Die RAF hatte Luxemburg im Visier

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Vor vierzig Jahren, im Herbst 1977, trieb die zweite Generation der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) in Deutschland ihr Unwesen. In einer blutigen Serie, die als „Deutscher Herbst“ in die Geschichte eingehen sollte, kidnappte die linke Terrororganisation am  5. September Hanns Martin Schleyer, damaliger Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Industrie (BDI), bevor etwa ein Monat später im Auftrag der RAF ein Lufthansa-Jet von der „Popular Front for the Liberation of Palestine“ (PFLP) entführt wurde.

Die Terroristen wollten so die Befreiung der ersten RAF-Generation erreichen: Die deutsche Regierung sollte mit den Geiselnahmen erpresst werden. Die Gründermitglieder der RAF saßen zu dem Zeitpunkt in einem Hochsicherheitsgefängnis in Stammheim ihre Strafe ab und waren in ständigem Kontakt mit ihren Nachfolgern. In der neusten Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel wurde das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock interviewt. Boock nahm an den damaligen Aktionen teil und wurde ein paar Jahre später festgenommen. 1998 kam er frei.

Fake-Journalistin auf dem Kirchberg

Im Interview gibt der Ex-Terrorist ein brisantes Detail preis: Die RAF hatte es auch auf Luxemburg abgesehen. Damals trafen sich die Innenminister der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Vorgänger der EU, regelmäßig auf dem Kirchberg. Nach der Entführung von Schleyer sollten die EWG-Innenminister in Luxemburg als Geiseln genommen werden. Dadurch sollte laut Boock der damalige deutsche Kanzler Helmut Schmidt in die Enge getrieben werden: „Wir spekulierten darauf, den Angriff auf eine internationale Ebene auszuweiten, auf der Schmidt nicht mehr hätte allein entscheiden können“.

RAF-Mitglied Silke Maier-Witt, die bei der Terrororganisation vor allem für Informationsbeschaffung zuständig war, wurde für die Ausspähung mit einem gefälschten Presseausweis als Journalistin in Luxemburg eingeschleust. Laut Boock sei sie sogar in den Konferenzsälen gewesen. „Die Etage darunter war für die Öffentlichkeit zugänglich“, so Boock weiter. Der Plan sei durchaus umsetzbar gewesen: „Theoretisch wäre das gegangen“.

Es kam schließlich nicht dazu, weil die RAF-Mitglieder außer Landes flüchten mussten. Die „palästinensischen Freunde“ der RAF, wie Boock es formuliert, kamen ins Spiel und schlugen einen alternativen Plan vor: die Entführung des Lufthansa-Jets. So nahm die Geschichte ihren Lauf und das damals ahnungslose Luxemburg wurde von der Roten Armee Fraktion verschont.

Gipseinsumpfer
29. August 2017 - 20.51

Der Schleyer war meiner Kenntnis nach Mitglied der CDU! .. Das die Zeit des 3.Reichs Betreffende ist dann wohl einem anderen Sein von Staat zuzuordnen! .. Man muss wohl, um objektiv zu bleiben, einem Individuum auch zugestehen, dass es sich in seinem Rechtsempfinden ändert und mit christlich-demokratischen Idealen und Geboten Gutem dienen will und dass er dies nicht nur aus taktischen Erwägungen tut, wie es wohl bei manchem sakramentischem Sakramenter der Fall sein mag.(Beweise sind aber immer vorzulegen!) .. Mir ist der ganze, bis heute in alle politischen Gruppierungen hineinwirkende, anarchistische Hype, der von einem Vorfall in der Krummen Straße seinen Anfang nahm, einfach suspekt, denn der anarchistische Laden "Krumme Straße" ist insolvent, er war nie etwas anderes als ein anarchistischer Laden, ob mit Dutschke oder anderen und ich seh' nicht ein, warum ich mich, wie auch immer, darauf zwangsverpflichten lassen soll, widerstandslos zu allem fähige angeberische Bankrotteure und die Bedürfnisse ihrer "politischen" Profilsucht zu bedienen!

