Corona und ArbeitsweltDie Idee, in Luxemburgs Bausektor bevorzugt zu impfen, stößt eher auf Skepsis

Corona und Arbeitswelt / Die Idee, in Luxemburgs Bausektor bevorzugt zu impfen, stößt eher auf Skepsis
Dreck, Lärm, Stress, Schweiß – und dann noch Corona in Schach halten: Das muss bisher auch ohne Impfung funktionieren Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Eine Studie zu den Massentests in Luxemburg hat gezeigt, dass Angestellte im Baugewerbe besonders oft von Infektionen betroffen waren. Die Idee der Forscher, die entsprechende Berufsgruppe darum bevorzugt zu impfen, stößt aber trotzdem nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Eine umfassende Untersuchung der ersten Phase des Large Scale Testing in Luxemburg (das Tageblatt berichtete) hat unter anderem gezeigt, dass der Bausektor besonders von Infektionen getroffen war: „Während der […] Epidemiewelle war die Prävalenz im Bausektor signifikant höher als in den anderen Sektoren“, heißt es in dem Papier, das zur Veröffentlichung im Fachmagazin Lancet ansteht. Im Bausektor seien im beobachteten Zeitraum 1.390 Fälle pro 100.000 Einwohner festgestellt worden – während der Durchschnitt über alle anderen Sektoren bei 698 Fällen lag. Ein Höhepunkt der Prävalenz sei am 24. Juli mit 87,7 infizierten Personen pro 100.000 Einwohner erreicht worden. Weitere Spitzen gab es in den Wochen ab dem 27. Juli und 24. August – „wobei letztere mit dem Ende der Betriebsferien in diesem Sektor korrelierte“, wie die Forscher schreiben. Nachdem die zweite Welle Ende August ihren Scheitelpunkt hinter sich gelassen hatte, fiel dann zwar auch im Bausektor die Infektionsquote wieder ab – die Forscher haben trotzdem eine Empfehlung: „Zu den Sektoren mit mittlerem Risiko und zu den Sektoren der Allgemeinbevölkerung, die als Hochrisiko eingestuft werden sollten, gehören das Baugewerbe und der Dienstleistungssektor.“

Prof. Dr. Paul Wilmes, einer der Autoren, stellte bereits bei Vorstellung der Untersuchung die Idee in den Raum, Berufe mit einem hohen Infektionsrisiko bei den Impfungen vorzuziehen – die Entscheidung darüber sei natürlich Sache der Politik. „Solche Daten wie bei uns gibt es ja eigentlich in keinem anderen Land“, wirbt Wilmes im Gespräch mit dem Tageblatt für die Idee. Es sei nur konsequent, die gewonnenen Erkenntnisse auch in entsprechendes Handeln zu übersetzen.

Verschiedene Akteure begegnen solchen Vorstellungen auf Anfrage des Tageblatt allerdings meist eher zurückhaltend: Aus dem Arbeitsministerium heißt es, dass man „die Aussagen der Taskforce natürlich ernst nimmt“. Ein Sprecher verweist darauf, dass die Inspektoren der ITM („Inspection du travail et des mines“) seit Beginn der Pandemie dafür sorgten, dass die sanitären Bestimmungen eingehalten werden. Dort, wo dies nicht der Fall war, habe man eingegriffen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Angestellten umfassend zu schützen. Bezüglich einer möglichen Anpassung der Impfstrategie sehe man sich aber nicht als richtigen Ansprechpartner. 

Spätestens wenn zwei Meter Abstand nicht eingehalten werden können, müssen Masken getragen werden
Spätestens wenn zwei Meter Abstand nicht eingehalten werden können, müssen Masken getragen werden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Das Gesundheitsministerium teilt mit, man halte sich bei der Impfstrategie ja „an die Empfehlungen des Obersten Rates für Infektionskrankheiten und des Nationalen Ehtikrates“. Das erklärt eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber dem Tageblatt. Die Empfehlungen sähen jedenfalls nicht vor, bestimmte Berufsgruppen bevorzugt zu impfen – auch wenn das bei den Angestellten im Gesundheitssektor, in Pflege- und Altenheimen natürlich anders war. Dies sei aber damit zu begründen, dass diese direkten Kontakt haben mit besonders empfindlichen Menschen, die den Empfehlungen zufolge besonders geschützt werden müssen. Das sei bei Bauarbeitern natürlich nicht entsprechend der Fall.

