Düdelingen„D’Schmelz war eist Liewen“: Aloyse Schartz und Vic Kolb erzählen von ihrem Arbeitsalltag

Düdelingen / „D’Schmelz war eist Liewen“: Aloyse Schartz und Vic Kolb erzählen von ihrem Arbeitsalltag
Arbeiter bei den Hochöfen in den 1960er Jahren Foto: Archives de Dudelange, Fonds Jean-Pierre Conrardy

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Dort, wo in den nächsten Jahren die Bagger für das Ökoviertel „Neischmelz“ rollen werden, spielte sich der Arbeitsalltag von tausenden Arbed-Angestellten ab. Viele Düdelinger fanden dort eine Arbeitsstelle, die sie von der Lehre bis zum Rentenalter behielten. Aloyse Schartz und Vic Kolb haben dem Tageblatt von ihren Tagen „op der Schmelz“ erzählt.

Seit Juli steht auf dem Rathausplatz die drei Meter hohe Skulptur „Mam Velo op d’Schaff“: Sie stellt die Arbeiter dar, die jahrzehntelang zu hunderten bei Schichtwechsel aus dem Stahlwerk strömten und das Düdelinger Stadtbild bestimmt haben. Aloyse Schartz, Jahrgang 1933, war einer von ihnen: „Nach abgeschlossener Lehre sind wir damals zur Arbed gegangen. Das war einfach so“, erzählt der gelernte Elektriker. Nach dem Militärdienst und von 1954 bis 1990 hat er „op der Schmelz“ im Kranbetrieb gearbeitet, auch als Teamleiter.

Woanders zu arbeiten hätte sich, so Schartz, finanziell nicht ausgezahlt. Dazu sei es eine sichere Arbeitsstelle gewesen, wenn auch mit vielen Arbeitsstunden verbunden. Zu Beginn hat Aloyse Schartz 351 Tage im Jahr gearbeitet, jeden Sonntag und an allen Feiertagen. Später auf Schicht waren es 64 Stunden wöchentlich. Die Arbeitsschichten fingen jeweils um 6, 14 oder 22 Uhr an und dauerten immer acht Stunden. Dort war Schartz für Reparaturen zuständig: Wenn ein Kran eine Panne hatte, dann wurde er gerufen. „Besonders wenn es Probleme im Stahlwerk gab, herrschte Stress.“ 

Aloyse Schartz hat 35 Jahre lang auf der Schmelz gearbeitet
Aloyse Schartz hat 35 Jahre lang auf der Schmelz gearbeitet Foto: Editpress/Tania Feller

Damals hatten die Kräne keine Treppen, sondern Leitern, die gerade nach oben verliefen. Zusätzlich trug er sein Werkzeug in einem Rucksack, der mehr als 12 Kilogramm wog, auf dem Rücken, denn es war besser, alles Nötige dabei zu haben. Damals kletterten die Arbeiter an den Kränen hoch, während diese noch fuhren. „Einmal habe ich nicht aufgepasst, da ist mir ein Kran über den Fuß gefahren.“ Er verlor damals seinen großen Zeh, die restlichen konnten im Krankenhaus gerettet werden. Das war 1962, kurz nach seiner Heirat.

Kleinere Unfälle hat es öfters gegeben, doch das gehörte wohl dazu: „Wann en Elektriker keng gewéitscht kritt huet, dann ass e keen Elektriker“, meint Schartz schmunzelnd. Doch der Düdelinger erinnert sich heute noch an einen Arbeitsunfall, der tödlich ausging, als einem Schlosser ein Waggon in den Rücken fuhr.

Ein trauriger Abschied

150 Kranführer für 60 Kräne mussten auf drei Schichten verteilt werden. Bei Ausfällen mussten Überstunden gemacht werden. „Die Maschine musste besetzt werden, egal wie.“ Vor allem in der Produktion.

