NeujahrsinterviewEs grüßt der Generaldirektor: Luc Frieden legt Business-Plan für Luxemburg vor

Neujahrsinterview / Es grüßt der Generaldirektor: Luc Frieden legt Business-Plan für Luxemburg vor
Wenn ich CEO von Luxemburg wär: Premier Luc Frieden (rechts) hat den Business-Plan Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Premierminister Luc Frieden stellt sich im Neujahrsinterview bei RTL kritischen Fragen zum Regierungsprogramm 2024. Inhaltlich ist das für den Staatschef „business as usual“ – mit der Betonung auf „business“.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde stellt Caroline Mart die Frage, die sich von Minute zu Minute immer stärker aufgedrängt hat: „Kann man ein Land wie Luxemburg so führen, wie ein CEO ein Unternehmen leitet?“ „Absolut“, antwortet Premier Frieden, besonders wenn es um die Verwaltung gehe. Ein Betrieb müsse effektiv sein, sonst gehe er den Bach runter. Ein Betrieb müsse konkurrenzfähig sein gegenüber anderen Betrieben, genauso wie ein Land wettbewerbsfähig gegenüber dem Ausland sein müsse. Der Job des Premierministers, so Frieden, sei wie der eines Generaldirektors in einem Betrieb: Man müsse sicherstellen, dass alle im Unternehmen das gleiche Ziel verfolgen und gemeinsam in dieselbe Richtung ziehen. Dafür brauche es auch klare Ansagen. „Der Chef muss sagen, wenn er etwas gut oder nicht gut findet“, sagt Frieden, „sonst braucht es keinen Premier.“

Worte, die man vielleicht bei einer Gründerkonferenz erwarten würde. Oder bei einem Managerseminar. Eher weniger beim traditionellen RTL-Neujahrsinterview, untraditionellerweise wegen einer Nasen-OP von Luc Frieden bereits Mitte Dezember aufgezeichnet. Der Staatschef mit Privatwirtschaftserfahrung ist an diesem Abend schnell zur Hand mit Vergleichen aus der freien Wirtschaft. Als Moderatorin Mart ihn auf die Kritik an den angekündigten Steuererleichterungen anspricht und fragt, welchen Plan B es denn gebe, wenn diese nicht wie angedacht die Wirtschaft ankurbeln würden, hält Frieden unbeirrt an Plan A fest. Denn: „Ein Betrieb hat auch nur einen Businessplan für die kommenden Jahre und versucht diesen umzusetzen.“

Attraktiver, effektiver, konkurrenzfähiger

Mit diesem Mindset will Frieden Luxemburg in wirtschaftlich unsicheren Zeiten attraktiver, effektiver, konkurrenzfähiger machen. Und schlanker. Dass gerade die Vereinfachung von administrativen Prozeduren seit Jahrzehnten für unterschiedliche Regierungen als Heilmittel herhalten musste, stört den CEO-Premier nicht. Das sei eben eine Aufgabe, die nie aufhöre. Auch etwas, was er aus seiner Zeit in der Privatwirtschaft wisse. Aktuell sei das gerade in der Bau- und Wohnungskrise am dringlichsten – aber auch in anderen Bereichen notwendig.

Wenn wir nicht das richtige Gleichgewicht finden zwischen Wirtschaft und Umwelt, dann erreichen wir gar nichts

Zu so einem Unternehmergeist gehört natürlich auch das – je nach Perspektive freundliche oder schauerliche – Gespenst des freien Marktes. Im Logement soll es die Krise richten („Wir brauchen Leute, die in den Wohnungsmarkt investieren“), von Klimafragen soll es bitte nicht zu sehr verschreckt werden („Wenn wir nicht das richtige Gleichgewicht finden zwischen Wirtschaft und Umwelt, dann erreichen wir gar nichts“). Schauermärchen sind indes nicht Friedens Sache. Seine Regierung stehe für eine andere Herangehensweise an Biodiversitäts- und Klimapolitik. Man setze auf Anreize statt auf Vorschriften. „Ich glaube, dass die Leute die Wichtigkeit von Naturschutz sehen und man ihnen nicht alles vorschreiben muss“, so Frieden. Der Klimawandel sei ein dringliches Problem, eine inaktive und ausgebremste Gesellschaft sei aber wiederum nicht in der Lage, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu finanzieren. 

