Corona-Rentrée ab 4. MaiLehrer zwischen Pflichtgefühl und Zweifeln

Corona-Rentrée ab 4. Mai / Lehrer zwischen Pflichtgefühl und Zweifeln
Dass die Schüler im Klassenzimmer von der Mundschutzpflicht befreit sind, scheint viele Lehrer eher zu beunruhigen. Manche wollen mit gutem Beispiel vorangehen und weiter eine Maske tragen. Foto: dpa/Robert Michael

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Luxemburg führt ab dem 4. Mai wieder den Unterricht ein. Die Lehrergewerkschaften zeigen guten Willen, solange die Gesundheit aller Beteiligten gewährleistet ist. Doch was denken eigentlich die Lehrer, die nach fast zwei Monaten Quarantäne wieder vor ihre Schüler treten müssen? Das Tageblatt hat sich mit mehreren Betroffenen unterhalten.

„The show must go on“, sagt Stephanie. Angesichts der bevorstehenden Wiederaufnahme des Schulbetriebs zeigt sich die Lehrerin recht pragmatisch. Wie viele andere Lehrer weiß die junge Frau, dass die Gesellschaft langsam wieder aus dem Lockdown geführt werden muss. Die Folgen für die Wirtschaft seien jetzt schon kaum auszumalen. „Deshalb ist es wichtig, dass die Unternehmen wieder auf die Beine kommen“, so Stephanie.

Vor allem aber habe man als Lehrer eine Pflicht dem Schüler gegenüber: „Unsere Arbeit ist noch unvollendet. Die wollen wir zu Ende führen“, fügt Christian hinzu. Dennoch mache sich bei Schülern und Lehrern derzeit ein Gefühl der Unsicherheit breit. Er selbst fühle sich hin- und hergerissen. Zwischen Pflichtgefühl und Zweifeln. „Viele Schüler fühlen sich nicht wohl, jetzt wieder zur Schule zu gehen. Und auch ich frage mich, ob es nicht etwas zu früh ist“, so der Sekundarschullehrer.

Dennoch sprechen viele Argumente für eine Wiederaufnahme des Schulbetriebs. „Persönlich wäre es mir lieber gewesen, man hätte noch bis September gewartet. Doch gibt es zweifelsohne auch Kinder, die in der Schule von der Umrahmung her besser aufgehoben sind. Für diese Kinder hat es mir in den letzten Wochen besonders leidgetan“, gibt etwa Carole aus dem „Préscolaire“ zu bedenken. Sie freue sich, ihre Schüler wiederzusehen.

In den Arm nehmen aber dürfe sie die Kleinen aus ersichtlichen Gründen nicht. Vielmehr müsse sie dieses unterbinden. „Doch wie sollen wir diese Distanz wahren? Die Kleinen haben oft das Bedürfnis, einen zu umarmen“, erklärt Carole. „Wie sollen wir ihnen klarmachen, dass sie nicht mit ihren Freunden spielen dürfen und zwei Meter Abstand einhalten sollen? Das klingt für mich wie in einem schlechten Film“, so die Kindergärtnerin. Ein Argument, das die Lehrer im Tageblatt-Gespräch immer wieder anführen.

Eine wichtige Stütze

Dass Schüler nach fast zwei Monaten endlich wieder ihre Freunde sehen können, bewertet Sandra indessen positiv. Aus Gesprächen mit ihren Schützlingen weiß die Sekundarschullehrerin, dass vielen die Decke auf den Kopf zu fallen droht. „Bei etlichen Schülern haben die sozialen Einschränkungen sogar hohen emotionalen Stress ausgelöst. Für Jugendliche, die Gewalt im Haushalt erleben oder denen die finanziellen Mittel für Laptop oder Breitbandverbindung fehlen, ist der Unterrichtsbeginn eine Erleichterung“, betont die Lehrerin.

Armut, Abhängigkeit oder Arbeitslosigkeit sind in vielen Familien ein Problem. Für diese Kinder und Jugendliche stellt die Schule mit all ihren Freunden und Lehrern im Alltag eine wichtige Stütze dar. In dem Fall sei der Unterrichtsbeginn natürlich zu begrüßen, unterstreicht Sandra. Ihr selbst falle der Unterricht auch einfacher, wenn ihr die Schüler persönlich gegenübersitzen. Wobei die körperliche Präsenz der Schüler die Schulen selbst vor ganz neue Herausforderungen stellt: „In vielen Gebäuden ist es kaum möglich, zwei Meter Abstand einzuhalten“, spricht die Lehrerin ein Problem an, das derzeit noch vielen Lehrbeauftragten schlaflose Nächte bereitet.

