Covid-19Betroffene wundern sich über Reihenfolge beim Impfen: „Das ist regionale Diskriminierung“

Covid-19 / Betroffene wundern sich über Reihenfolge beim Impfen: „Das ist regionale Diskriminierung“
Generell scheint die Impfbereitschaft in Luxemburg recht hoch zu sein. Viele Senioren warten auf ihre Einladung. In manchen Fällen aber scheint das Auswahlverfahren nicht immer klar zu sein. Foto: AFP/Jean-Christophe Verhaegen

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Die Impfkampagne nimmt so langsam Fahrt auf. Doch wundern sich immer noch viele Bürger, nach welchem Prinzip die Einladungen innerhalb einer Phase verschickt werden. So scheint das Alter nicht immer ausschlaggebend zu sein, wie unter anderem ein Fall aus Ettelbrück zeigt. Das Gesundheitsministerium erklärt die Vorfälle mit Computeralgorithmen und regionalen Unterschieden.

Der Vorrat an Impfdosen steigt, die Phasen sind klar strukturiert und das Gesundheitsministerium plant, die Impfzentren auch am Wochenende zu öffnen. In anderen Worten: Die Impfkampagne nimmt so langsam Fahrt auf. Gleichzeitig häufen sich aber auch die Vorfälle, die in diesem Zusammenhang für Schlagzeilen sorgen. Neben den Kontroversen um mutmaßliche Impfdrängler beschäftigt die Bevölkerung eine ganz bestimmte Frage: Nach welchem Prinzip werden die Einladungen innerhalb einer bestimmten Kategorie verschickt?

Eigentlich wäre das Thema wie geschaffen für lebhafte Diskussionen bei Kaffee und Kuchen. Weil Stammtisch und Tee-Zeit aber ausfallen, weichen Senioren und ihre Angehörige auf andere Kanäle aus: „Die Cousine meines Vaters wurde letzte Woche zur Impfung geladen. Sie ist 78 Jahre alt. Er selbst aber hat noch keine Einladung erhalten. Dabei ist er drei Jahre älter“, regt sich etwa eine Nutzerin in den sozialen Netzwerken auf.

Seit einem Jahr stellen sanitäre Krise und die damit einhergehenden Maßnahmen viele Bürger auf eine Geduldsprobe. Vor allem Senioren haben schwer an den Folgen der Pandemie zu tragen, sind die meisten älteren Mitbürger doch aus Sicherheitsgründen fast komplett vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Kein Wunder, dass viele Betroffene der Impfung entgegenfiebern und das Thema entsprechend viel Sprengstoff birgt.

Um sämtlichen Kontroversen aus dem Weg zu gehen und den ganzen Prozess so gerecht wie nur möglich zu gestalten, wurde die Luxemburger Impfkampagne auf Anraten des Ethikrates in mehrere Phasen geteilt. So wurden in einem ersten Moment prioritär Mitglieder aus der Gesundheits- und Pflegebranche geimpft sowie sämtliche Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen. Diese Phase wurde Anfang März abgeschlossen.

In einer zweiten Phase werden aktuell Einwohner ab dem 75. Lebensjahr zur Impfung geladen (Phase 2a) sowie Personen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes stark gefährdet sind (Phase 2b). Als Hochrisikopatienten gelten Erwachsene mit angeborenen Immundefekten, Erwachsene mit Down-Syndrom oder Menschen, die sich einer Organtransplantation unterziehen mussten, einschließlich Patienten auf einer Warteliste. Vor allem aber sind Hochrisikopatienten betroffen, die sich derzeit gerade in Krebstherapie befinden – bis zu 3.300 Personen in ganz Luxemburg.

„Wurde unsere Mutter vergessen?“

Für Verwirrung unter Betroffenen und ihren Angehörigen sorgt zurzeit aber vor allem das Auswahlprinzip bei Senioren über 75 Jahren in Phase 2a. Frau W. aus Ettelbrück erfüllt gleich mehrere Kriterien: Sie ist 93 Jahre alt und wurde von ihrem Arzt als „hoch gefährdet“ eingestuft. Die Seniorin wohnt zwar zu Hause, wird tagsüber aber in einem „Foyer du jour“ betreut. „Seit Wochen wartet meine Mutter auf eine Einladung, bis heute – Stand 10. März – hat sie noch keine erhalten. Allein in unserem Bekanntenkreis aber wurden schon jüngere Menschen zur Impfung gebeten“, betont ihr Sohn gegenüber dem Tageblatt.

Frau W. ist keine Ausnahme. Zahlreiche Senioren wundern sich derzeit, wieso sie selbst noch keine Einladung erhalten haben, gleichaltrige oder jüngere Bekannte aber bereits zur Impfung gehen durften. „Wie kann es sein, dass Menschen, die jünger und fitter als meine Mutter sind, ihre erste Impfung bereits hinter sich haben“, so W. stellvertretend für Menschen in einer ähnlichen Situation. „Wird dem Alphabet nach geimpft? Wurde unsere Mutter vergessen? Oder ist sonst etwas schiefgelaufen?“

Für ein Maximum an Objektivität

Fragen, die Paulette Lenert (LSAP) wohl alle verneinen dürfte. Tatsächlich war das Auswahlprinzip auch Thema beim letzten Pressebriefing der Gesundheitsministerin. Dabei ging Lenert kurz auf das Computerprogramm ein, das bei der Auswahl der Kandidaten zur Anwendung kommt. Dies, „um ein Maximum an Objektivität zu erzielen“, so die Gesundheitsministerin.

