Kontroverse in der HauptstadtEinwohner begrüßen private Security an Luxemburgs Brennpunkten

Kontroverse in der Hauptstadt / Einwohner begrüßen private Security an Luxemburgs Brennpunkten
Die Sicherheitsbeamte sollen Präsenz zeigen und Sicherheit erzeugen. Zwei Zweierteams mit Hund sind täglich von 17 bis 23 Uhr im Bahnhofsviertel im Einsatz. Ein weiteres Team patrouilliert am Nachmittag im Stadtzentrum. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Groß war die Aufregung auf politischer Seite, als vor Wochenfrist die Nachricht die Runde machte, dass Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma an den hauptstädtischen Brennpunkten für mehr Sicherheit sorgen sollten. Öffentliche Macht gehöre nicht in private Hände, so der Grundtenor. Polizeiarbeit dürfe nicht privatisiert werden, so die Kritiker. Doch was halten die eigentlich Betroffenen von der Maßnahme? Was denken Einwohner und Geschäftsleute? Das Tageblatt hat nachgefragt.

„Die haben doch keine Ahnung, was wir bereits seit Jahren durchmachen“, sagt die Inhaberin eines alteingesessenen Ladens an der Avenue de la Gare. Innerhalb weniger Sekunden ist das freundliche Lächeln einem finsteren Blick gewichen. Mit „die“ sind die „Dicken“ gemeint, „les gros“, wie sie mit Nachdruck betont. Politiker, Gewerkschaftler und andere Verantwortliche, die in ihren schönen Häusern auf dem Land – „dans leurs belles maisons dans la campagne“ – mit ihren Kritiken politisch zu punkten hoffen, friedlich und sicher, weitab der Brennpunkte der Hauptstadt.

Mit einem Schlag aber ist es wieder da, das verschmitzte Lächeln. Stolz erzählt die Ladeninhaberin von ihrem Auftritt bei einer Bürgerversammlung im September des vergangenen Jahres, als mehrere hundert Menschen aus dem Bahnhofsviertel ihrem Ärger freien Lauf lassen konnten. Mit tosendem Applaus sei ihre Wortmeldung quittiert worden, die Straßen rund um den Bahnhof seien zu einem rechtsfreien Raum verkommen.

„Seit Jahren zwingen uns die Drogenhändler im Viertel ihre Gesetze auf. Vor unseren Läden und Hauseingängen lungern Drogenabhängige und Obdachlose herum. Viele Kunden und Einwohner fühlen sich nicht mehr sicher“, wiederholt die energische Dame ihren Standpunkt. Mehr Polizisten seien damals versprochen worden, erinnert sie sich. Mehr Präsenz, mehr Sicherheit. „Geändert hat sich in dem ganzen Jahr aber nichts“, betont sie, bevor sie plötzlich innehält: „Das stimmt nicht ganz. Es ist noch schlimmer geworden. Wegen der Tram und wegen Covid sind die Geschäfte im Bahnhofsviertel komplett eingebrochen.“

Sie begrüße deshalb die Initiative des Schöffenrates, Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens an den Brennpunkten der Hauptstadt einzusetzen. „Solange diese Leute ihre Befugnisse nicht überschreiten, habe ich damit absolut kein Problem“, fährt die Ladeninhaberin fort. Tatsächlich hofft sie darauf, dass die Präsenz der Sicherheitsbeamten Wirkung zeigt und abschreckend wirkt.

„Und das soll auch so bleiben“

Ähnlich sieht es auch die Empfangsdame eines Hotels im Bahnhofsviertel. Wegen ihrer Arbeit müsse sie manchmal ganz früh oder spät in der Nacht durch das Viertel laufen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn: Nach Einbruch der Dunkelheit traue sie sich nur noch im Laufschritt durch die Straßen. „Immer wieder kommt es vor, dass mich zwielichtige Männer ansprechen. Manchmal folgen sie mir auch, reden immer weiter auf mich ein, ich soll doch noch auf ein Gläschen mit zu ihnen nach Hause oder so“, berichtet die attraktive Hotelangestellte von den schlüpfrigen Angeboten ihrer fragwürdigen Verehrer.