Fast ausnahmslos werden im Gespräch mit dem Tageblatt die logistischen Maßnahmen zur Sprache gebracht, die nun umgesetzt werden müssen. So müssen die Verantwortlichen dafür sorgen, dass sich Schüler und Lehrer außerhalb der Klassenzimmer nicht zu nahe kommen. Flure müssen abgeklebt, Richtungen ausgeschildert, Türen geschlossen, Areale abgegrenzt werden. Sanitäre Mittel für Händehygiene müssen zur Verfügung gestellt werden, auch weitere Masken für den Fall der Fälle.

Den meisten Schülern vertrauen die Lehrer, was das Einhalten der Mundschutz- und Hygieneregeln angeht. Nur was die Sicherheitsabstände betrifft, seien die Gebäude kaum darauf ausgelegt.
Den meisten Schülern vertrauen die Lehrer, was das Einhalten der Mundschutz- und Hygieneregeln angeht. Nur was die Sicherheitsabstände betrifft, seien die Gebäude kaum darauf ausgelegt. Foto: dpa/Robert Michael

In manchen Schulen sind Informationen des Tageblatt zufolge sogar regelrechte Einbahnen auf den Fluren vorgesehen, damit sich die Schüler nicht zu nahe kommen. Schüler werden nur noch durch verschiedene Türen eingelassen, die mit einer Hygienestation mit Desinfektionsgel ausgestattet werden. Auch werden die Schüler dazu aufgefordert, sich nach jedem Kurs wieder die Hände zu waschen.

Älteren Schülern dürften Hygieneregeln und Mundschutzpflicht keine Probleme bereiten. „Die Jugendlichen sind recht vernünftig“, sagt Christian. Zusammen mit anderen Lehrbeauftragten sorgt er sich vielmehr über den Umstand, dass das Tragen einer Schutzmaske im Klassensaal nicht vorgeschrieben, sondern nur empfohlen wird. „Dass man während des Unterrichts keine Maske tragen muss, trägt mehr zur Verunsicherung bei, als dass es beruhigt“, so der Sekundarschullehrer. Zwar kann er nachvollziehen, dass eine freie Artikulation in verschiedenen Fächern wichtig sei, doch wolle er auf jeden Fall mit gutem Beispiel vorangehen und eine Maske im Unterricht tragen.

Doch fehle ihm die Handhabe, seinen Schülern das Tragen einer Maske vorzuschreiben. „Ich kann an die Vernunft appellieren, schlimmstenfalls auch disziplinarisch durchgreifen. Schließlich müssen wir auch im Interesse der Allgemeinheit handeln. Doch werden wir damit in eine Lage gebracht, in der unser Handeln weit über unsere alltägliche Rolle hinausgeht. Das ist nicht nur unangebracht, sondern extrem belastend“, betont der Pädagoge.

Organisatorische Probleme

Im Allgemeinen zeugen die aufgeworfenen Fragen von einer tiefen Beunruhigung und einem gewissen Misstrauen gegenüber der Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen. Manche Gesprächspartner fordern Kontrollen, etwa in den Bussen oder auf dem Pausenhof. Andere haben Zweifel am richtigen Umgang mit den Einwegmasken: „Fliegen sie etwa abends in den Ranzen und werden morgens wieder herausgefischt?“, fragt eine Lehrerin stellvertretend für viele Kollegen. Wenn auch nur ein an Covid-19 erkrankter Schüler die Sicherheitsmaßnahmen nicht einhalte, seien Hunderte andere Menschen in Gefahr, so der Tenor.

Dass gefährdete Schüler und Lehrer nicht zum Unterricht erscheinen müssen, wird allgemein begrüßt. Doch müssten diese Lehrer auch ersetzt werden, was wiederum organisatorische Fragen aufwirft. Während in den höheren Stufen viele Schüler durchaus alleine zu Hause klarkommen, stellen sich in den unteren Zyklen doch Fragen, was die schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebs angeht.

„Wohin mit den Kindern?“, so Samantha, die damit eine Frage aufwirft, die sich zahlreiche Eltern unter den Lehrern stellen. „Viele von uns haben kleine Kinder unter zwölf Jahren“, so die Grundschullehrerin. Sekundarschullehrer mit kleinen Kindern, die am 4. oder 11. Mai wieder in den Einsatz sollen, müssten etwa bis zur Wiederaufnahme der Grundschule am 25. Mai Sonderurlaub beantragen. Außerdem blieben noch viele Fragen ungeklärt, was die Organisation in den „Maisons relais“ angeht. „Wenn alle Altersgruppen getrennt werden müssen, brauchen die Tagesstätten doch 18 Personen in 18 verschiedenen Räumen! Wie soll das gehen?“, so die Pädagogin.

„Warum diese Eile?“

Wenn die „Rentrée“ auf dem Paper noch möglich erscheint, so komme das Ganze in der Wirklichkeit doch einer Sisyphusarbeit gleich. „Vom sanitären Standpunkt her wird die Umsetzung schwierig bis unmöglich. Meine vierjährige Tochter will nicht mal ihre Mütze anbehalten. Wie soll das dann mit einer Maske funktionieren?“, sagt eine weitere Lehrerin.

