Internet der DingeSelbstfahrende Autos und smarte Wohnungen: Experten sehen gewaltiges Potenzial

Internet der Dinge / Selbstfahrende Autos und smarte Wohnungen: Experten sehen gewaltiges Potenzial
Viele Alltagsgegenstände lassen sich theoretisch übers Internet verbinden Grafik: Shutterstock

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Ob Smart Home, Smart City, oder Smart Office: Vernetzte Geräte und Anwendungen drängen in jeden Lebensbereich vor. Physische Objekte per Internet miteinander zu verknüpfen, um Abläufe zu optimieren, ist zwar nichts Neues, doch laut Experten steht man erst am Anfang der Entwicklung, da viele Akteure in der Wirtschaft sich des Potenzials des Internets der Dinge noch gar nicht bewusst seien.

Etliche Sensoren, GPS und Radar „tasten“ pausenlos die Umwelt ab: Dank der so gesammelten Daten können selbstfahrende Autos quasi eigenständig ihren Weg wählen, Verkehrsschilder und Ampeln erkennen, und selbstverständlich Hindernisse vermeiden. Sind mehrere solcher Autos auf einer Straße unterwegs, erhöht sich allerdings die Komplexität des Problems: Alle Fahrten müssen aufeinander abgestimmt werden, die Wagen müssen also untereinander Daten austauschen. So könnte die Zukunft des Verkehrs aussehen. Am Donnerstag fuhr das erste selbstfahrende Auto auf Luxemburgs Straßen (s. Artikel S. 4). Selbstfahrende Autos sind allerdings nur eine Anwendung des „Internet of Things“ (IoT) unter vielen.

Die Idee eines Netzes intelligenter Geräte entstand bereits 1982, als ein modifizierter Coca-Cola-Automat an der Carnegie Mellon University mit dem Arpanet (Vorgänger des Internets) verbunden wurde: Er konnte seinen Bestand angeben und ebenfalls die Temperatur der Getränke selbst kontrollieren.

Laut der Website „Libelium“ liegt die Anzahl der vernetzten Geräte heute weltweit bei rund 50 Milliarden. Angesichts dieser hohen Zahl spricht man heute vom „Internet der Dinge“, nicht nur weil sie unter sich ein Netz bilden, sondern auch weil sie das Internet zur Kommunikation nutzen. „Das Internet der Dinge ist ein physisches Netzwerk, das mit spezieller Software und Sensoren ausgestattet ist, die es ihnen ermöglichen, sich miteinander zu verbinden und Daten auszutauschen“, definiert die Post diesen Bereich. Einfach ausgedrückt: Das Internet der Dinge ist die Brücke zwischen der digitalen und der physischen Welt.

Zentrale Elemente des IoT sind die elektronischen Sensoren, quasi die Augen und Ohren der Geräte. So greifen z.B. mehrere luxemburgische Bauunternehmen bereits auf eine Anwendung namens „LiveMat“ zurück, um „live“ zu überwachen, wo sich gerade ihr Material befindet. Betreibt eine Firma mehrere Baustellen gleichzeitig, besteht immer das Risiko von Diebstahl, Verschwendung oder einfach Verlust von Material. Kleinere Geräte wie Bohrer z.B. werden mit Sensoren bestückt und können so leichter überwacht werden. Größere Maschinen sind oft schon von Werk aus mit Sensoren und GPS ausgestattet und können über eine Anwendung des Herstellers geortet werden. Besitzt ein Bauunternehmer allerdings Maschinen von verschiedenen Herstellern, wird die Sache komplizierter. Die Anwendung „LiveMat“ der Post erlaubt dem Unternehmer einen zeitnahen Gesamtblick über sein gesamtes Material. Inventararbeiten z.B. können so wesentlich schneller erledigt werden, da dies sonst per Hand gemacht werden müsste.