Noch sei nichts passiert. „Und das soll auch so bleiben“, so die Französin. „Immer wieder hört man, wie sicher Luxemburg doch sei. Dass man auch als junge Frau nachts noch problemlos durch die Straßen gehen kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wirklich einmal etwas ganz Schlimmes passiert“, befürchtet sie. Auch sie könne der Entscheidung des Schöffenrates nur Gutes abgewinnen. Die Kritik lasse sie hingegen kalt: „Von denen muss nachts niemand durch die rue de Strasbourg und angrenzende Straßen“, sagt die junge Frau und schüttelt energisch den Kopf. Für sie seien die privaten Sicherheitsbeamten nichts anderes als eine zusätzliche Sicherheitsquelle. „Schade nur, dass um 23 Uhr bereits wieder Dienstschluss ist“, schlussfolgert sie.

„Die rue de Strasbourg ist längst schon ein rechtsfreier Raum. Auf offener Straße wird hier mit Drogen gehandelt, während Abhängige und Obdachlose in unseren Hauseingängen schlafen oder Schlimmeres tun“, berichtet ein älterer Mann. Seit 46 Jahren wohne er in der rue Adolphe Fischer, berichtet der Rentner stolz. Das Bahnhofsviertel sei noch immer „ein heißes Pflaster“ gewesen, erinnert er sich. „Doch noch nie war es so schlimm wie in den letzten Jahren. Die Polizei bemüht sich auch nach allen Kräften. Doch was soll sie auch ausrichten …“, so der Mann etwas resigniert.

Man wisse doch um die Engpässe beim Personalbestand. „Und auf der anderen Seite rücken immer wieder Kriminelle nach. Wird ein Drogendealer verhaftet, warten an der nächsten Straßenecke zehn neue“, fährt der dreifache Familienvater fort. Gleich mehrmals betont er, dass die Polizei durchaus Präsenz zeige und auch viel Engagement. „Die Beamten können nicht überall gleichzeitig sein. Hier passiert täglich etwas. Nach einer Verhaftung sind die Polizisten dann mehrere Stunden mit dem Fall beschäftigt“, so der Anwohner. Während dieser Zeit fehlten die Beamten wiederum auf der Straße. „Dort können die Sicherheitskräfte ansetzen! Sie müssen ja nur Präsenz zeigen, beobachten und auch mal abschrecken.“

In aller Öffentlichkeit ein Schuss

„Mit mehr Security fühlt man sich vielleicht auch sicherer“, mutmaßt Claudine. Seit vier Jahren wohnt die Familienmutter mit Mann und Tochter in Bonneweg. Größere Probleme mit Kriminellen habe sie in dieser Zeit noch nicht gehabt. „Auch wenn die Obdachlosen relativ aufdringlich werden können“, so die junge Frau. Regelmäßig komme es vor, dass diese in Bonneweg an den Türen klingeln. Drogenabhängige hingegen hielten sich vor allem in der kleinen Gasse neben der Fußgängerbrücke auf, die das Viertel mit dem Bahnhof verbindet. „Vor den Augen der Passanten setzen sie sich dort ihren Schuss“, berichtet die Mutter.

Das Drogengeschäft hat sich inzwischen auch auf die Passerelle verlagert
Das Drogengeschäft hat sich inzwischen auch auf die Passerelle verlagert Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Am Anfang habe ich mir noch Sorgen gemacht, vor allem wegen meiner Tochter im Teenageralter. Eigentlich hatten wir aber nie ein Problem. Auch weil unsere Tochter das Bahnhofsviertel von sich aus mied“, erinnert sich Claudine. Inzwischen aber gingen auf der Fußgängerbrücke in Richtung Bahnhof viele Dealer ihrem Geschäft nach. „Was wiederum zahlreiche Kunden anzieht – etwas, das auch nicht unbedingt angenehm ist“, so die junge Frau. Die Präsenz von privaten Security-Beamten könnte Abhilfe schaffen. „Bleibt nur die Frage, ob die Szene dann nicht in Richtung Bonneweg flüchtet.“

Dort wohnt auch Jasmine mit ihrer achtjährigen Tochter. „Sie ist inzwischen regelrecht traumatisiert“, berichtet die junge Mutter. Deshalb werde sie im Frühjahr auch ausziehen. Das Problem: In ihrer Straße werde jeden Tag offen mit Drogen gehandelt. „Im Winter ist es zwar etwas ruhiger, da es kälter ist, doch im Sommer lungern die Konsumenten in unserer Straße umher und setzen sich in aller Öffentlichkeit ihren Schuss“, erzählt Jasmine. Und sie bezweifele, dass ein privater Sicherheitsdienst in dieser Hinsicht helfen könne.