Das sieht auch Jean-Luc De Matteis so, der beim Gewerkschaftsbund OGBL als Zentralsekretär für das Syndikat Bau, Bauhandwerk und Metallkonstruktionen tätig ist, in dem rund 450 Betriebsräte organisiert sind. Die 27.000 Menschen, über die man im luxemburgischen Hoch- und Tiefbau spreche (zählt man die Nebengewerbe mit, kommt man auf 60.000), seien ja „normalerweise keine vulnerablen Leute“. Von daher erscheine es De Mattheis „nicht richtig in Hinblick auf den Schutz wirklich verletzlicher Menschen“ hier eine Bevorzugung zu verlangen. Wobei ein Impfangebot ja auch prompt neue Fragen aufwerfen würde – etwa die, ob ein Arbeitgeber eine Impfung verlangen könne. So eine Situation dürfe auf gar keinen Fall entstehen: „Das müsste dann jeder frei entscheiden können“, sagt De Mattheis – der durchaus einräumt, dass Corona „natürlich von Anfang an ein heikles Thema“ gewesen sei. „Man weiß ja, wie eng aneinander in unserem Bereich oft gearbeitet wird.“

Kritische Stellen seien dabei gar nicht zuerst die Bauplätze selbst, sondern der Transport dahin, der oft in Minibussen stattfindet oder die gemeinsame Zeit in Pausen- und Sozialräumen. Mit den Arbeitgebern habe man sich schließlich zunächst auf bestimmte Maßnahmen verständigt – etwa auf die maximale Belegung von Minibussen mit vier Personen oder die Nutzung von Treppe in jeweils nur eine Richtung, um Begegnungsverkehr zu vermeiden. Allerdings seien manche Regelungen mit dem ersten „état de crise“ weggefallen. Sie mögen zwar verbreitet freiwillig beibehalten worden sein – aber vor einer bevorzugten Impfung wünsche man sich vonseiten der Gewerkschaft eher, dass die „Empfehlungen“ der ITM durch strikte Regeln ersetzt würden. 

Arbeitgeber nicht abgeneigt: „Aber nur freiwillig!“

Auf der Arbeitgeberseite wundert sich Pol Faber als Generalsekretär der Vereinigung der Unternehmer im Bausektor, „Groupement des entrepreneurs“, zunächst über die Einschätzung der Forscher, dass der Bausektor besonders anfällig für Corona sei. „Das deckt sich nicht mit dem, was wir von unseren Mitgliedern hören“, sagt Faber gegenüber dem Tageblatt und berichtet von einer „kleinen Umfrage“, die man vor einigen Wochen diesbezüglich angestellt habe.

Der Idee des bevorzugten Impfens stehe man „natürlich grundsätzlich positiv gegenüber“: Ein damit erreichbares höheres Maß an Sicherheit für alle Beteiligten sei natürlich willkommen – auch wenn sich die Branche mittlerweile gut mit den Corona-Maßnahmen arrangiert habe. Er sei sicher, dass sich viele Betriebe auch an Maßnahmen halten, die nur Empfehlungscharakter haben. „Im Baugewerbe arbeiten die Leute schließlich oft in Mannschaften. Und die bricht ja gleich komplett weg, wenn sich nur einer infiziert“, sagt Faber – und dass also umfassender Coronaschutz auch aus unternehmerischem Eigennutz schon sinnvoll sei. Im öffentlichen Bereich werde der daraus resultierende Mehraufwand ja sogar erstattet – im Privaten sei das, wie alles andere, „Verhandlungssache“. Auch er schränkt aber schließlich ein, dass privilegierte Impfungen, wenn überhaupt, „natürlich nur auf freiwilliger Basis“ geschehen könnten.

Pierre Wollscheid
4. März 2021 - 15.51

Wenn das im Baugewerbe so ist das dort bewiesen wurde das die Inzidenz Zahlen sehr hoch waren und sind, dann soll die Regierung mal erklären warum das Horesca Gewerbe noch immer zu ist , und das Baugewerbe nicht Angst vor den Folgen oder ?

Petrus
4. März 2021 - 15.05

Los déi jonk Leit liewen an déi al Leit stierwen ...? Stop mat all denen plompen virdrängler Tricken. Impfen, an zwar der Rei no, a net esou vill bradelen a sabelen.

P.Dauer
4. März 2021 - 13.27

Statistisch gibt es unter Männern weit mehr schwere Corona-Krankheitsverläufe als unter Frauen. Sollte man dann nicht sowieso Männer zuerst impfen?