JustizEin spezielles Gesprächsangebot: Wenn Opfer und Täter einer Straftat miteinander reden

Justiz / Ein spezielles Gesprächsangebot: Wenn Opfer und Täter einer Straftat miteinander reden
Kriminologin Jessica Luisi: „Ich hatte das tiefe Gefühl, dass die Aussprache beiden Seiten etwas gebracht hat“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Opfer einer Straftat leiden, Täter mitunter auch. Miteinander reden könnte helfen. Eine Art Wiedergutmachung durch Dialog, nicht durch Vergeltung. Die restaurative Justiz in Luxemburg zielt darauf ab. Bei Sejure geht es um Seelenfrieden und darum, Täter vor Rückfälligkeit zu bewahren.

Reden hilft. Das gilt besonders für Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind. Es gilt aber auch für Straftäter. Letztere plagt mitunter ein schlechtes Gewissen, ein Unverständnis über ihre Tat. Die Opfer leiden, lange, vor allem, wenn Gewalt im Spiel gewesen ist.

Würden Täter und Opfer miteinander reden, könnten einige Probleme beseitigt werden. Das sagt auch der „Service de justice restaurative“ (Sejure) und bietet in Luxemburg eine solche Dialogmöglichkeit an. Der Dienst, der eine Konvention mit dem Justizministerium hat, stellte sich Ende vergangenen Jahres anlässlich einer Konferenz genauer vor. Operationell ist Sejure aber bereits seit Mitte 2021, seit Jessica Luisi die Leitung übernommen hat.

Die Kriminologin gewährt Einblick in die Arbeit ihres achtköpfigen Teams. An einem Gerichtsprozess Beteiligte, Opfer wie Täter, könnten Bereitschaft zu einem Austausch mit der Gegenseite zeigen und die Hilfe von Sejure in Anspruch nehmen. Der erste Kontakt erfolgt über Telefon, Mail oder Brief.

Begegnung als Ziel

Die Mitarbeiter des Dienstes nehmen dann Kontakt zur Gegenseite auf und informieren sie über die Möglichkeit des Dialogs. Wenn diese definitiv ablehnt, wird das Dossier geschlossen. Willigen aber beide Seiten ein, kommt es zunächst zu Einzelgesprächen. Ziel kann es sein, dass es zu einer Begegnung von Opfer und Täter kommt. Wird eine Begegnung ins Auge gefasst, so wird diese gut vorbereitet. Die ganze Prozedur könne schon mal bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen, so Jessica Luisi.

Sie und ihre Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. Konkrete Fälle erfährt man nicht. Jessica Luisi erzählt aber, was sie bei der Begegnung von dem vom Täter gewünschten Treffen mit dem Opfer gefühlt hat: „Ich hatte das tiefe Gefühl, dass die Aussprache beiden Seiten etwas gebracht hat. Das zu erreichen, ist auf jeden Fall einen Versuch wert.“

Seit einem Beschluss des Europaparlaments vor zehn Jahren gibt es in der EU viele Formen von restaurativer Justiz. In Luxemburg gehe es viel um Gefühle, um das Sicherheitsgefühl beim Opfer zum Beispiel oder um die Einschätzung, die der Täter von sich hat, so die Kriminologin. Es gehe nicht unbedingt, wie stellenweise im Ausland, um materielle Wiedergutmachung. Restaurative Justiz sei keine Alternative zur Strafjustiz oder Gefängnisstrafe. Sie ergänze Strafmaßnahmen, ersetze sie aber nicht, sagt Jessica Luisi.

Es gehe um Kommunikation, nicht unbedingt um Therapie, wobei die Gespräche durchaus therapeutischen Wert haben könnten. Es gehe besonders um Seelenfrieden, um Abschließen, aber auch darum, den Täter vor Rückfälligkeit zu bewahren, so Luisi. 

Gesetzesanpassung

Die Kriminologin weist aber auch auf die Grenzen ihres Dienstes hin und darauf, dass in verschiedenen Fällen ein Psychologe nötig sei. Grenzen gibt es bisher auch aufgrund der Rechtslage. In Luxemburg wird eine Methodik nach belgischem Recht auf Basis einer französisch geprägten Gesetzgebung angewandt. Das stimme nicht immer überein. Deshalb sei eine Gesetzesanpassung nötig, so Jessica Luisi.

Zum Beispiel, um an benötigte Adressen zu kommen, aber auch um das Prinzip der Freiwilligkeit zu stärken. In dem Sinne liefen die Gespräche und die Zusammenarbeit mit Justizministerium und Staatsanwaltschaft gut, sagt Luisi. Die Arbeit von Sejure sei willkommen. Auch beim „Service central d’assistance sociale“ (SCAS), der sie als wichtig und komplementär ansehe.

Kontakt

87, route de Thionville, L-2111 Luxembourg, sejure@mediation.lu, Tel.: 27 48 34 64
Die Dienste von Sejure sind völlig kostenlos  – und anonym.

Versuch einer Wiedergutmachung durch Dialog
Versuch einer Wiedergutmachung durch Dialog Foto: Editpress/Hervé Montaigu

JJ
12. Januar 2023 - 9.02

" Die Metzger und die Schweine müssen sich zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung finden." ( U.Priol ) Wieviele Vergewaltigte sehnen sich danach mit ihrem Peiniger zu reden? Wer möchte mit dem Mörder seines Angehörigen "seelsorgen"? Mal wieder etwas Neues.Das ist wie Beten.Es nützt nichts,aber es kann beruhigen.