Es sei schade, dass keine andere Lösung in Sicht sei, so die junge Frau. „Eine Fußstreife wird wohl auch nichts bringen“, fährt sie resigniert fort. Die Polizei sei zwar immer zur Stelle, wann man sie rufe. „Doch sind die Betroffenen bis dahin längst verschwunden.“ Die Polizei in Bonneweg habe ihr auch bereits versprochen, öfter vorbeizufahren. Doch liegt die rue de la Rotonde auf der Grenze zum Bahnhofsviertel, wo wiederum die Beamten des Bahnhofskommissariats agieren. „Nein, ich denke nicht, dass das Problem mit einer privaten Patrouille gelöst wird“, schlussfolgert Jasmine. „Vielleicht ist es aber auch eine Wahl, wenn man in einem solchen Viertel lebt. Dass man dann auch mit solchen Umständen klarkommt …“

„Ich bevorzuge Leute vom Fach“

Zweifel daran, dass ein privates Sicherheitsunternehmen das Problem in den Griff bekommt, hat auch Sarah. Sie lebt zurzeit in Bonneweg, hat aber auch eine Zeit lang im Bahnhofsviertel gewohnt. Sie weiß also, wovon sie spricht. Vor allem, wenn sie von der regen Polizeipräsenz im „Garer Quartier“ berichtet. Dort habe sie sich auf jeden Fall sicher gefühlt. Auch nachts, wenn sie mit ihrem Flocki mal rausmusste. „Jetzt aber in Bonneweg fällt es auf, dass sich immer mehr Abhängige auf den Kaltreis verirren und dort sogar an den Häusern klingeln“, so die junge Frau.

Sie kann nachvollziehen, dass sich vor diesem Hintergrund vor allem ältere, alleinstehende Menschen nicht mehr sicher fühlten. „Ich wünschte, die Polizei würde hier in Bonneweg eine ähnlich hohe Präsenz zeigen wie im Bahnhofsviertel“, fährt Sarah fort. Die Betonung liege aber auf dem Wort „Polizei“. „Es müssten mehr Polizeibeamte eingesetzt werden. Menschen mit einer Ausbildung, die geschult sind in Konfliktprävention und Mediation“, so die junge Frau.

Bei privaten Sicherheitsunternehmen habe sie hingegen ihre Zweifel, dass die Mitarbeiter den Anforderungen im Feld gerecht werden könnten. Dorffeste und Einkaufszentren hielten andere Herausforderungen parat für Security-Beamte wie jene, die sie nun im Drogenmilieu antreffen. Ihr Fazit: „Eine private Sicherheitsfirma? Das muss nicht sein. Ich bevorzuge Leute vom Fach. Also auch Streetworker oder verbesserte Auffangeinrichtungen.“

Antoine
4. Dezember 2020 - 16.04

Ech hunn haut an enger aaner Zeitung gelies, datt d'Police giff elo nuets Juegd maachen op Leit, déi d'Ausgangssperr net respektéieren. Also mussen déi vun der Security op der Gare an der Staadt opraumen.

Nomi
4. Dezember 2020 - 15.54

Wann d'Police seit mei' wei' 30 Johr de Problem net an de Greff kritt, dann hun all di Policeminister an Policedirekteren naicht gedaacht, an dann ass et gerechtfaedegt eppes aanescht ze probei'eren !

Manuel
3. Dezember 2020 - 17.12

Ein ungewohntes Bild. Wann sieht man denn reguläre Polizisten mit Hund? Sofern diese Hunde auch richtig ausgebildet sind - z.B. Erschnüffeln von Drogen oder (Falsch)Geld - kann sich die Sache sehr wohl als von grösstem Nutzen herausstellen, und nebenbei die reguläre Polizei (ohne Hund) ganz alt aussehen lassen

Patrick W.
3. Dezember 2020 - 14.21

Den Här Kox hat sech medial licht "aufgebauscht" !