Mouvement patrimonial: Ein neuer Verein kämpft für den Denkmalschutz in Luxemburg

Mouvement patrimonial: Ein neuer Verein kämpft für den Denkmalschutz in Luxemburg

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2018 hatte ein wichtiges Motto: Im „Europäischen Jahr des Kulturerbes“ ging es um die Bedeutung von „Patrimoine“, seinen Wert für die Gesellschaft und die Bedeutung als historisches Gewissen. Die Realität sieht jedoch vielfach anders aus, wie das „Mouvement patrimonial – eng Initiative fir den Denkmalschutz“ aufzeigt.

Lesen Sie zum Thema auch den Kommentar „Denkmalpflege: Schutz oder nicht oder doch“.

Von André Feller

„Eise kulturelle Patrimoine gehéiert zum Fundament vun eiser Gesellschaft. Dofir musse mer e fir déi nächst Generatiounen erhalen a valoriséieren.“ Das betont Staats- und Kulturminister Xavier Bettel auf patrimoine2018.lu. Mit der Bekräftigung der kulturellen Einheit Europas und der Sensibilisierung für Geschichte und gemeinsame Werte hatte sich diese vom Europäischen Parlament und Rat beschlossene Initiative u.a. das Ziel gesetzt, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Immerhin hängen nach Angaben der Europäischen Kommission in der EU rund 7,8 Millionen Arbeitsplätze indirekt mit dem Kulturerbe zusammen.

Foto: „A Kiemerten“ in Kehlen. Die Gebäude in der rue du Kiem stammen aus der Zeit von 1850-1870. Die Gemeinde will sie nicht schützen. Dennoch läuft nach Angaben des „Mouvement patrimonial“ seit dem 21. September 2018 ein Antrag auf Denkmalschutz.

Dazu gehören sowohl immaterielle als materielle Kulturgüter wie auch historische Bauten, Denkmäler und Orte.Die Sensibilisierung der Bürger ist geglückt. Beim Abriss erhaltenswerter Bauten lassen Aufschrei und Protest nicht lange auf sich warten. Politik und Akteure der Immobilienbranche scheinen die Botschaft zur Erhaltung des Kulturerbes dagegen nicht verstanden zu haben.Stattdessen befürworten Bauherren und politische Entscheidungsträger größtenteils eine hohe Baudichte. Der Respekt vor historischen Bauten kommt hingegen zu kurz.

Dieser Eindruck verfestigt sich zumindest bei der Sichtung der Fotos und Dokumentationen, die das kürzlich gegründete „Mouvement patrimonial – eng Initiative fir den Denkmalschutz“ auf Anfrage zum Thema zur Verfügung stellt. Das hatte sich schon kurz nach Gründung der Asbl am 1. September 2018 angedeutet. „Unglücklicherweise braucht vor allem das Patrimoine an Gebäuden in Luxemburg mehr denn je Verteidigung und Schutz“, schreibt der frisch gebackene bürgerschaftlich organisierte Denkmalschutzverein Mitte November zu seiner Existenzberechtigung.Der Vorsitzende Paul Ewen blickt auf ein niederschmetterndes Jahr des Kulturerbes zurück. Und auch die Zukunft sieht nicht rosiger aus. Neue Gesetze zum Denkmal- und Bautenschutz lassen lange auf sich warten. Das Resultat ist, dass gerade das Kulturgut in Form von historischen Gebäuden schneller und breitflächiger zerstört wird, als das in den beiden Weltkriegen der Fall war, so Paul Ewen, der im Interview auf viele unerledigte Aspekte zum Thema hinweist.

Tageblatt: Herr Ewen, welche Möglichkeiten sieht die aktuelle Gesetzeslage zum Schutz erhaltenswerter Gebäude vor?
Paul Ewen: Die Gesetzgebung von Juli 2011 über die Ausarbeitung der Flächennutzungspläne sieht ausdrücklich vor, dass die Kommune bei der Erstellung oder Änderung eines PAG ihr Bauerbe zu erhalten hat.Die einzige Möglichkeit aber, ein Gebäude ausdrücklich unter Denkmalschutz zu stellen, besteht auf nationaler Ebene in der Anwendung des Gesetzes von 8. Juli 1983 („Loi concernant la conservation et la protection des sites et monuments nationaux“). Eine nationale Kommission der staatlichen Denkmalschutzbehörde (Cosimo) gibt dabei ein Gutachten an den Kulturminister ab, der erst dann über die Erhaltung entscheidet.