In diesem Programm werden die Parameter festgelegt, wonach die Menschen zur Impfung eingeladen werden. Dabei kommt ein bestimmter Algorithmus zur Anwendung, der dann eine Auswahl trifft und den Betroffenen eine Einladung zukommen lässt. „Damit schalten wir jeden Verdacht der Priorisierung aus“, erklärte Lenert. Zu den wichtigsten Parametern gehören Alter und Wohnort der Person, da die Impfkampagne auch nach Regionen aufgeteilt wurde. Das Alphabet spielt laut der Ministerin aber keine Rolle.

Somit werden die Menschen zwar immer noch dem Alter nach geladen, wegen des im Algorithmus verankerten Prinzips aber fährt das Programm nicht streng nach Geburtsdatum. Vielmehr gilt eine gewisse Altersspanne, nach der die Einladungen in einer bestimmten Woche herausgehen. „In einem ersten Moment etwa werden Menschen zwischen 80 und 82 Jahren eingeladen, später dann zwischen 77 und 79 Jahren“, erklärt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. So kann es vorkommen, dass in manchen Fällen jüngere Kandidaten zuerst ihre Einladung zur Impfung erhalten.

Außerdem wird bei der Auswahl auch der Wohnort der Betroffenen berücksichtigt. Die Einladungen sind demnach nicht nur dem Alter nach gestaffelt, sondern der Region nach. „Da im Norden weniger Menschen wohnen als beispielsweise im Süden, kann es durchaus sein, dass eine 86-jährige Person im Norden schon geimpft wurde, während eine 89-jährige Person im Süden noch auf ihre Einladung wartet“, so die Sprecherin weiter.

„Jeder macht Fehler“

Eine Antwort, die Herr W. nicht nachvollziehen kann: Von regionalen Kriterien sei doch nie die Rede gegangen, vielmehr handele es sich hierbei um „regionale Diskriminierung“. Außerdem halte das Argument des Gesundheitsministeriums der Wirklichkeit nicht stand: „Die 89-jährige Schwester meiner Mutter wohnt auch in Ettelbrück. Auch sie fällt in Phase 2, auch sie wohnt zu Hause. Sie aber wurde bereits geimpft. Meine 93-jährige Mutter aus der gleichen Stadt aber nicht“, so W. Er sei sich inzwischen sicher, dass im Fall seiner Mutter ein Fehler passiert sei.

Dass bei Kampagnen dieser Ausmaße auch mal etwas schieflaufen kann, kann der Betroffene nachvollziehen. Und akzeptieren. Doch W. befürchtet nun, dass die nächste Phase anläuft und seine Mutter komplett vergessen wurde und auf die Impfung verzichten muss. Weil: Sämtliche Versuche, die Verantwortlichen auf die Lage aufmerksam zu machen, sind bis dato gescheitert.

„Jeder macht Fehler“, so W. Viel schlimmer sei der Umstand, dass es keine Instanz gibt, an die er sich mit seinen Bedenken wenden könne: „Die Hotline konnte mir nicht weiterhelfen und von den Gesundheitsbehörden, die ich bislang angeschrieben habe, hat sich niemand bei uns gemeldet.“

Auswahl in Phase 2b

Bei der Auswahl der älteren Mitbürger (Phase 2a) können die Behörden auf die Datenbanken der Sozialversicherung und die darin enthaltenen Matrikel zurückgreifen. Etwas komplizierter wird es bei der Auswahl von Hochrisikopatienten (Phase 2b): „Eine zentralisierte Liste mit den Namen sämtlicher gefährdeter Patienten des Landes gibt es nämlich nicht“, erklärt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Deshalb werden die Betroffenen in Phase 2b über die Krankenhäuser eingeladen, beziehungsweise ihre Ärzte. Denn: Die Mehrheit der Hochrisikopatienten, zum Beispiel Krebspatienten, befinden sich aktuell in Behandlung. Das Krankenhaus lässt den Patienten eine Einladung mit Code zukommen. An Betroffene, die nicht mehr in Behandlung sind, ergeht indessen der Aufruf, sich mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen.

Leser fragen, wir antworten

Fast täglich lassen uns aufmerksame Leser Kommentare, Anregungen und Fragen zukommen. Am Mittwoch etwa wollte ein Anrufer vom Tageblatt wissen, ob Polizisten und Militär bereits geimpft wurden und ob es überhaupt vorgesehen sei. Die Antwort lautet: Natürlich werden auch Polizisten und Militärangehörige geimpft, aber nicht im Rahmen ihres Berufes, sondern im Lauf der normalen Impfkampagne. „Ein Beamter erhält eine Einladung, wenn er wegen seines Alters oder gesundheitlichen Zustandes dafür infrage kommt“, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Der Ethikrat habe sich für diese Vorgehensweise entschieden.

Trierweiler
11. März 2021 - 13.19

@CESHA "Ist halt das Gleiche wie in manchen Arztpraxen: Auch da sitzt man – trotz Termin – oft über eine Stunde im Wartezimmer, " Es herrscht freie Arztwahl, wenn Ihr Arzt unfähig ist Termine einzuhalten, feuern Sie ihn und suchen Sie sich einen neuen Arzt der es hinkriegt.

Till d‘Eil virum Spiggel
11. März 2021 - 11.43

Nicht nur auf die Impfungen bezogen , gibt es keine regionale Diskriminierungen in Luxemburg.Süden, Zentrum profitieren, Norden , Osten „ sin nach just d‘Mellechkouh vun der Natioun.“ Investieren in die Zukunft von Nord und Süd.

CESHA
11. März 2021 - 11.27

Ist halt das Gleiche wie in manchen Arztpraxen: Auch da sitzt man - trotz Termin - oft über eine Stunde im Wartezimmer, während andere Patienten, die eben erst reingekommen sind, gleich aufgerufen werden.