. Am Ende wurden es jedoch 309 Millionen Euro. 

Unklar blieb gestern auch die Beteiligung der USA an MGS. Darauf wies als Erster Jean-Marie Halsdorf (CSV) hin. Es bestehe auch kein Lastenheft. Ungewiss sei, wie hoch der Bedarf an derlei Dienstleistungen überhaupt sei. Tatsächlich haben sich die USA bisher noch nicht vertraglich engagiert. Würden sie aber mitmachen, würde es um ganz andere Beträge gehen, so Bausch. Man werde sich um eine Teilnahme der USA bemühen. Interesse sei vorhanden. 

Für den DP-Sprecher Gusty Graas stand bereits fest, dass der Bedarf an Satellitenkommunikation zunehmen wird. Da Luxemburgs Beitrag als kleines Land auf den klassischen Militärbereich begrenzt sei, sollte es das vorhandene Knowhow im Satellitenbereich nutzen. 195 Millionen Euro über zehn Jahre seien nicht unbedingt eine „horrende Zahl“, meinte Graas, der in einem Nebensatz Luxemburgs selbst festgelegte Obergrenze von einem Prozent des BIP als NATO-Beitrag infrage stellte. Luxemburg will bis 2028 jährlich ein Prozent seines erwirtschafteten Reichtums für Militär und Verteidigung, nahezu eine Milliarde Euro, ausgeben. 

„Dynamischer Weltraumpartner“

Zustimmung fand das Projekt auch bei Lydia Mutsch (LSAP). Mit diesem Finanzierungsgesetz konsolidiere Luxemburg seine Position als „dynamischer und zuverlässiger Partner im Weltraum“.  Es handele sich auch um eine nachhaltige Investition, da sie unmittelbar für Luxemburg interessant sei. Da die SES ein Luxemburger Unternehmen ist, würden alle Einnahmen aus dem MEO-Global-Services-Programm der SES zugutekommen, sollte später Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) betonen. 

Kritik und Ablehnung gab es lediglich von ADR und „déi Lénk“, da die Piratenpartei sich vorbehaltos für das Projekt aussprach. Fernand Kartheiser (ADR) meinte, 195 Millionen Euro seien schon sehr viel Geld. Die ADR stehe zum Finanzierungsziel von einem Prozent des BIP für Militärausgaben, so Kartheiser. Zu mehr aber nicht. Schließlich habe Luxemburg keine eigene Rüstungsindustrie. Mit Sorge blickte er auf die Andeutungen seines liberalen Vorredners, diese Obergrenze zu überschreiten. Wohl sei man mit der NATO solidarisch, doch stelle das Projekt weltumspannende Kommunikationskapazitäten bereit, erfasse also auch chinesisches Territorium zum Beispiel. Sollte man sich nicht auf Projekte in direktem Umfeld begrenzen? Außerdem wisse man nicht, wie Partner zur Verfügung gestellte Kapazitäten nutzen würden. – Luxemburg könne Partnerschaften zurückweisen, präzisierte Bausch.

Das vorliegende Projekt sei noch undurchsichtiger als jenes von Luxeosys, stellte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) fest. Man wisse nicht, was hinter den Kulissen zwischen SES, USA und Luxemburgs Regierung laufe. Über das neue SES-Projekt  könnten militärische Drohnen gesteuert werden, was angesichts möglicher Menschenrechtsverletzungen problematisch sei. Oberweis bemängelte, dass Luxemburg sich voll USA-strategischen Interessen unterordne, was nicht unproblematisch sei angesichts der Rolle, die die USA in der Vergangenheit im Weltgeschehen gespielt haben. 

Das Projekt wurde mit den Stimmen von DP, LSAP, „déi gréng“ und CSV angenommen.