Das hört sich doch gut an. Warum hapert es trotzdem?
Zu erwähnen ist, dass in den vergangenen fünf bis sechs Jahren das Denkmalschutzamt in Zusammenarbeit mit den Gemeinden ein Inventar schützenswerter Gebäude erstellt hat. Diese Auflistung ist jedoch weder öffentlich einsehbar noch bietet sie den Gebäuden einen Schutz vor der drohenden Abrissbirne. Auch mischt sich die Behörde bei der Erstellung neuer PAGs kaum in die Autonomie der Gemeinden ein. Derzeit sind 75 Prozent der neuen Flächennutzungspläne noch immer nicht fertiggestellt und deshalb zahlreiche Gebäude bedroht. Die Entscheidung, ob abgerissen wird oder nicht, liegt, wenn die Gebäude nicht national geschützt sind, in der Hand der jeweiligen Bürgermeister.

 

Foto: Savelborn, Gemeinde Waldbillig, in der Touristenregion Müllerthal: Diese Scheune mit Giebel aus dem 19.Jahrhundert ist zu Gunsten der Verbreiterung der Straße abgerissen worden.

Inwiefern muss sich das Bewusstsein ändern?

Das Kulturerbe in Form von Gebäuden muss als Chance und Teil der Kultur anerkannt werden und der Staat zur Erhaltung dieses Erbes verpflichtet werden. Das architektonische Erbe ist Teil einer Kultur, einer Gesellschaft und der Spiegel der handwerklichen Kunst zu der Zeit. Während Kunst durch Fonds und Spendengelder unterstützt wird, gibt es für historische Architektur und Handwerk nichts. Hier besteht Nachholbedarf.

Warum ist das so wichtig?
Das gebaute Erbe ist Teil unseres Alltags, wir leben und arbeiten in Gebäuden und begegnen Architektur und Baukunst im öffentlichen Raum auf Schritt und Tritt. So wie in Frankreich wünschen wir uns die Anerkennung historischer Architektur und alter Handwerkerberufe. Dabei darf man auch den wirtschaftlichen Aspekt, sprich Tourismus, nicht unterschätzen. Ein Land ohne Kulturerbe lockt keine Besucher an.


Das Gesetz und der Wunsch

Ob der Wunsch des „Mouvement patrimonial“ nach einem effizienten Denkmal- und Bautenschutzgesetz in Erfüllung geht, steht derzeit in den Sternen. Der Bauten- und Denkmalschutz ist sehr wohl Bestandteil des Koalitionsprogramms der neuen Regierung. Jedoch lassen die Formulierungen im betreffenden Abschnitt viel Interpretationsspielraum, wie aus dem Text hervorgeht:

Protection du patrimoine culturel (Auszug aus dem Koalitionsprogramm):
„La réforme de la loi sur la protection des sites et monuments nationaux, qui a été entamée pendant la législature précédente, sera finalisée. L’établissement de critères scientifiques, objectifs et transparents, qui sont conformes aux conventions et standards internationaux sera promu, permettant de simplifier et d’accélérer les procédures tout en assurant la protection du patrimoine architectural, archéologique, mobilier, immatériel et culturel dans toutes ses formes. Par ailleurs, la valorisation du patrimoine culturel et la sensibilisation du grand public à ce sujet seront promues. Entre autres, une carte numérique sera établie, par laquelle le grand public pourra facilement se renseigner sur tous les objets classés. Il sera veillé à ce que les instituts culturels ainsi que les administrations publiques disposent des moyens adéquats afin de pouvoir accomplir au mieux leurs missions. Au vu des richesses culturelles et historiques qui se trouvent dans des collections privées, les personnes souhaitant faire don de leurs collections à une institution culturelle de l’Etat seront soutenues. A cette fin les mécanismes de soutien du Fonds culturel national (Focuna) seront revus et si nécessaire adaptés. La culture industrielle et mémorielle sera également soutenue.“


