Sexueller MissbrauchKein Widerstand heißt nicht „Ja“: Chamber stimmt Gesetz zum besseren Schutz Minderjähriger

Sexueller Missbrauch / Kein Widerstand heißt nicht „Ja“: Chamber stimmt Gesetz zum besseren Schutz Minderjähriger
Opfer von sexuellem Missbrauch leiden ihr Leben lang Foto: Pixabay

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Das Parlament hat am Mittwochnachmittag einstimmig ein Gesetz zum besseren Schutz vor sexuellem Missbrauch, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, angenommen. Im neuen Text wird nicht mehr unterschieden, ob der Missbrauch bei direktem Kontakt zwischen Täter und Opfer oder online stattfand.

Das Gesetz präzisiert den Begriff der Einwilligung zum sexuellen Akt. Kein Widerstand bedeute keinesfalls automatisch Einwilligung, eine zuvor geäußerte Einwilligung könne während des Sexualaktes zurückgezogen werden. Personen unter 16 Jahren wird die Fähigkeit zur Einwilligung zum sexuellen Akt abgesprochen. Eine sogenannte Romeo-und-Julia-Klausel erlaubt jedoch Liebesbeziehungen zwischen fast Gleichaltrigen, wobei der Altersunterschied vier Jahre nicht überschreiten darf und die Altersuntergrenze von 13 Jahren nicht unterschritten wird.

Der Text ersetzt den Begriff Sittlichkeitsdelikt („atteinte à la pudeur“) durch Angriff auf die sexuelle Integrität. Erweitert wird der Begriff Vergewaltigung, der nicht mehr bloß auf den Akt der Penetration des Opfers durch den Täter beschränkt ist, sondern auf sämtliche Akte ausgedehnt wird, die das Opfer am Täter, auf sich selbst oder auf Drittpersonen ausüben muss.

Erweitert wird der Kreis der Personen, die wegen inzestuöser Handlungen angeklagt werden können. Neben Familienangehörigen bis in den dritten Verwandtschaftsgrad sind auch Erziehungsberechtigte und andere Vertrauenspersonen davon betroffen. Abgeschafft wird die Verjährungsfrist für eine Reihe von Straftaten gegenüber Minderjährigen, um schweren Missbrauch wie Vergewaltigung oder Inzest auch zu einem späteren Zeitpunkt ahnden zu können.

Es gehe um Gerechtigkeit, um den Schutz der Schwächsten, von Menschen, die von anderen missbraucht werden, betonte Berichterstatter Charles Margue („déi gréng“). Der Missbrauch von Kindern sei häufig und perfid. Aus seinen Gesprächen mit Fachleuten ging u.a. hervor, wie schwer Opfer es haben, Hilfe und Unterstützung zu finden; wie schwer ist es, das Trauma zu überwinden. Betroffene würden von ihren Familienangehörigen ausgeschlossen, weil sie geredet haben, weil sie es gewagt haben, zu sagen, dass sich der Freund der Familie sonntags bei vollem Wissen der Eltern an das Kind verging. Der Täter ist oftmals in der Familie oder im engsten Freundeskreis zu finden und oftmals ließen Eltern des Hausfriedens willen oder wegen finanzieller Abhängigkeiten den Missbrauch zu. Die Opfer ihrerseits zögerten, zu reden, aus Angst vor der Reaktion des Umfelds, aus Angst, die Familie zu zerstören.

Margue zitierte eine Unicef-Umfrage von 2014, der zufolge 13 Prozent der jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren Opfer sexueller Gewalt vor ihrem 15. Lebensjahr wurden. Das Gesetz gebe ein klares Zeichen, dass die Gesellschaft auf der Seite der Kinder steht, sagte er.

Augen und Ohren offenhalten

Das Gesetz übernahm etliche Vorstellungen aus dem Gesetzesvorschlag von Nancy Arendt (CSV). Sie zog ihren Vorschlag zurück, weil der Regierungsentwurf „besser und detaillierter“ sei, so die Abgeordnete. Dieser Tag sei einer der wichtigsten in ihrem Leben als Abgeordnete. Sexueller Missbrauch geschehe nicht nur in der katholischen Kirche und in Sportvereinen, sondern überall. Die Erwachsenen müssten Augen und Ohren dafür offenhalten.

Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) verteidigte die Ausdehnung bzw. Abschaffung der Verjährungsfristen bei sexuellen Delikten gegenüber Minderjährigen. Kinder und Jugendliche sollten ausreichend Zeit haben, sich bewusst zu werden, was mit ihnen geschah, dass nicht sie die Schuldigen sind. Es sei jedoch auch eine wichtige Botschaft: Wer sich sexuell an einem Kind vergreift, muss ein Leben lang fürchten, für seine Tat belangt zu werden. Tanson pochte auf das Prinzip Einwilligung zu einem sexuellen Akt – eine Einwilligung, die zu jedem Zeitpunkt zurückgezogen werden kann. Dazu will ihr Ministerium im Herbst eine Infokampagne starten.

Das Gesetz wurde mit 55 Ja-Stimmen angenommen. Drei Abgeordnete enthielten sich.