Das luxemburgische Rentensystem will Frieden grundsätzlich hinterfragen
Das luxemburgische Rentensystem will Frieden grundsätzlich hinterfragen Foto: Felix Kästle/dpa

Im Businessplan der Frieden AG steht der Kampf gegen die Erderhitzung jeden Falls nicht ganz oben auf der Agenda. Wo Wissenschaftler auf der ganzen Welt zu wenige, zu späte Maßnahmen kritisieren, schaut der Chef zufrieden auf den Weg, der bereits zurückgelegt wurde. Alle würden heute wissen, wo es hingehen soll. „Über die Geschwindigkeit auf dem Weg dorthin sollte man ein bisschen weniger verkrampft sein“, sagt Frieden und appelliert an die globale Verantwortung: „Wir müssen auf der ganzen Welt in die richtige Richtung ziehen. Wenn sie in China, den USA, in der arabischen Welt in ihren hochklimatisierten Sälen darüber diskutieren, dann erreicht man da nichts.“ Sollen also erstmal die anderen CEOs von den größeren und schmutzigeren Firmen was vorlegen. Und überhaupt: Es gibt ja auch noch den technologischen Fortschritt, um solche Probleme zu lösen. Irgendjemand wird das also regeln. Der Markt. Die Technik. Oder zur Not halt eben beide.

Rentensystem hinterfragen – aber wie?

Eine interessante Beobachtung an diesem Abend: Dort, wo Frieden keine markigen Business-Metaphern zücken kann, wird es besonders vage. Beispiel: Rentenreform. Beitragserhöhung, längere Lebensarbeitszeit, Frieden will grundsätzlich erst einmal nichts ausschließen. „Wir müssen unser System grundlegend hinterfragen: Wenn wir gar kein System hätten, welches würden wir für die Zukunft unseres Landes aufbauen wollen?“ Hier gibt es keine Kursansage vom Chef, stattdessen möchte der Premier eine breite gesellschaftliche Debatte, auch mit Akteuren der Zivilgesellschaft. Ein konkretes Format, wie zum Beispiel einen Rententisch, will er dieser Debatte auf Nachfrage aber nicht geben. Unternehmerischen Mut stellt Frieden aber auch hier unter Beweis. Es fände es feige, die Rentendiskussion nicht zu führen. Der Zwang zum Wachstum, die steigende Lebenserwartung, das alles seien Faktoren, die in die Debatte einfließen müssten. Auch das, keine höchste Priorität im Businessplan. Anvisiert: Ende 2024, Anfang 2025.

Das nächste und übernächste Jahr werden ganz, ganz schwer

In Migrationsfragen verteidigt der „neue Luc“ die Haltung und Entscheidungen des „alten Luc“. Luxemburg könne nicht jeden aufnehmen. „Unser Sozialsystem schafft das nicht, unsere Krankenhäuser schaffen das nicht.“ Frieden zieht eine direkte Verbindung von einer allzu liberalen Flüchtlingspolitik in Ländern wie Schweden oder den Niederlanden zu Problemen mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Er plädiere für „einen moderaten Weg mit Herz und Verstand“. Bleiben sollen die, die aufgrund von Krieg oder Verfolgung ein Recht auf Asyl haben. Die anderen sollen schnell zurückgeführt werden.

Das ist am Ende auch, was das Business Luxemburg vom Land und den CEO vom Premier unterscheidet. „In einem Land kann Profitabilität nicht das einzige Kriterium sein“, sagt Frieden. Es gebe eine soziale Pflicht, Solidarität und Menschlichkeit. Aber auch hier kommt der Chef nicht ganz ohne Kosten-Nutzen-Rechnung aus. „Wir haben in den letzten Jahren zu viel ausgegeben, ohne auf die soziale Wirksamkeit zu achten.“ Das gehe so nicht weiter. „Das nächste und übernächste Jahr werden ganz, ganz schwer.“

Hergen
5. Januar 2024 - 9.47

Lieber "ale Sozi" . Soll das ein Witz sein oder meinen sie das im Ernst. Im Fall wo es wirklich drauf ankommen könnte ist die eigene Haut doch viel näher als das Hemd. Die Zeiten der hartnäckigen Vertretung der Arbeitnehmer ist, bis auf einige sehr sehr wenige verschwunden. Gibt's nicht mehr!

