/ "Elle a encore toujours son caractère et sa tête"
Wir schreiben heute den 16. März 2018. Und heute auf den Tag genau ist Germaine Kauffmann 110 Jahre und zwölf Tage alt. Damit ist sie nicht nur die älteste Person Luxemburgs, sondern auch die fünftälteste im Benelux. Porträt einer außergewöhnlichen Dame.
„Sie hat eine aufregende Lebensgeschichte hinter sich und war stets eine starke Frau. Und das bis heute“, sagt Myriam Krier-Wiscourt aus Bettemburg, und beginnt, von ihrer Tante zu erzählen. Das Licht der Welt erblickte Germaine Kauffmann am 4. März 1908 in der Zitha-Klinik. Als erstes Kind des Ehepaares Rémy Kauffmann und Elise Guill. Es folgten Schwester Juliette, die 1919 zur Welt kam und heute mit 99 Jahren im CIPA Niederanven lebt, sowie Bruder René, der 1997 im Alter von 85 Jahren verstarb. Germaine Kauffmanns Geburtsurkunde wurde einen Tag nach Aschermittwoch „im Jahre tausend neun hundert acht, den fünften des Monats März um drei Uhr nachmittags“ ausgestellt. Ihre beiden weiteren Vornamen lauten Elise Josephine. Die Familie Kauffmann wohnte 1908 in der Karmelitergasse Nr. 52 in Hollerich. Dort wuchs Germaine Kauffmann auch zunächst auf.
Ihre unbeschwerte Kindheit verbrachte sie indessen nicht nur in Luxemburg-Stadt. Zeitweise lebte die Familie nämlich in Metz und auch im deutschen Offenbach. Am 11. April 1920 empfing sie dort auch die heilige Kommunion in der St.-Paul- Kirche. Das steht jedenfalls auf dem vergilbten „Kommunionsbildchen“, das ihre Nichte ebenfalls ins Fotoalbum eingeklebt hat. Dort, in Offenbach, lernte Germaine Deutsch, Französisch und Englisch. Zudem besuchte sie Handelskurse. Beides sollte in ihrem Leben noch große Wichtigkeit erlangen. Doch dazu später mehr. Es gab aber nicht nur schöne Seiten in ihrer Kindheit: Als sie zwölf war, verstarb ihre Mutter frühzeitig mit 34 Jahren. Es war ein einschneidendes Erlebnis für den Teenager. Der Vater heiratete erneut. Als Heranwachsende kam Germaine Kauffmann bereits viel herum. Mit Mitte 20 kehrte sie Luxemburg den Rücken. Es zog sie, wie so viele andere damals, nach Brüssel, um zu arbeiten.
Dort sollte sie dann auch einen großen Teil ihres Lebens verbringen. Sie war Sekretärin und Haushälterin bei der Familie des Grafen Guy La Grelle. Sie kümmerte sich um die Erziehung und Ausbildung deren Kinder. „Sie war eine Art Gouvernante“, so Myriam Krier-Wiscourt. Daneben arbeitete die sprachgewandte Frau als freischaffende Übersetzerin. „Sie war sehr eigenständig und stand recht früh auf eigenen Beinen. Sie musste sich ja selbst um ihren Lebensunterhalt kümmern, da sie nicht verheiratet war“, erzählt die 65-Jährige weiter.
Ein echtes Faible für Kleider
Und wenn „Tante“ oder Germaine aus Brüssel zum Besuch nach Luxemburg kam, war immer richtig was los. „Sie ist ein lebensfroher Mensch und brachte uns jede Mengen Kleider mit“, erinnert sie sich. Kleider, die es damals noch nicht in Luxemburg zu kaufen gab. Speziell die Plüschblusen und Röcke sorgten bei ihrer Familie in Luxemburg für große Begeisterung. Der „dernier cri“ aus Brüssel eben. Auf den Fotos sieht man, dass Germaine Kauffmann ein echtes Faible für Kleider hatte und immer noch hat. Sie war immer sehr elegant angezogen und trug damals schon Hosen, was eher unüblich war. Eine mondäne Frau eben. „Sie war irgendwie stets ihrer Zeit voraus“, sagt Myriam Krier-Wiscourt, die ihre Tante regelmäßig besucht, rückblickend. Wie recht sie damit hat.
