EditorialGefahr der Inhaltslosigkeit: Wieso der Politik etwas mehr Ideologie guttun würde

Editorial / Gefahr der Inhaltslosigkeit: Wieso der Politik etwas mehr Ideologie guttun würde
Der politischen Diskussion würde manchmal etwas weniger Konsens guttun Foto: Editpress/Julien Garroy

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Offiziell beginnt der Wahlkampf erst am 4. September, doch die Parteien bringen sich so langsam in Position. Dass die Parlamentswahlen näher rücken, erkennt man nämlich nicht bloß an der abgelaufenen Marathon-Woche in der Chamber oder an den unzähligen Pressekonferenzen, sondern auch an der Tatsache, dass der Ton so langsam etwas rauer wird.

Vor allem die CSV versuchte zuletzt, in den Angriffsmodus zu schalten. Nachdem sich die größte Oppositionspartei in den vergangenen Monaten und Jahren insbesondere auf die Grünen eingeschossen hatte, ging es diese Woche vor allem gegen die LSAP und deren Spitzenkandidatin Paulette Lenert. Als „sozialistische Planwirtschaft“ bezeichneten sowohl Claude Wiseler als auch Spitzenkandidat Luc Frieden das Gesetz über den „virage ambulatoire“, womit sich die Christsozialen des gleichen Schemas bedienen wie in den vergangenen Monaten, während derer sie sich auf „déi gréng“ eingeschossen haben. Die beiden Koalitionspartner werden als ideologisch verblendet dargestellt, womit die CSV den Zeitgeist trifft, der die Ideologie an sich als etwas Negatives wahrnimmt. Im Gegenzug versuchen sich die Konservativen (sofern sie sich dieser politischen Ideologie noch zugehörig fühlen) selbst als eine Partei zu inszenieren, die den großen Problemen der Gesellschaft mit einer großen Portion Pragmatismus entgegentritt.

Die Strategie wird auch von der DP, also der Partei, mithilfe derer die CSV am liebsten auf die Regierungsbank zurückkehren würde, erfolgreich genutzt. Zum einen präsentiert man sich als Macher. Zum anderen wird sich erhofft, neue Wähler anzusprechen, da – zumindest oberflächlich – immer weniger klar wird, wofür die Parteien eigentlich stehen. Wie Tageblatt-Journalist Stefan Kunzmann kürzlich schrieb, passt diese Orientierung in die Mitte zum politischen Konsensmodell Luxemburgs. Ein Konsensmodell ist sicherlich nicht gleich negativ zu betrachten, allerdings droht irgendwann die Gefahr der Inhaltslosigkeit.

Die vier großen Parteien unterscheiden sich schon länger nicht mehr grundlegend voneinander. Sogar die Grünen, von denen man zumindest ein ambitioniertes Wahlprogramm in Sachen Klimaschutz hätte erwarten können, tun sich vor allem als Konsens-Manager hervor. Es ist wohl zum Teil eine Folge des Dauerbeschusses, unter dem sich die Grünen nicht nur in Luxemburg befinden. Es gilt, ja nicht dem Vorwurf der Verbotspartei zu entsprechen. Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Vielleicht hätten „déi gréng“ bessere Aussichten, wenn sie ihren potenziellen Wählern klipp und klar sagen würden, dass Klimaschutz in der aktuellen Situation nicht um drastische Einschränkungen umhinkommt.

Gegen einen pragmatischen Ansatz ist eigentlich nichts einzuwenden, er schließt allerdings nicht aus, dass sich die Parteien wieder etwas mehr mit ihren ursprünglichen Ideologien auseinandersetzen. Solange es nicht in Extreme ausartet, sind Ideologien nicht zwangsläufig etwas Negatives. Vor allem würden Sondierungs- beziehungsweise Koalitionsverhandlungen nicht schon mit einem Konsens beginnen, was der zukünftigen Ausrichtung des Landes sicherlich guttun würde.