An den Tag im Jahr 1984, als das Stahlwerk geschlossen wurde, erinnert er sich noch genau. Besonders an die Stille. „Damals hatte ich Mittagsschicht. Als ich durch das Stahlwerk gegangen bin, war es unheimlich und mucksmäuschenstill.“ Er dachte, es sei alles vorbei. „Da habe ich geweint“, erinnert sich Schartz zurück. Heute steigen ihm noch Tränen in die Augen, als er darüber spricht.

Seitdem er in Rente ist, fotografiert und filmt er, wenn etwas Größeres in den Industriehallen passiert ist: 1986 sind etwa neue Kräne montiert worden und 2005 hat er gefilmt, als sie wieder außer Betrieb genommen wurden. Er zeigt sich enttäuscht darüber, dass auf dem Standort so lange nichts passiert. „D’Schmelz war eist Liewen an elo geschitt einfach näischt“, kritisiert Schartz. Er fände es deswegen schön, wenn ein kleines Museum auf „Neischmelz“ eröffnen würde.

An diese unheimliche Stille im Stahlwerk kann sich auch der heute 72-jährige Vic Kolb erinnern. „Das war im Jahr 2006, als ich auf die Schmelz gekommen bin. Sonst war es nie still. Das hat mich schon getroffen“, sagt der Düdelinger. Er hat 1969 als technischer Ingenieur bei der Arbed angefangen. Die Möglichkeit, in den Gemeindedienst zu gehen, hat er nicht wahrgenommen, da er dann weniger verdient hätte. Vor seiner Rente war er leitender Angestellter. Im Laufe seiner Karriere hat er zehn verschiedene Büros bezogen: vom Lokomotiven-Atelier über das Hochofen-Stahlwerk bis hin zum Zentralatelier. 15 Jahre lang hat er die Frühschicht von 6 bis 14 Uhr übernommen.

One-Woman-Show

Vic Kolb hat das Ende der Düdelinger Schmelz miterlebt
Vic Kolb hat das Ende der Düdelinger Schmelz miterlebt Foto: Editpress/Alain Rischard

Ähnlich wie Schartz hatte auch er einen Arbeitsunfall, bei dem er sich am Fuß verletzt hat. Er war zuständig für ein Team, das an einer Stelle ohne Licht gearbeitet hat, und einer der Arbeiter ist dabei in ein Loch gefallen. Kolb wollte sich die Stelle anschauen und fiel in dasselbe Loch. Dabei zog er sich einen Riss am Sprungbein zu. Die Schwere seiner Verletzung wurde erst später festgestellt: Der Unfall ereignete sich an einem 24. Dezember und am 1. April stand die OP an.

Nur wenige Frauen haben „op der Schmelz“ gearbeitet. „Wir hatten vielleicht ein halbes Dutzend Frauen in der Unternehmensleitung“, erinnert sich der zweifache Vater. Im Werksbetrieb hatten sie nur eine einzige angestellt: eine Frau aus Differdingen, die eigentlich den Friseurberuf erlernt und dann noch eine Schlosserlehre begonnen hatte. Sie konnte getrennte Sanitäranlagen und eine eigene Umkleide nutzen. „Sie wusste sich durchzusetzen“, erzählt Kolb. Wenn jemand eine dumme Bemerkung machte, gab diese Mitarbeiterin Kontra.

Dass auf den Industriebrachen ein Wohnviertel entstehen soll, findet er gut. Nur dauere alles so lange. Vic Kolb bedauert, dass heute kein Interesse für die alten Maschinen bestehe. Auch nicht für diejenigen, die in der Öffentlichkeit ausgestellt sind: „Wenn noch ein bisschen gewartet wird, ist niemand mehr da, der sagen kann, wozu die Maschinen einmal gedient haben.“