Smart Water und smarter Honig

„Smart Water“ nennen sich Anwendungen im Wohnungsbereich, mit Hilfe derer man den täglichen Wasserverbrauch der Menschen besser analysieren kann, um die Effizienz des Wassernetzes verbessern zu können. Die Wasserwerke können Verbrauchern, bei denen spezielle Zähler installiert sind, gezielte Ratschläge in Sachen Wassersparen geben. Das System erlaubt u.a. schnelle Reaktionen, wenn anormal hoher Wasserverbrauch, wie z.B. bei einem Wasserleck, auftritt. Laut der Post sind in Luxemburg bis dato 4.000 solcher speziellen Zähler in neun verschiedenen Gemeinden installiert. Die Entscheidung für ein „Smart water“-System liegt allerdings bei den Gemeinden.

Es gibt unzählige Bereiche, in denen sich über digitale Anwendungen Abläufe optimieren lassen. Über sein Handy die Heizung oder die Alarmanlage zu Hause zu kontrollieren, ist keine Seltenheit mehr. Auch die Post, die einerseits Anwendungen für industrielle Nutzer entwickelt, setzt „smarte“ Anwendungen ein, um ihre eigenen Abläufe zu verbessern, erklärte Laurent Rapin, IoT-Berater bei der Post, anlässlich eines Workshops zum Thema. 130 der gelben Post-Briefkästen sind mit Sensoren ausgestattet, mittels derer festgestellt werden kann, wie oft der jeweilige Kasten benutzt wird, ob die festgelegten Zeiten der Leerungen eingehalten werden und ob nicht eventuell die Fahrtzeiten der Briefträger optimiert werden können.

Die wohl ungewöhnlichste Anwendung smarter Technologie hierzulande ist im Bereich der Imkerei zu finden. Mit „Smart Apiculture“ können Imker von überall aus ihre Bienenstöcke überwachen. Dank Sensoren an den Körben weiß ein Imker dann nicht nur um die Gesundheit seiner Völker, sondern kann auch den perfekten Zeitpunkt wählen, wann der Honig eingesammelt werden soll.

Obwohl die Anfänge des IoT bis in die 1980er Jahre zurückgehen, gebe es noch viel Entwicklungspotenzial. Dessen ist man sich bei einem der Hauptakteure im Internet hierzulande – der Post – sicher. „In vielen Unternehmen wurden die Möglichkeiten, die das Internet der Dinge bietet, noch nicht erkannt“, sagt Cliff Konsbruck, Direktor der Post Telecom. Aus diesem Grund arbeiten dort bis dato nur vier Personen ausschließlich in diesem Bereich. Für jedes Projekt und jeden Kunden wird ein entsprechendes Team aus den Mitarbeitern anderer Abteilungen zusammengestellt.

Einen Schub im IoT-Bereich erhoffen sich die Spezialisten durch den Ausbau der 5G-Technologie, welche die Netzwerk-Kapazitäten wesentlich erhöht. 5G erlaube es, jedem Kunden einen eigenen Anteil am Datenfluss zu sichern, sodass seine Anwendung keine Unterbrechungen erleidet, wie es der Fall bei 4G sein kann, wenn das Netz überlastet ist, erklärt Konsbruck.

Sicherheitsfragen

Das Internet der Dinge hat allerdings auch eine dunkle Seite: Durch die Vernetzung von physischen Gegenständen mit dem Internet können Hacker jetzt nicht nur Daten oder online Geld stehlen, sondern physische Aktivitäten in der realen Welt stören, wie etwa Krankenhäuser oder Energiezentralen am Betrieb hindern. Sicherheit spiele deshalb bei der Entwicklung einer „Smart“-Anwendung in jeder Phase eine Rolle, sagt Konsbruck. Die Post habe deshalb eine eigene Abteilung, die sich ausschließlich mit Sicherheitsfragen befasst.

Bei allem Potenzial, das noch im „Internet of things“ steckt, sind die Spezialisten schon einen Schritt weiter. Als nächste Stufe der digitalen Entwicklung sehen sie das „Internet of everything“ (das Internet von allem), in dem nicht nur Dinge, sondern auch Prozesse, Daten und Menschen miteinander verbunden werden können.

Wer an den verschiedensten Auswirkungen der digitalen Welt auf die Gesellschaft interessiert ist, dem sei die britische Fernsehserie „Black Mirror“ (zu sehen auf Netflix) empfohlen.