SpitzenkandidatinGrünes Novum mit Sam Tanson und viel Pathos: „Wollen noch mehr Verantwortung übernehmen“

Spitzenkandidatin / Grünes Novum mit Sam Tanson und viel Pathos: „Wollen noch mehr Verantwortung übernehmen“
Sam Tanson heißt die grüne Auserwählte für die kommenden Wahlen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Lust auf mehr Verantwortung in Person von Kultur- und Justizministerin Sam Tanson lautete das Motto des außerordentlichen Grünen-Kongresses am Dienstagabend. Der Kongress kürte Tanson dann auch mit 180 Befürwortern einstimmig zur Spitzenkandidatin.

Die Grünen gehen erstmals mit einem nationalen Spitzenkandidaten in die Parlamentswahlen. Oder, in diesem Fall, Kandidatin: Der außerordentliche Grünen-Kongress hat am Dienstagabend Kultur- und Justizministerin Sam Tanson einstimmig zur Spitzenkandidatin gekürt. 180 Kongress-Teilnehmer hatten ihre Stimme abgegeben, 180 Kongress-Teilnehmer erteilten der Grünen-Ministerin ihre Zustimmung. „Wir haben das Land in den letzten zehn Jahren verändert“, sagte Tanson in ihrer Rede am Dienstagabend im „Luxembourg Center for Architecture“ in Clausen. Die Marschrichtung für die kommenden Wahlen? „Wir wollen noch mehr Verantwortung übernehmen“, kündigte Tanson an.

Die beiden Parteipräsidenten Djuna Bernard und Meris Sehovic stellten die Wahl des Nationalkomitees der Grünen vor, ehe sie unter Tränen die Bühne verließen und dem jetzigen Vizepremierminister François Bausch das Wort erteilten. „Dem Allgemeinwohl verpflichtet, evidenzbasierte Politik, Garant der individuellen Freiheiten, Krisenresilienz, Ehrlichkeit und eine Frau, die weiß, was Gleichheit bedeutet“, zählte Bausch die für ihn wichtigen Kriterien an einen Spitzenkandidaten auf. „Keine Kandidatin erfüllt diese Kriterien so wie Sam Tanson.“

Bevor Sam Tanson die Bühne betrat, wurde ein Video der Grünen-Politikerin eingespielt. Sam Tanson beim Fahrradfahren, beim Joggen, beim Burgbrennen mit den Kindern, als Teilnehmerin an öffentlichen Diskussionen, im Austausch mit ausländischen Politikern und Beamten. Die Message hinter dem Video: Sam Tanson ist Mutter, Politikerin, Verfechterin feministischer Werte. All das soll Sam Tanson sein, inklusive grüner DNA: „Das Land mit seinen wunderschönen Landschaften und dem architektonischen Erbe schützen und auf die Zukunft vorbereiten“, lautete eine der Aussagen von Sam Tanson im eingespielten Kurzfilm.

Herausforderungen der Zukunft

Eines der großen Ziele und Herausforderungen der nahen Zukunft sei es, Luxemburg klimaneutral zu gestalten, sagte Sam Tanson in ihrer Rede. „Ich will mich für eine faire und gerechte Gesellschaft einsetzen“, so Tanson. „Eine Gesellschaft, in der Kinder, unabhängig von ihren Wurzeln, die gleichen Chancen bekommen.“ Um die nötigen Veränderungen herbeizuführen, sei gesellschaftliche Partizipation wichtig – die würde mehr bringen als eine radikale Top-down-Politik.

Eine solche Politik würde nur das Vertrauen der Bürger in die Institutionen und die Demokratie erschüttern. Das wiederum würde dazu führen, dass Bürger sich ohnmächtig und ignoriert fühlen. Ein politisches Klima, in dem es ein Leichtes sei, politische Ziele gegeneinander auszuspielen. „Der Verlust unseres Lebensraumes ist die Priorität unserer Zeit“, sagte Tanson. „Eine Priorität, die man nicht gegen eine andere ausspielen kann.“ Man müsse sich endlich aus diesen alten Denkmustern befreien. So könne man auch nicht Umweltschutz gegen Wohnungsbaupolitik ausspielen. „Wir brauchen eine Politik, die das Allgemeinwohl im Blick hat.“

Beim Thema Wohnungsbau kam die Spitzenkandidatin jedoch nicht umhin, ihren Partei- und Regierungskollegen Henri Kox zu verteidigen. „Die Wohnungsbauproblematik hat eine jahrelange Vorgeschichte“, so die Spitzenkandidatin – „Probleme, die nicht innerhalb einer Legislaturperiode gelöst werden können.“ Henri Kox habe sich deswegen auch unfairen Attacken ausgesetzt gesehen. „Doch Henri Kox’ Offensive muss weitergehen“, meinte Tanson.

