EBDDKiffen während Corona: Neue Online-Umfrage untersucht Drogenkonsum während der Krise

EBDD / Kiffen während Corona: Neue Online-Umfrage untersucht Drogenkonsum während der Krise
Zwar litten vor allem die Lieferketten zum Endkunden unter der Pandemie, doch der Drogenschmuggel an sich ging auch während der sanitären Krise munter weiter Foto: dpa/Bodo Marks

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Mit dem Ausbruch der Pandemie befürchteten Experten auch einen explosionsartigen Anstieg des Drogenkonsums. Tatsächlich hat die sanitäre Krise auch im Drogenmilieu ihre Spuren hinterlassen, vor allem was Handel und Lieferketten angeht. Mit einer breit angelegten „Europäischen Online-Befragung zum Thema Drogen“ sollen nun auch die Folgen von Covid-19 auf den Drogenkonsum an sich erörtert werden.

Auf einen Schlag war alles anders: Als im Frühling 2020 das neuartige Coronavirus über Europa hereinbrach, wurde das gesellschaftliche Leben quasi über Nacht auf den Kopf gestellt. Die Grenzen waren plötzlich dicht, Flugzeuge blieben am Boden, Gastronomiebetriebe blieben geschlossen und die Straßen waren wie leer gefegt. Nicht die besten Bedingungen für den Drogenhandel auf offener Straße. Doch welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Nachfrage?

Eine Frage, die sich auch ein Jahr später immer noch schwer beantworten lässt. Klar ist: Schmuggel und Verkauf wurden von den unterschiedlichen Beschränkungen stark beeinflusst. So konnten beispielsweise lange Zeit keine Drogenkuriere eingesetzt werden, da das Reisen vorübergehend ausgesetzt wurde. Der internationale Warenverkehr indessen wurde weiter aufrechterhalten, was sich wohl auch die Drogengroßhändler zu Nutzen gemacht haben.

So legen Beschlagnahmungen den Schluss nahe, dass vor allem der Seeweg ungebremst weiter genutzt wurde, um harte Drogen wie Kokain und Heroin in die EU einzuführen. Das geht zumindest aus einem Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) von August 2020 hervor. Beispielsweise seien Kokainfunde im Hafen der niederländischen Stadt Rotterdam auf ähnlich hohem Niveau gewesen wie im Jahr zuvor. In manchen EU-Ländern hätten Beschlagnahmungen sogar zugenommen.

„Handel und Konsum gingen weiter“

Die größten Auswirkungen hatte die Krise wohl auf die Lieferketten zu den Endkunden, die laut EBDD teilweise ganz unterbrochen wurden. Als Hauptgründe werden in diesem Zusammenhang der Lockdown und das „Social Distancing“ genannt. Wegen der Ausgangsbeschränkungen fiel es vielen Kleindealern schwer, ihren Stoff an den Mann respektive die Frau zu bringen.

„Was den Drogenhandel betrifft, hatte die Pandemie ganz sicher ihre Folgen“, verrät zum Beispiel auch eine Sprecherin der Polizei Anfang des Jahres im Gespräch mit dem Tageblatt. In Luxemburg hätten vor allem die geschlossenen Grenzen Auswirkungen auf die Lieferketten gehabt. Auch sei der Handel während des Lockdowns nicht so öffentlich und offensichtlich abgewickelt worden, wie es in normalen Zeiten der Fall sei, so die Sprecherin weiter.

Einen Riegel habe die Pandemie dem Handel mit Drogen aber nicht vorgeschoben: „Handel und Konsum gingen weiter“, wie die Polizei habe feststellen müssen. Der Handel habe sich verlagert, die Methoden von Händlern und Kunden seien angepasst worden. Ebenso die Arbeit der Polizei.

Als Beispiel für neue Formen des Drogendeals nennt das EBDD beispielsweise die Nutzung sogenannter „Dead Drops“ (tote Briefkästen). Dabei handelt es sich um Verstecke, an denen die Drogen vom Dealer deponiert und von den Kunden abgeholt werden. Der Kauf wurde zuvor über verschlüsselte Nachrichtendienste abgewickelt und in manchen Fällen sogar mit Kryptowährungen bezahlt.

Experten befürchten noch nie dagewesenen Anstieg

Was den Konsum illegaler Drogen angeht, so stellten sich die Experten kurz nach Ausbruch der Pandemie in Europa auf einen noch nie dagewesenen Anstieg ein. So seien etwa gravierende Einschnitte ins gesellschaftliche Leben und steigende Arbeitslosigkeit immer verbunden mit einem verstärkten Griff zu Drogen, wie das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in seinem aktuellen Jahresbericht festhält. Vorgestellt wurde dieser Bericht bereits im Juni 2020. Zu diesem Zeitpunkt drohten die Krise und der wirtschaftliche Abschwung die Drogengefahren weiter zu verschärfen.

Ganz so einfach scheint sich die Situation im Endeffekt aber nicht zu gestalten. So geht das EBDD inzwischen davon aus, dass vor allem zu Beginn der Pandemie ein erheblicher Teil der Konsumenten vor allem während der Wochen strenger Ausgangsbeschränkungen von illegalen Rauschmitteln auf Alkohol umgestiegen sei. Hochgradig Abhängige hätten ihren Konsum während dieser Zeit wohl noch verstärkt, wohingegen Gelegenheitsnutzer die Möglichkeit genutzt haben dürften, um ihre Laster ganz aufzugeben, wie eine Expertin aus dem Gesundheitsministerium gegenüber dem Tageblatt andeutet.