Sowohl als Lehrerin als auch als Mutter habe sie ein mulmiges Gefühl: „Die Schulen wurden quasi als Erstes geschlossen mit dem Argument, dass es sich bei Kindern um gefährliche Krankheitsträger handelt. Und nun werden wir als Eltern gezwungen, unsere Kinder wieder in die Schule zu schicken. Dabei hat eines meiner Kinder ein schwerwiegendes medizinisches Problem. Was wenn meine andere Tochter nun das Virus auffängt?“

Ein „mulmiges Gefühl“ haben viele Lehrer. Fast alle äußern sie Zweifel am Zeitpunkt der „Rentrée“. „Wir haben etwa 1.500 Schüler und 300 Lehrer. Auch wenn der Unterricht schrittweise eingeführt wird und immer nur die Hälfte einer Klasse anwesend ist, sind ab einem gewissen Zeitpunkt immer noch mehrere hundert Personen im Gebäude unterwegs“, rechnet Stephanie vor. „Das empfinde ich als problematisch“, so die Sekundarschullehrerin.

Was sie, und andere Lehrer, zur Frage treibt: „Warum diese Eile?“ Tatsächlich hat sich das Homeschooling in den letzten Wochen bewährt. Auch wenn sie zunächst von Kinderkrankheiten und Anlaufschwierigkeiten berichten, zeigen sich doch sämtliche Gesprächspartner recht angetan von den Bildungsmöglichkeiten der neuen Technologien.

Primaner als Versuchskaninchen

„Auch das muss gesagt werden“, betont Christian. „Homeschooling hat gut geklappt! Warum warten wir nicht noch ein bisschen, anstatt nun ein solches Risiko einzugehen?“ Ähnlich sieht es auch Stephanie: Auch wenn sie keine IT-Spezialistin sei, so müsse sie doch zugeben, dass sich Schüler und Lehrer recht schnell an die Situation gewöhnt haben. „Dennoch freue ich mich auf eine Rückkehr ins Klassenzimmer. Nur zu welchem Preis?“, so die junge Frau.

Vor allem bei den Abschlussklassen ergibt die „Rentrée“ vielen Lehrern zufolge kaum einen Sinn: So sei das Programm am 13. März offiziell abgeschlossen worden. Auch dürfe man die zusätzliche Belastung nicht vernachlässigen, der die Primaner in der Krise ausgesetzt seien. Neben dem Prüfungsstress machen sich viele Schüler auch Sorgen um die Zukunft und die Gesundheit von Freunden und Familie.

„Vielen von ihnen fällt es schwer, sich auf die Abschlussexamen zu konzentrieren“, habe Christian feststellen müssen. Andere sähen sich als eine Art Versuchskaninchen im „Experiment Exit-Strategie“. „Und das ist kein schönes Gefühl“, so der Lehrer. Die Gesundheit der Menschen gehe immer noch vor. „Wichtig ist, dass die Schüler nun beruhigt werden. Es geht hier nämlich nicht allein um Lehrer und Schüler, sondern um das Wohl einer ganzen Gesellschaft.“

J.C.Kemp
22. April 2020 - 20.27

Virun der Krise hu vill vun den Elteren, déi lo net hier Kanner wëllen an d'Schoul schécken, se mat Féiwer an d'Schoul geschéckt. Oft hat ech der do sëtzen, krank wéi en Hond, en Häufchen Elend, déi Kéiere baal net aus den Aa erausgesin hun. Argument meescht: Ech muss schaffe goën, ech kann hien/hat net doheem haalen. Elo op emol de Contraire. Wonnerbare Sinneswandel emmerhin.

Miette
21. April 2020 - 22.09

Ech sin Mama an Boma, wann ech elo nach Kanner an der Schoul hätt, dei geifen doheem matt mir leieren. Hun nach keen Enkel an der Schoul, awer meng Kanner geifen hier Kleng wuel och net als Virusweiderdreier weinst "Herde" messbrauchen. Muss een sech einfach emol viirstellen, wei et ouni "Bleiw doheem" hei am Land geif ausgesinn. Bleiwt gesond an ärem Doheem❣❣❣

Realist
21. April 2020 - 13.41

Wat soll dat do? Wéi solle Kanner Oplagen erfëllen (Maskendisziplin, Distanz haalen, Hänn desinfizéieren, net mat de Fanger an d'Gesiicht, etc.) un deene schonn di meescht Erwuesse scheiteren? Et dauert dach keng hallef Minutt, dann krut den éischte schonn d'Mask erofgerappt an op den zweete gouf express gehouscht. Haalt dach op.