mauerläufer
29. August 2017 - 18.41

Mit Verlaub, c.kremer: Genau das gleiche kann man, mit umgekehrten Vorzeichen, über die DDR sagen: "Es war ihren Gründern und ihren Gönnern (Sowjetunion, sozialistische 'Bruderstaaten') wichtiger stramme Kommunisten als einwandfreie Politiker einzusetzen. Nur dadurch konnten Leute wie Ulbricht und Konsorten an die Macht kommen. Auch die neu gegründete Volksarmee war von unbehelligten früheren Wehrmachtleuten durchsetzt. Genauso wie Justiz, Polizei und Staatssicherheit." Wie gesagt: "Andere [gab's] ,nicht".

c.kremer
29. August 2017 - 11.46

Die BRD litt unter dem Geburtsfehler eine 'schmutzige' Republik zu sein. Es war ihren Gründern und ihren Gönnern (USA, GB und F) wichtiger stramme Anti-Kommunisten als einwandfreie Politiker einzusetzen. Nur dadurch konnten Leute wie FJS und Konsorten an die Macht kommen. Auch die neu gegründete Bundeswehr war von unbehelligten früheren Wehrmachtleuten durchsetzt. Genauso wie Justiz, Industrie und Finanzen.

Student
29. August 2017 - 0.18

Wie schon gesagt, "Der Schein kann trügerisch sein." (David Hume)

Schleierhaft
28. August 2017 - 18.42

Wenn man Ihren Einwand bezgl. Politiker und Entscheider mit NS-Vergangenheit auf heutige Verhältnisse anwendet, wäre für jeden aufrechten Demokraten ein bewaffneter, zumindest aber ein mit härtesten Bandagen geführter Kampf gegen die "Berliner Republik" ebenfalls legitim, da sich gut 25 Jahre nach Ende der DDR immer noch viele Ex-SEDler, Stasileute und IMs in den oberen Etagen der Macht herumtreiben. Konrad Adenauer hatte es seinerzeit m.E. in der ihm eigenen, pragmatischen Art auf den Punkt gebracht. Auf die vielen NS-belasteten Mitarbeiter in den Ministerien der jungen BRD angesprochen, sagte er: "Andere gibt's nicht." Und erst wenige Jahre nach dem Ende des III. Reiches, das ja nur funktionieren konnte, weil eben praktisch jeder einigermassen brauchbare Beamte auf die eine oder andere Weise mitgemacht hatte, spiegelte dieses Bonmot zweifellos nur die Realität wider. Ich gebe Ihnen insofern recht, als eine Aufarbeitung dieses Dilemmas in den 60ern und 70ern tatsächlich nicht stattgefunden hatte. Darin aber schon eine Legitimation für Terror, Anschläge und Morde zu sehen - tut mir leid, nicht mit mir.

Jeannosch
28. August 2017 - 14.40

Kann man den Staat als freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat bezeichnen, wenn zur damaligen Zeit, in allen Führungsetagen NS Täter saßen? Ich glaube nicht ,dass das einem demokratischen Staat würdig war. Die Täter blieben unbehelligt, was einer Verhöhnung der Opfer gleich kam.Was nun die Kolateralschäden betrifft habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, Beispiel die IRA ,die den Bürger anvisierte ,um gezielt die höchstmögliche Anzahl an Toten zu erlangen. Den Begriff Kolateralschäden habe ich bewußt gewählt, entschuldigt die freiheitlich, demokratische Welt doch gerne so den Tod Unbeteiligter durch die Hand ihrer Militärs.