Es kam denn auch nicht von ungefähr, dass Germaine Kauffmann in Brüssel ein Geschäft führte. Genauer gesagt eine Lingerie namens „Frou-Frou“ in der Avenue Notre-Dame Nr. 111. Das war aber erst später. „Gaines sur mesure“ prangte in Großbuchstaben im Schaufenster des Ladens. Kleider waren sozusagen ihr „Dada“. Germaine entwarf auch Mode, die dann später sogar industriell gefertigt wurde. „Wenn sie nach Luxemburg kam, hatte sie stets große Koffer dabei, in denen all ihre Stücke aufbewahrt waren. Die verkaufte sie dann.“ Ihr Steckenpferd aber waren Hüte. Noch heute bewahrt ihre Nichte eine ganze Reihe von Hüten auf. Auf den Fotos sieht man Germaine denn auch oft mit Kopfbedeckung.
Sie liebte lange Spaziergänge
Im Alter von 72 Jahren kehrte sie dann nach Luxemburg zurück. Das war 1980. Zwei Jahre später heiratete sie den Brüsseler Rechtsanwalt Litwinski. Das Paar verlegte seinen Wohnsitz nach Luxemburg, und er folgte seiner Liebe. Sieben Jahre später verstarb ihr Ehemann. Ab da lebte Germaine Kauffmann allein in einem Appartement in der hauptstädtischen rue Guillaume. Bis ins hohe Alter von 103 Jahren. Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörten ausgedehnte Spaziergänge im Stadtpark oder im Merler Park. Außerdem stattete sie regelmäßig einer bekannten Konditorei einen Besuch ab. Nicht zu reden davon, dass sie auch stets in den Kleidergeschäften in Stadt-Luxemburg rumstöberte.
Ein Missgeschick, das den Bruch ihrer Hüfte zur Folge hatte, führte dazu, dass sie nach Schifflingen ins Pflegeheim „am Schmëttbësch“ kam. Das war 2011. „Ich machte mir damals viele Gedanken, als sie operiert wurde. Aber sie steckte diese ganzen Strapazen und auch die Rehabilitation recht gut weg und war drei Monate nach dem Eingriff wieder bei guter Gesundheit“, erinnert sich Myriam Krier-Wiscourt. Der Vorfall hatte allerdings zur Folge, dass Germaine seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Choucroute als Lieblingsgericht
Das Pflegeheim in Schifflingen ist längst ihr neues Zuhause geworden. Dort fühlt sie sich wohl und geborgen. Dort feierte Germaine auch ihren 105. Geburtstag. Im Artikel, der zu diesem Anlass im Tageblatt erschien, antwortet sie auf die Frage, warum sie auch mit 105 Jahren noch geistig und körperlich fit sei, dass sie immer vernünftig gelebt habe. „Das stimmt auch“, sagt ihre Nichte und fügt jedoch hinzu, dass sie ihr langes Leben stets in vollen Zügen genossen hat. Speziell zur Karnevalszeit ließ sie sich immer etwas Besonderes als Verkleidung einfallen.
Auch ihren 110. Geburtstag feierte Germaine Kauffmann „am Schmëttbësch“ in Schifflingen. Großherzogin Maria Teresa war eigens gekommen, um zu gratulieren. Das ist erst ein paar Tage her. Und heute auf den Tag genau ist sie mit 110 Jahren und zwölf Tagen der älteste Mensch Luxemburgs. Mittlerweile hat sie Jean Ley abgelöst, der im Alter von 110 Jahren und zehn Tagen am 20. Februar 2013 verschied.
Und wie verbringt sie ihren Alltag? Germaine Kauffmann schläft morgens recht lange. „Elle aime faire la grasse matinée“, heißt es liebevoll vonseiten von Carine Brisoux, die sich jeden Tag um sie kümmert. Und auch nach dem Essen braucht sie Ruhe. Ihr Lieblingsgericht sei Choucroute, erzähltdie Betreuerin weiter. Außerdem mag sie kalte Getränke. An den Gruppenaktivitäten nimmt sie immer noch teil. Wenn auch passiv, wie Carine Brisoux weitererzählt. Es ist nicht einfach, sich mit ihr zu unterhalten, da sie schlecht hört. Aber sie reagiert stets, wenn man sie anspricht und schaut einen mit ihren klaren und listigen Augen an. „Sie kann außerdem sehr energisch sein. Und wenn sie mit etwas nicht einverstanden ist, gibt sie einem das mit einem deutlichen Nein zu verstehen. „Elle a encore toujours son caractère et sa tête“, sagt die Betreuerin. Und krank ist sie nicht. „La seule maladie qu’elle a, est la maladie de l’âge.“
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Féilcitatioun, an nach e puer Joeren derbei.
Wie schein ech fannen Mme Kauffmann geseit nach top aus.
Wenschen hier nach wieder eng stabile Gesondheet