Haribo
5. Januar 2024 - 9.23

Neues Foto, neue Politclowns.

en ale Sozi
4. Januar 2024 - 17.35

Die Gewerkschaften haben immer noch ihre Daseinsberechtigung. Sie haben das immense Verdienst, der Errungenschaften der Arbeiterklasse. Nur heute will ja keiner mehr als Arbeiter bezeichnet werden, obschon die absolute Mehrzahl der Gesellschaft aus Arbeitnehmern besteht. Die Gewerkschaften, gleich welcher Couleur, haben die verdammte Pflicht die Interessen der Schaffenden zu verteidigen. und diese Regierung muss jetzt schon wissen, dass sie es gegebenenfalls -wenn es drauf ankommt- mit einer starken, hartnäckigen Vertretung der Arbeitnehmer zu tun hat.

plop
3. Januar 2024 - 18.59

De Moment hun d'Gewerkschaften eigentlech net mei dei Daseinsberechtegung wei nach virun 60 Joer. Mais wahrscheinlech mussen sie erem deiselwecht Funktioun iwerhuelen an sech erem fir den Aarbechter asetzen.

Pieter
3. Januar 2024 - 17.40

Dir léif Kritiker alleguer. Virwât kréischt der dann elo schon. Et huet jo nach keen iech eppes gedoen oder eweggeholl. Also calmos calmos w.e.g.

John G.
3. Januar 2024 - 17.19

Um es mit Arno Schmidt zu sagen: « [...] was müssen das für Ochsen sein, die sich den Fleischer zum König wählen! [...] » …

Grober J-P.
3. Januar 2024 - 17.12

@ Serge Zeimes / Bei der betreffender Partei sin seit etlechen Joer 2 wichteg Buchstawen fleete gangen, oder fann Dir nach richteg Aarbechter do un der Spëtzt?

Serge Zeimes
3. Januar 2024 - 11.14

Wann ech di Aussoen vum "neie Luc" op RTL no lauschteren, dann musse mir all - a besonnech d'Gewerkschaften - gudd oppassen. De Sozialofbau ass matt déer do Regierung virprogramméiert. . . .Nora Back, bitte übernehmen Sie!!!. . . . vun der LSAP erwarden ech mir keng grouss Oppositioun

de Schmötten Hein
3. Januar 2024 - 10.52

Ein kühler Pragmatiker, von Menschlichkeit nicht die Spur. Und auf dem Foto lacht sein Vorgänger in die Zukunft und grinst und grinst und hört nicht mehr auf. Doch das Lachen und Grinsen wird beiden noch vergehen. Aber mit den Gehältern von beiden lässt sich gut leben. Denen fehlt doch der Bezug zum einfachen Volk!

Private Eye
3. Januar 2024 - 10.38

Foto. Ech wees et jo net mee wann ech dee virechten, op horizontaler Hierarchieebene , regéirenden Premier esou gesin da stellen ech mer Froen.

Grober J-P.
3. Januar 2024 - 10.18

"Rentensystem hinterfragen – aber wie?" Dann hinterfragt mal. Bin sehr gespannt ob ich mich fürs ins "Grasbeißen" vorbereiten muss, wenn es heißt Altersheim. Wir hatten Glück mit Mutti, hatte noch ein bisschen sparen können fürs Heim. In dem Heim waren einige die von der „Stütze geholfen“ wurden, sonst Pampers ade.

max.l
3. Januar 2024 - 8.18

"Der Job des Premierministers, so Frieden, sei wie der eines Generaldirektors in einem Betrieb: Man müsse sicherstellen, dass alle im Unternehmen das gleiche Ziel verfolgen und gemeinsam in dieselbe Richtung ziehen" super, da së mër an enger Diktatur a wou bläiwt dann dë "Mënsch" ausser just nach Roboteren? ëch mengen dat doten geet schiif aus bis elo spille mër mol nach "déi dräi Aafen"..

JJ
3. Januar 2024 - 7.56

"Ech sinn de Chef..." wiederholt vorgetragen vor laufender Kamera. Na dann mal los.....