In die Offensive gingen aber auch die Grünen. Zumindest unterschwellig wurden Spitzen gegen DP-Premier Xavier Bettel verteilt. Im kleinen Einspieler bestand Sam Tanson auf dem Umstand, dass man seine Dossiers als Politiker kennen sollte. Und auch François Bausch meinte: „In Zeiten der Multikrisen hat es zuviele nicht evidenzbasierte Entscheidungen gegeben“, sagte Bausch. „Man sollte jedoch evidenzbasiert arbeiten und seine Dossiers kennen.“


Das sind die Spitzenkandidaten der anderen Parteien

 Foto: Editpress/Julien Garroy

Frank Engel (Fokus)

Frank Engel tritt wenig überraschend als Spitzenkandidat seiner neu gegründeten Partei Fokus an. Bei der Parteigründung wurden sich mit einer Regierungsbeteiligung große Ziele gesetzt. Bei den kommenden Wahlen geht es der neuen Partei eher darum, einen Sitz im Parlament zu ergattern.


 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Luc Frieden (CSV)

CSV-Spitzenkandidat Luc Frieden will die Partei wieder in die Regierungsverantwortung führen. Der einstige Justiz- und Finanzminister in der Regierung Juncker hat es nach der Schlappe im Jahr 2013 sechs Monate auf der Oppositionsbank ausgehalten, ehe er in die Privatwirtschaft wechselte. Nun will er mit seiner Erfahrung als Manager in Krisenzeiten beim Luxemburger Wähler punkten.


 Foto: Editpress/Tania Feller

Xavier Bettel (DP)

Luxemburgs Premierminister ist der Mann, den es bei den kommenden Wahlen zu schlagen gilt. Der mittlerweile seit zehn Jahren regierende Premier ist seit 2013 in einer Koalition aus DP, LSAP und „déi gréng“ im Amt. Seitdem sitzen die Christlich-Sozialen auf der Oppositionsbank.


 Foto: Editpress/Alain Rischard

Paulette Lenert (LSAP)

Praktisch aus dem Nichts wurde Paulette Lenert vom hohen Beamtentum in die oberste Luxemburger Politsphäre katapultiert: Kurz vor der Covid-Pandemie übernahm sie das Amt der Gesundheitsministerin und wurde in den Folgejahren zum Symbol des Kampfes gegen das Coronavirus in Luxemburg.


 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Fred Keup (ADR)

Fred Keup wird die ADR in die kommenden Parlamentswahlen führen. Für viele Beobachter ist Keups Nominierung ein Anzeichen dafür, dass seine Partei den Wandel von einer ehemals bürgerlich-konservativen zu einer rechtspopulistischen Partei vollzogen hat. Während der Corona-Pandemie hatte die Partei versucht, politisches Kapital aus den Corona-Protesten zu ziehen. Noch heute ist in der Partei von einem „Covid-Betrug“ die Rede.


 Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Sven Clement (Piraten)

Sven Clement ist für die Piraten das, was Xavier Bettel für die DP ist: Der unangefochtene Leader, dem so schnell keiner aus den eigenen Reihen das Wasser reichen kann und wird. Clement hat der Piratenpartei bei den vergangenen Wahlen zu zwei Sitzen in der Chamber verholfen. Laut jüngsten Umfragen könnten derer bei den kommenden Wahlen ein paar hinzukommen.


„déi Lénk“

„déi Lénk“ treten traditionell ohne designierten Spitzenkandidaten an. Das ist aber nicht der einzige personalpolitische Unterschied, den „déi Lénk“ von den restlichen Parteien unterscheidet. So werden die Abgeordneten von „déi Lénk“ gemäß einem Rotationsprinzip in der Hälfte der Legislaturperiode ausgetauscht. So haben Myriam Cecchetti und Nathalie Oberweis im Mai 2021 Marc Baum und David Wagner ersetzt.

JJ
21. Juni 2023 - 19.16

Die Grünen welken,genau so wie in der BRD. Sie wollen Ideen durchsetzen die nicht machbar sind. Das wird Habeck&Co den Hals brechen.Unsere Grünen sind noch nicht soweit.

Fillo
29. März 2023 - 20.15

Noch mehr Verantwortung,hoffentlich nicht,bis jetzt genug Steuergelder verpufft, keine Grünspechte mehr in Zukunft, Luxusburg rutscht in den Ruin.

Robert Hottua
29. März 2023 - 15.37

Zu einer evidenzbasierten Politik gehört auch dieses Thema: Millionenzahlung für 24.000 Gewaltopfer von Psychiatrien und Einrichtungen der Behindertenhilfe in der deutschen Nachkriegszeit. Diese Nachricht wurde am 28.03.2023 im "Programm Deutschlandfunk" gesendet. Fast 24.000 Menschen, die als Kinder in der Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung in Psychiatrien oder Einrichtungen der Behindertenhilfe misshandelt wurden, haben insgesamt rund 245 Millionen Euro an finanziellen Hilfen erhalten. Das teilten Bund, Länder sowie die Kirchen mit. Damit habe die vor sechs Jahren gegründete Stiftung "Anerkennung und Hilfe" ihr Ziel erreicht. Die Arbeit werde beendet. Das Gremium sollte Betroffene unterstützen, die zwischen 1949 und 1975 als Kinder oder Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland sowie zwischen 1949 und 1990 in der DDR Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an den Folgen leiden. Dazu zählen demnach körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt sowie ungerechtfertigte medizinische und therapeutische Maßnahmen. Schätzungen zufolge waren insgesamt rund 256.000 Kinder und Jugendliche in dieser Zeit in den Einrichtungen in West und Ost untergebracht. MfG Robert Hottua