CoronavirusGestrandet: Wie eine Familie aus Niederanven die Quarantäne in Teneriffa erlebt

Coronavirus / Gestrandet: Wie eine Familie aus Niederanven die Quarantäne in Teneriffa erlebt
Das von Sicherheitskräften bewachte H10 Costa Adeje Palace Hotel in La Caleta. Dort sitzen Anna, Lou, Hanne und Sören Christensen fest. Foto: AFP

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Seit Dienstag steht das Hotel H10 Costa Adeje Palace im Südwesten Teneriffas unter Quarantäne. Zwei Wochen lang darf niemand mehr das Gebäude verlassen. Unter den rund 720 Gästen befinden sich 14 Kunden von LuxairTours, darunter vier Luxemburger. Zu denen gehören Hanne und Sören Christensen nicht. Trotzdem hat das Paar enge Verbindungen zum Großherzogtum, lebten die beiden Dänen doch 32 Jahre lang in Niederanven. Dem Tageblatt schilderten sie via Telefon die Erlebnisse der letzten Stunden. 

Es hört sich wie ein wahrer Albtraum an. Mit den Enkeltöchtern Lou (16) und Anna (13) wollen Hanne und Sören eine Woche gemeinsam die Sonne Teneriffas genießen. Lou und Annas Eltern betreiben ein Hotel-Restaurant in den belgischen Ardennen, können wegen der Arbeit nicht mitkommen. Denn in Belgien sind Karnevalsferien. Man trifft sich am Samstag im Flughafen in Brüssel, die Großeltern übernehmen ab hier die Verantwortung über den Familiennachwuchs. „Anna und Lou sind in unserer Obhut. Wir müssen sie wieder heil nach Hause bringen“, beschreibt Sören seinen Gemütszustand vom Dienstag, als er erfährt, dass er zum falschen Moment am falschen Ort ist, und zwar im H10 Costa Adeje Palace. 

An diesem Tag wacht er gegen 7.00 Uhr im Hotel auf und bemerkt auf dem Weg ins Badezimmer einen Zettel im A4-Format, der unter der Zimmertür durchgeschoben worden war. „Dort standen knapp zwei Sätze. Wir stünden unter Quarantäne und dürften unsere Zimmer nicht mehr verlassen“, berichtet Sören Christensen. Kein Grund ist vermerkt, nichts. Erst später erfährt die Familie durch die Medien, dass vier italienische Hotelgäste positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden sind. „Ich habe sofort Hanne aufgeweckt. Wir haben uns angeguckt und gedacht: Sch…, was wird das?“

Wie „La casa de papel“

Den Dienstag verbringen sie wie aufgefordert an ihrem Zimmer. Obwohl die beiden Mädchen im gleichen Stock nicht weit entfernt untergebracht sind, sehen sie sich am Dienstag nicht. Zur Verpflegung bringt das Hotelpersonal zweimal eine Lunchbox vorbei. In der Nacht zum Mittwoch bekommen die Hotelgäste Besuch. Um 2.30 Uhr klopft es an der Zimmertür der Christensens. Zwei Krankenschwestern messen die Temperatur der Gäste und verteilen Fieberthermometer. „Um 8.00 Uhr morgens und 8.00 Uhr abends sollen wir unsere Temperatur messen und uns im Fall von Fieber über 38 °C sofort melden“, erinnert sich Sören Christensen. Bei den Erwachsenen und den Enkelkindern ist alles in Ordnung.   

Die Enkelinnen Lou und Anna Christensen
Die Enkelinnen Lou und Anna Christensen Foto: privat

Am Mittwochmorgen steht das Frühstück in zwei Plastiktüten vor dem Zimmer. Später trauen sich die Christensens aus ihren Zimmern und nehmen den Fahrstuhl in den Lobbybereich. Groß ist die Überraschung, als sie feststellen, dass dort Hotelgäste unterwegs sind und auch das Restaurant offen ist. „Gesagt hat uns das niemand.“ Mittlerweile sind auch der Pool und der Außenbereich wieder geöffnet. Nur aus dem Hotelkomplex heraus kommen die 720 Urlauber nicht mehr. Das verhindern die vor dem Eingang postierten, schwer bewaffneten Polizisten. Gleich dahinter stehen die Übertragungswagen der Medien. Ein fast surreales Bild, wie Sören Christensen findet. Wie „La casa de papel“, ohne Geiselnehmer, aber mit Geiseln – Geiseln des Coronavirus.

Was den Virus angeht, macht sich die Familie eher weniger Sorgen. „Uns geht es gut. Es ist eine Grippe. So etwas gibt es jeden Winter und im Vergleich zu Grippeepidemien vergangener Zeiten ist Corona vergleichsweise harmlos. Wenn ich mir das in Erinnerung rufe, dann kann ich auch ruhig schlafen“, sagt der pensionierte EU-Beamte. Als Übersetzer haben er und seine Ehefrau quasi ihr gesamtes Berufsleben in Luxemburg verbracht. Die Söhne Thomas und Tim wuchsen in Niederanven auf und besuchten die Europaschule. 2005 zog das Paar dann zurück in sein Heimatland Dänemark. 

Furcht vor Langeweile

Aus dem Sieben-Tage-Kurztrip nach Teneriffa werden nun zweieinhalb Wochen. Den Enkelkindern gefällt das gar nicht. Lou und Anna würden lieber heute als morgen zurück nach Hause, zu ihren Eltern und zu den Schulfreunden. Noch bekommen sich die Teenager gut beschäftigt, doch ob das auch bis zum 10. März so bleibt, ist fraglich. „Die Mädchen sind ehrgeizig, sie wollen nichts verpassen. Wenigstens haben sie ihre Handys“, sagt Sören, der sich über den eigenen Zeitvertreib ebenfalls so seine Gedanken macht: „Der Lesestoff geht so langsam aus, natürlich haben wir Karten und Würfel dabei. Aber in fünf bis zehn Tagen könnte die Langeweile dann doch kritischer werden.“   

Die Großeltern Sören und Hanne Christensen
Die Großeltern Sören und Hanne Christensen Foto: privat

Dass sie so lange in ihrem Hotel festsitzen, erfahren die Urlauber ebenfalls aus den Medien. „Dieser totale Mangel an Kommunikation durch die Behörden ist das, was mich am meisten ärgert. Außer zwei Zetteln unter der Tür gab es bis jetzt nichts. Das ist einfach nur schlimm“, sagt Sören Christensen. Seine Frau Hanne kontaktiert unterdessen „Brussels Airlines“. Der für Freitag (28.2.) programmierte Rückflug soll auf den 10. März verschoben werden. Sie landet in einem Callcenter. Ihr Gesprächspartner versteht kein Wort und hat auch noch nie etwas von einem Coronavirus gehört. Erst ein Anruf beim Flughafen in Kopenhagen hilft ihr weiter.

Inzwischen haben sich auch Lou und Annas Eltern beruhigt und ein wenig mit der Situation abgefunden. „Ich wollte schon den nächsten Flug nehmen und runterfliegen“, sagt Tim, Sörens und Hannes zweitgeborener Sohn und Vater von Lou und Anna. „Aber wir wären ja doch nicht da reingekommen. Und natürlich haben wir auch hier bei uns Gäste. Obwohl ich schon sagen muss, dass in einer solchen Situation die Motivation zum Arbeiten am Nullpunkt ist“, so der Hotelier und Koch.