Welches sind Ihre Forderungen an die Politik?
Am wichtigsten ist ein nationales Inventar mit Schutzkraft und landesweiten, wissenschaftlich fundierten einheitlichen Kriterien für jede Gemeinde. Auch in Sachen Nachhaltigkeit und sparsamer Umgang mit Ressourcen, sprich Baumaterialien, sowie der Problematik der Bauschuttdeponien gilt es den Erhalt von geschichtsträchtigen Gebäuden zu fördern. Die Erhaltung der Baukultur muss als Allgemeinwohl im öffentlichen Interesse anerkannt werden.

Was sind die Schwerpunkte Ihrer Vereinigung?
Im Vergleich zu anderen Gruppierungen ist uns die finanzielle Komponente beim Schutz geschichtsträchtiger Bauten wichtig. Neben einer nationalen und kohärenten Gesetzgebung müssen die Besitzer erhaltenswerter Gebäude substanziell unterstützt statt bestraft werden. Demnach befürworten wir ein finanzielles Regelwerk bestehend aus einem oder mehreren Instrumenten.

Foto: Limpertsberg, 37, avenue Victor Hugo: Laut „Mouvement patrimonial“ gibt es für dieses pittoreske Haus weder einen kommunalen noch einen nationalen Schutz. Es soll eine „Intention de démolition“ vorliegen.

Wie soll das aussehen?
Vorstellen könnten wir uns z.B. einen Fonds, der über eine Neubau-Gebühr gespeist wird. Der Fonds könne erhaltenswerte Gebäude ankaufen, restaurieren und anschließend am Immobilienmarkt wieder verkaufen. Ein derartiges Projekt ließe sich mit einem nationalen Fonds zum Erwerb bezahlbaren Wohnraums verbinden. Solche Beispiele hat der Fonds du Logement in der Vergangenheit schon geliefert, die „Société nationale des habitations à bon marché“ (SNHBM) jedoch nicht. Ein anderer Ansatz, einen Denkmalschutz-Fonds zu speisen, wäre beispielsweise über die Nationallotterie, so wie in Frankreich oder Großbritannien. Es gibt aber noch andere Alternativen, einen Fonds zu konzipieren.

Foto: Die ehemaligen Getreidesilos bilden einen sozialgeschichtlich wichtigen Baukomplex. Sie stammen aus dem Jahr 1959 und bezeugen die Industrialisierung der Landwirtschaft in Luxemburg. Vier Monate lang standen die Gebäude auf dem „Inventaire supplémentaire“ und es gab nach Angaben des „Mouvement patrimonial“ vor Jahren Projekte, in denen das Ensemble enthalten war. Der Abriss steht laut „Mouvement“ bevor.

Was noch?
Ein zweiter Schwerpunkt liegt im öffentlichen Raum. Das gebaute Erbe ist vom öffentlichen Raum, Straßen, Bürgersteigen, Beleuchtung oder technischen Verteilerkästen umgeben. Bisher gibt es keine Koordinierung in der Gestaltung des öffentlichen Raums und so kommt es häufig zu katastrophalen Endresultaten. Elemente wie etwa moderne Geländer, Abfalleimer, Sitzbänke, Beleuchtung, elektrische Installationen oder Straßenbeläge passen meist nicht zu renovierten Altbauten. Uns ist es wichtig, eine Verbindung zwischen allen beteiligten Unternehmen technischer Einrichtungen, der Denkmalschutzbehörde und Gemeinden zu schaffen, um in Zukunft eine Harmonie zwischen öffentlichem Raum und historischen Bauten herzustellen.

Wieso diese neue Vereinigung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes?
Nur eine einzige landesweit aktive Vereinigung reicht nicht. Gerade die lokalen und regionalen Vereinigungen können schneller vor Ort aktiv werden als nur eine landesweite Gruppe. Zudem gilt gerade in Sachen Denkmal- und Bautenschutz: je mehr Akteure, umso mehr ist das Thema in der Öffentlichkeit und umso besser lässt sich ein landesweites Netz einrichten.

 

Denkmalpflege: Schutz oder nicht oder doch