Zuverlässige Zahlen und Erkenntnisse erhoffen sich die nationalen und europäischen Behörden von der breit angelegten „Europäischen Online-Befragung zum Thema Drogen“, die in 31 Ländern abgehalten und in 28 Sprachen durchgeführt wird. Neben sämtlichen EU-Staaten beteiligen sich auch Länder wie die Schweiz, Albanien, Kosovo, Serbien und Montenegro sowie drei Staaten der sogenannten „European Neighbourhood Policy“: Georgien, Libanon und die Ukraine.

In Luxemburg wurde die Online-Befragung am 7. April offiziell freigeschaltet. Ziel ist es, Informationen zu den verschiedenen Konsummustern in Europa zu erhalten, insbesondere wie oft Personen unterschiedliche Drogen konsumieren, wie sie sie einnehmen und wie viel sie davon konsumieren. Damit erhoffen sich die Behörden, ein detaillierteres Bild des Drogenkonsums in Europa und Luxemburg malen zu können, um die zukünftige Drogenpolitik dahingehend zu gestalten.

Experten gehen davon aus, dass Abhängige ihren Konsum während der Krise noch vertieft haben. Gelegenheitsnutzer dürften aber die Möglichkeit beim Schopf ergriffen haben, sich ihres Lasters zu befreien.
Experten gehen davon aus, dass Abhängige ihren Konsum während der Krise noch vertieft haben. Gelegenheitsnutzer dürften aber die Möglichkeit beim Schopf ergriffen haben, sich ihres Lasters zu befreien. Foto: dpa/Boris Roessler

Ein Plus für die Repräsentativität

Wegen der Ereignisse der vergangenen zwölf Monate soll der Fokus der Umfrage auch auf das Konsumverhalten während der Covid-19-Krise gelegt werden. Wirklich repräsentative Daten gibt es diesbezüglich noch nicht, auch wenn vor kurzem die Resultate der Studie „Mini-European Web Survey on Drugs“ des Gesundheitsministeriums und der Luxemburger EBDD-Vertretung vorgestellt wurden. Die EBDD zeichnet denn auch für die große Studie verantwortlich, die noch über die nächsten fünf Wochen läuft.

An der anonymen Mini-Studie hatten knapp 420 Erwachsene teilgenommen. Durchgeführt wurde sie während der ersten zwei Monate der Pandemie in Luxemburg. Die Resultate ermöglichen also einen durchaus interessanten Einblick ins Konsumverhalten während des ersten Lockdowns, doch richtig repräsentativ ist die Studie nicht. Auch handelte es sich bei den Teilnehmern fast ausschließlich um junge Freizeitkonsumenten. Hochgradig Abhängige wurden davon kaum erfasst.

Das aber soll sich in der „Europäischen Online-Befragung zum Thema Drogen“ nun ändern. Die Studie ist problemlos im Netz zugänglich und absolut anonym gestaltet. Sie richtet sich in erster Linie an Menschen ab 18 Jahren, die innerhalb der letzten zwölf Monate illegale Drogen konsumiert haben. Der Zugang im Netz ist einfach und niederschwellig, die Vorteile mannigfaltig. Drogenabhängige dürften sich vor allem an der Anonymität der Netzumfrage freuen, während die Behörden mit minimalen Kosten eine hohe Repräsentativität anpeilen können.

Von den Ergebnissen erhoffen sich die Behörden, dass sie zur Wissensgrundlage über Drogenkonsumpraktiken in Europa und die Mengen der konsumierten Drogen beitragen werden. Web-Erhebungen seien zwar nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung, könnten aber, wenn sie sorgfältig durchgeführt und mit herkömmlichen Datenerhebungsmethoden kombiniert werden, dazu beitragen, ein detaillierteres, realistischeres und zeitnahes Bild des Drogenkonsums und der Drogenmärkte in Europa darzustellen.

Die Umfrage ist in Module zu den folgenden Themen aufgeteilt: soziodemografische Daten, Drogenkonsummuster, Zugang zur Behandlung, Zugang zu Drogen, erworbene Mengen und gezahlte Preise sowie die Auswirkungen von Covid-19 auf die Drogenkonsummuster. Die Fragen drehen sich allesamt um den Konsum unterschiedlicher Drogen. Neu ist allerdings, dass neben dem Zeitpunkt, der Dauer und Menge konsumierter Drogen auch die Beweggründe im Mittelpunkt stehen, die zum Konsum der Droge geführt haben sollen.

„Online-Befragungen haben den Vorteil, dass sie Menschen direkt erreichen, die Drogen konsumieren. Sie sind rasch und kostengünstig zu erstellen, liefern schnell neue Daten und können dazu beitragen, neue Trends zu erkennen“, heißt es in der Mitteilung der EBDD. Die Resultate der Umfrage werden frühestens Ende 2021 erwartet. Von den Analysen versprechen sich Experten aber auch größere Auswirkungen auf die Drogenpolitik verschiedener EU-Staaten.

In Luxemburg ist die Umfrage auf Deutsch, Französisch, Portugiesisch und Englisch zugänglich. Die Beantwortung der Fragen dürfte maximal zehn Minuten in Anspruch nehmen. Die Teilnahme ist anonym und freiwillig. Es werden keine Angaben gesammelt, die einen Bezug zu bestimmten Personen erlauben. Zugang erhalten Betroffene unter anderem über sante.lu.