Unsere Nachbarländer zählen ihre TotenIn Deutschland verlieren mehr als 100 Menschen ihr Leben, in Belgien mindestens 23 

Unsere Nachbarländer zählen ihre Toten / In Deutschland verlieren mehr als 100 Menschen ihr Leben, in Belgien mindestens 23 
Bilder der Katastrophe: Die Kiesgrube in Erftstadt bei Köln, mehrere Menschen starben Foto: AFP/Bezirksregierung Köln

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bei der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands steigt die Opferzahl weiter. Bis Freitagmittag wurden 103 Tote als Folge der Überschwemmungen gezählt. In der Wallonie in Belgien kamen mindestens 23 Menschen ums Leben.

Es stehe zu befürchten, dass sich die Opferzahlen weiter erhöhen, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitag nach einer Sondersitzung des Landeskabinetts. In beiden Bundesländern wurden noch zahlreiche Menschen vermisst. Die Lage blieb vielerorts angespannt. In Erftstadt-Blessem südwestlich von Köln führten Erdrutsche zu einer dramatischen Lage.

Das Verteidigungsministerium löste wegen der Notlage einen militärischen Katastrophenalarm aus. Damit könnten Entscheidungen von den Verantwortlichen an Ort und Stelle schneller getroffen werden, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Es seien bereits mehr als 850 Soldaten im Einsatz.

Von den Fluten aufgetürmte Autos in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Von den Fluten aufgetürmte Autos in Bad Neuenahr-Ahrweiler Foto: AFP/Christof Stache

Auch in Belgien, wo mindestens 23 Menschen ums Leben kamen, werden immer noch Menschen vermisst und 21.000 Einwohner waren am Freitag ohne Strom. Die Armee wurde in vier der zehn Provinzen des Landes eingesetzt, um bei den Hilfsmaßnahmen zu helfen, einschließlich zahlreicher Evakuierungen.

Dutzende von Straßenabschnitten blieben für den Verkehr gesperrt, und der Großteil des Bahnverkehrs in der Wallonie war unterbrochen. In Liège hatten die örtlichen Behörden am Donnerstagnachmittag Tausende von Bewohnern der an die Maas angrenzenden Gebiete aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen.

Liège unter Wasser

Der Wasserstand im Stadtzentrum sei in der Nacht nicht weiter gestiegen und beginne im am stärksten betroffenen Gebiet „sehr langsam“ zu sinken, teilte die Polizei in Liège am Freitag mit und wies darauf hin, dass viele der umliegenden Straßen weiterhin gesperrt seien. Die Maas bei Liège ist das Auffangbecken für die meisten Flüsse im Süden und Osten Belgiens.

Arbeiter der SNCB begutachten die Schäden: In der Wallonie waren viele Zugverbindungen unterbrochen
Arbeiter der SNCB begutachten die Schäden: In der Wallonie waren viele Zugverbindungen unterbrochen Foto: AFP/John Thys

In den deutschen Katastrophengebieten gingen die Bergungs- und Aufräumarbeiten derweil weiter. Zugleich deutete sich bei sinkenden Pegelständen in einigen Orten etwas Entspannung an. Über Hilfen für die betroffenen Menschen und Unternehmen berieten unter anderem die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. 

Gigantische Erdrutsche

In Erftstadt-Blessem südwestlich von Köln kam es am Freitag zu Erdrutschen von gewaltigem Ausmaß, es bildeten sich riesige Erdlöcher. Häuser wurden unterspült und stürzten ein. „Es gibt Todesopfer“, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung Köln. Die Lage war am Mittag noch unübersichtlich.

Der zuständige Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Frank Rock, sagte im Fernsehsender ntv, er habe noch keine konkrete Zahl über Todesopfer oder Vermisste. 50 Menschen seien mit Booten gerettet worden. Die Flut sei sehr schnell gekommen. Senken hätten binnen zehn Minuten unter Wasser gestanden. Es habe kaum Zeit gegeben, die Menschen zu warnen. „Es ist eine katastrophale Lage, wie wir sie hier noch nie hatten“, sagte Rock.