Daten und Fakten

Am 5. Juli 1882 gründen Norbert Metz, Victor Tesch und Graf René-Auguste-Anatole de Bertier den Eisenhütten-Aktien-Verein Düdelingen. Am 14. Juli 1885 wird der erste Hochofen angefeuert. Die Stahlproduktion beginnt am 15. April 1886. In der Endphase stehen im Düdelinger Werk sechs Hochöfen. Die Stahlgewinnung durch verschiedene Verfahren beläuft sich auf fast 33,5 Millionen Euro. Der 30. November 1984 bedeutet das Ende der Flüssigphase für die Düdelinger Hütte: Hochofen IV, das Stahlwerk und das Walzwerk stellen die Produktion ein. Nachdem die verschiedenen Anlagen demontiert sind, bleibt nur noch das Kaltwalzwerk. Die Belegschaft geht von über 3.000 bis auf weniger als 200 zurück. Aus der Arbed wird das „Laminoir de Dudelange“.

Arbeiter auf der Schmelz Ende der 50er oder 60er Jahre
Arbeiter auf der Schmelz Ende der 50er oder 60er Jahre Foto: Archives de Dudelange, Fonds Jean-Pierre Conrardy

Miette
11. Februar 2020 - 21.56

@Gäertner, sidd dir schons eng Keier laanscht "Demeterplantagen" iwert eng Autobunn gefuer? Neischt fier ungudd.

Gäertner
9. Februar 2020 - 16.07

@Nomi "@ Gaertner : Hudd dir nie chemeschen Duenger an soss Chemikalien an aerem Guard gespretzt ?" Selbstverständlech NET! Soss hätt ech jo direkt kéinte an de Buttek goen.

J.Scholer
9. Februar 2020 - 8.32

@ Gäertner: „Ouni d‘Schmelz keen Geméis. „ Die Eisenindustrie hat uns Luxemburger den Wohlstand in die Wiege gelegt und ohne diese , „ d‘Schmelz- an Biergarbechter, géngen mir nach hannert dem Plou laafen. „.Ohne Eisenindustrie keine Banken, keine Entwicklung eines Landes „ wou d‘Bierger Houneg em den Mond geschmiert kritt hun an net méi wessen wou se hirkommen.“Dass Umweltschutz , die Gefahren seitens der Industrie zu dieser Zeit nicht bekannt waren , wohl ein Makel dieser Zeitepoche, doch auch „ den Arbechter“ war Umweltgiften, Staub ausgesetzt und trotzdem ihr Stellenwert in unserer Geschichte ist einzigartig , waren sie es die für alle Bürger den Wohlstand erschaffen, „ och wenn déi besser Dammen an Häeren , Bürosfritzen et net gäeren héieren hun“ , dem Arbeiter gehört unser größter Dank.

J.Scholer
9. Februar 2020 - 8.24

@ Gäertner: „Ouni d‘Schmelz keen Geméis. „ Die Eisenindustrie hat uns Luxemburger den Wohlstand in die Wiege gelegt und ohne diese , „ d‘Schmelz- an Biergarbechter, géngen mir nach hannert dem Plou laafen. „.Ohne Eisenindustrie keine Banken, keine Entwicklung eines Landes „ wou d‘Bierger Houneg em den Mond geschmiert kritt hun an net méi wessen wou se hirkommen.“

Miette
8. Februar 2020 - 22.26

Ouni d'Schmelz hätten mer eis deemols hei am Land net iwer Waasser gehaalen. Ech hun och een klenge Gaart, do gett just Natur pur ugebaut, awer ech kann et net verdammen, datt eis Schmelz villen Familljen d'Iwerliewen ermeiglecht huet. Daat geheiert zu eisem klengen Land.

Nomi
8. Februar 2020 - 17.20

@ Gaertner : Hudd dir nie chemeschen Duenger an soss Chemikalien an aerem Guard gespretzt ? Domadder hudd dir iech mei' selwer vergeft wei' den Steps vun der Schmelz demols. Haut ass et allerdengs mei' schlemm bei enger Schmelz, mee mir hun jo keng Schmelz mei' !

Gäertner
8. Februar 2020 - 12.45

Schéi fir si. Mä hir Firma huet eist Geméis am Gaart wärend Dekade verseucht an ni ass och nëmmen ee roude Sou Kompensatioun ausbezuelt ginn.