Schleierhaft
28. August 2017 - 13.00

Der "Kollateralschaden war gering"? Wenn Sie selbst oder einer Ihrer Angehörigen demnächst auf einem Volksfest oder in der U-Bahn Opfer einer Terrorattacke werden, wird Ihnen das Menschenverachtende Ihrer Argumentation sicher klarwerden. Ihre Verklärung einer RAF zu einer "Widerstandsorganisation" entspricht nämlich nahtlos den Sprüchen heutiger Terroristen, die bekanntlich auch nur ihre Religion gegen die "Kreuzfahrernationen" verteidigen. Gegen was genau leisteten Baader, Ensslin und Co übrigens "Widerstand"? Gegen den freiheitlichsten und demokratischsten Rechtsstaat, der bis dahin auf deutschem Boden bestanden hatte? Gegen die böse "Konsumgesellschaft"? Immerhin begannen sie ihre Karriere ja als "Kaufhausbomber". Ist sozialistische Mangelwirtschaft mit stundenlangem Anstehen für Altbrot und einlagiges Toilettenpapier aber wirklich so sehr wünschenswerter? Andreas Baader, der in einem auberginefarbenen Porsche verhaftet wurde, hatte diese Frage rein für sich selbst offenbar beantwortet...

Jeannosch
28. August 2017 - 11.20

@Schleierhaft: Die RAF war ein Produkt einer Gesellschaft die den Generationskonflikt noch ihre Vergangenheit bewältigt hatte.Die Kolateralschäden bei Attentaten der RAF waren gering, wobei bei der IRA,....usw. es bewusst den Bürger treffen sollte.Auch wenn Gewalt nicht zu befürworten ist, sollte man differenzieren wenn man die Geschichte von Widerstandorganisationen analysiert.Ob dies den Widerstand der Resistenz, in Südamerika, andere Freiheitskämpfe betrifft.

Schleierhaft
28. August 2017 - 9.29

Nur "Leitfiguren" des "Schweinesystems"? Und was ist mit den "beiläufig" ermordeten Fahrern, Leibwächtern und Polizisten? Mit dem willkürlich ausgewählten GI, der bloss sterben musste, um an seinen Dienstausweis zu gelangen? Mit all den bei Bombenattentaten (etwa bei der Springerpresse oder in US-Kasernen) Verletzten und Traumatisierten? Die RAF war keine "Volksarmee", sondern ein Hort von Spiesserkindern auf dem Gewalt- und Anarchotrip. Und Andreas Baader kein selbstloser "Freiheitskämpfer", sondern ein billiger Proll mit Vorliebe für Porsche und Designerklamotten

Epikur
28. August 2017 - 9.14

Der "Bommeleeër" war vielleicht vom Staat gedeckt; die RAF hatte es auf den Staat abgesehen. Das sind 2 verschiedene Ideologien. Es ist natürlich Spekulation, aber eine Verbindung schent mir unwahrscheinlich.

Jeannosch
28. August 2017 - 7.57

@Früher war mehr Lametta: Wer sich mit der RAF beschäftigt, kommt sehr schnell zur Erkenntnis , der RAF Terror war nur gegen Leitfiguren des kapitalistischen Systems gerichtet. Gezielt hat die RAF nie Attentate gegen normale Bürger ( im Vergleich zur IRA,IS,....)verübt.So wurde Schleyer als Opfer ausgewählt, weil er eine leitende Funktion im kapitalistischen Systems hatte, aber auch seiner Vergangenheit wegen.Ehemals SS Mitglied, verkörperte dieser Umstand für viele Kinder der Nachkriegsgeneration, daß viele Nazis seit Ende des Krieges weder zur Rechenschaft gezogen wurden, wieder hohe Ämter bekleideten, die sie während der NS Zeit innehatten.Die RAF war auch ein Produkt einer Gesellschaft, die ihre Geschichte verdrängte, nie aufarbeitete. Wo Verantwortliche wie Mitläufer eines verbrecherischen Systems nie zur Rechenschaft gezogen wurden.Eine Minorität wurde zu lächerlichen Strafen verurteilt, Dank des Kalten Krieges rehabilitiert , waren diese NS Gesellen der beste Garant des Westens dem Kommunismus entgegen zu treten.

Früher war mehr Lametta
28. August 2017 - 0.32

Und was war mit den Bommeleer, war da nicht auch eine Verbindung zu denen? Herr Thoma haben Sie da was übersehen?