Wasser läuft aus der Rurtalsperre: Die Hochwasserlage in Teilen von Nordrhein-Westfalen ist weiterhin sehr angespannt
Wasser läuft aus der Rurtalsperre: Die Hochwasserlage in Teilen von Nordrhein-Westfalen ist weiterhin sehr angespannt Foto: dpa/Oliver Berg

Nach Polizeiangaben würden in Rheinland-Pfalz knapp unter 100 Menschen vermisst, sagte Innenminister Roger Lewentz am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. Stundenlanger Starkregen hatte zu den verheerenden Überschwemmungen in mehreren Regionen geführt. 

In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerung und Katastrophenschutz (BBK) in Bonn 23 Städte und Landkreise von Überschwemmungen betroffen. Das dortige Innenministerium sprach am Freitag von 43 Toten. Die Feuerwehr rettete am Donnerstagabend im Kreis Heinsberg drei schwer verletzte Menschen aus dem Fluss Wurm, die zu ertrinken drohten.

In Rheinland-Pfalz ist der Kreis Ahrweiler Schwerpunkt der Katastrophe. Allein im Dorf Schuld an der Ahr mit 700 Einwohnern wurden mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen, zahlreiche weitere Gebäude teils schwer beschädigt. Erhebliche Schäden gab es auch in weiteren Regionen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.

Ein Zug in Kordel, wo die Kyll über ihr Flussbett getreten ist
Ein Zug in Kordel, wo die Kyll über ihr Flussbett getreten ist Foto: AFP/Sebastian Schmitt

An den Flüssen und Seen in Baden-Württemberg erwarteten die Experten für Freitag steigende Wasserstände. In einigen Regionen wurden erneut Straßen gesperrt, im Allgäu stand ein Wohngebiet unter Wasser. Der Deutsche Wetterdienst warnte vor Starkregen und Gewittern etwa in Oberschwaben. Vor allem in kleineren Gewässern könne der Wasserstand schnell ansteigen.

Das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz meldete in seinem Frühwarnsystem bis Samstagmorgen zwar für fast das ganze Bundesland eine geringe Hochwassergefährdung. In der Region rund um Altenahr sowie in Teilen der Eifel seien aber noch immer vereinzelte Überflutungen möglich, hieß es.

In Nordrhein-Westfalen wird mit fallenden Wasserständen gerechnet, dies werde aber teils nur langsam geschehen. Die Pegelstände bewegten sich oft noch oberhalb der Warnschwellen, etwa an Erft, Ruhr, Rur, Sieg und Weser, teilte das Landesumweltamt mit.

Auch die Schweiz kämpft

Der Zugverkehr in NRW und Rheinland-Pfalz war am Freitag noch immer stark beeinträchtigt. Zahlreiche Strecken seien komplett gesperrt oder nur eingeschränkt befahrbar, teilte die Deutsche Bahn mit. „Die Wassermassen haben Gleise, Weichen, Signaltechnik, Bahnhöfe und Stellwerke in vielen Landesteilen von NRW und Rheinland-Pfalz stark beschädigt.“ Allein in Nordrhein-Westfalen seien Gleise auf einer Länge von rund 600 Kilometern betroffen. Im Fernverkehr ist unter anderem der Abschnitt Köln-Wuppertal-Hagen-Dortmund derzeit den Angaben zufolge nicht befahrbar.

Mit Hochwasser zu kämpfen hat auch die Schweiz. Dort stiegen Flusspegel nach starken Regenfällen stark an. Im Kanton Schaffhausen überschwemmten laut der Nachrichtenagentur Keystone-sda angeschwollene Bäche die Dörfer Schleitheim und Beggingen. Wassermassen flossen durch Straßen, in Keller, rissen Fahrzeuge mit und zerstörten kleinere Brücken. (dpa)