Die große Leere in der galaktischen Nachbarschaft wurde gerade neu vermessen

Die große Leere in der galaktischen Nachbarschaft wurde gerade neu vermessen

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Die unendlichen Weiten des Universums sind voll von Sternen, Planeten, Asteroiden und vielen anderen Himmelskörpern. Doch ausgedehnte Regionen des Universums sind einfach nur leer. 1987 entdeckte der Astronom Brent Tully die „Lokale Leere”, die unserer Milchstraße am nächsten ist. Gerade haben er und seine Kollegen von der Universität von Hawaii sie neu vermessen. Das Tageblatt hat sich mit dem Forscher über das Universum und kosmische Maßstäbe unterhalten.

Zu sagen, das Universum sei groß, wäre eine maßlose Untertreibung. Bereits unsere unmittelbare Heimat, das Sonnensystem, ist für menschliche Begriffe unvorstellbar groß. Das Licht der Sonne braucht, um die Erde, den dritten Planeten, zu erreichen, mehr als acht Minuten. Würde die Sonne von einem Augenblick zum nächsten verschwinden (nicht, dass so etwas möglich wäre), würden wir das also erst acht Minuten später erfahren.

Bislang haben erst zwei menschengemachte Objekte – Voyager 1 und Voyager 2 – den Rand des Sonnensystems erreicht und das Sonnensystem verlassen. Am schnellsten war Voyager 1. Die Raumsonde ist 1977 gestartet und hat für diese Leistung 35 Jahre gebraucht – trotz einer Geschwindigkeit von 62.140 Kilometern pro Stunde. Menschen sind bislang nicht weiter gekommen als bis zum Mond. Bis zum nächsten Stern (Proxima Centauri) sind es immerhin 4,24 Lichtjahre. Das sichtbare Universum aber hat einen Durchmesser von rund 93 Milliarden Lichtjahren.

Distanzen, „an die man sich gewöhnt“

Oder, um es anders zu erklären: Die fantastischen Abenteuer des Raumschiffs Enterprise aus der beliebten Science-Fiction-Fernsehserie Star Trek spielen sich alle in unserer Milchstraße ab. In kosmischen Maßstäben gedacht, schaffen es die Raumschiffskommandanten James T. Kirk, Jean-Luc Picard und Kathryne Janeway mit ihren Besatzungen kaum über unsere Türschwelle hinaus.

Die Balken-Spiralgalaxie NGC 1300 steht im Sternbild Eridanus, befindet sich aber unvorstellbar weit dahinter, 67 Millionen Lichtjahre von uns entfernt

Ein Mann, der unsere Ecke des Universums wie seine Westentasche kennt, ist der amerikanische Wissenschaftler Brent Tully (Link zur persönlichen Website). Er ist Astronom an der Universität von Hawaii und hat sein Leben lang das Universum erforscht. „Ich habe mich so lange mit diesen Themen beschäftigt, dass ich mich an diese Distanzen gewöhnt habe“, sagt er gegenüber dem Tageblatt.

Vor 32 Jahren entdeckten Tully und sein Kollege Rick Fischer in der Nachbarschaft der Milchstraße eine gewaltige Ausdehnung, die kaum Materie enthält, die fast leer ist. Sie wird in der Fachsprache als „Lokale Leere“ oder „Local Void“ bezeichnet. „Vielleicht war das im ersten Moment überraschend, aber eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass so etwas hier existiert“, sagt Tully. Der Grund dafür ist die Gravitation. Galaxien ziehen sich gegenseitig an und halten sich gerne in Gruppen auf. Diese Galaxienhaufen bilden wiederum Supergalaxienhaufen und diese wiederum bilden lange unförmige Ketten, die sich durch das Universum schlängeln – sogenannten Filamente. Die Hohlräume zwischen den Filamenten werden als „Leeren“ oder „Voids“ bezeichnet und es gibt sie überall im Universum.


Galaxienhaufen und Filamente

„Überall dort, wo sich Masse verdichtet, ist ein Void nicht weit“, erklärt Tully. Galaxien wandern hin zu dichteren Regionen des Alls und hinterlassen große, leere Bereiche. Sie machen dies solange, bis dort nichts mehr ist. „Das ist ein sehr langer Prozess“, so Tully. Wirklich leer ist die „Lokale Leere“ noch nicht. Noch ist sie durchzogen von sehr dünnen, kaum bemerkenswerten Filamenten.

Mit der Milchstraße bewohnen wir eine wenig prominente Galaxis innerhalb unserer kosmischen Nachbarschaft. Sie liegt am Rande des Virgo-Supergalaxienhaufens, direkt an der Grenze zur Leere. „Wir leben in einem Vorort, wenn Sie so wollen“, sagt Tully. Dass die Leere bislang nicht gut untersucht ist, liegt auch daran, dass sie schwer zu sehen ist – da ist schließlich nichts zu sehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Leere von uns aus gesehen hinter dem Zentrum der Milchstraße liegt. Unser Blick auf das Nichts wird getrübt von Sternen.

Tully und seine Kollegen haben nun, 30 Jahre nach der Entdeckung der Lokalen Leere, ihre exakte Form und Größe bestimmt. Überraschungen gab es nicht, dafür neue Details. „Es war wie einen neuen Ort zu erkunden“, beschreibt Tully seinen Eindruck von der Arbeit. Er und seine Kollegen haben die Bewegung von 18.000 Galaxien beobachtet und damit eine 3D-Karte erstellt, die die Grenzen der Lokalen Leere zeigt. Der Prozess offenbart, dass das Universum sich ständig verändert und verschiedene Phasen durchläuft. Tully glaubt, dass das Universum bald in eine neue Entwicklungsphase eintritt – eine, in der keine neuen Sterne mehr entstehen.

„Milkomeda“ wird kommen

Der Astronom unterscheidet zwischen zwei Arten von Galaxien: den Spiralgalaxien (wie die Milchstraße) und den elliptischen Galaxien. Die Spiralgalaxien, so sagt er, hatten eine ruhige Geschichte. Sie haben sehr langsam Materie aufgesogen. Diese Materie zog sich stellenweise immer mehr zusammen, bis die Gravitation so groß war, dass die Atome anfingen zu verschmelzen. Es bildeten sich Sterne. Die elliptischen Galaxien hatten eine bewegtere Vergangenheit. Sie sind das Resultat von Kollisionen zwischen kleineren Galaxien. Dieses Schicksal steht der Milchstraße noch bevor. Sie bewegt sich zurzeit unaufhaltsam auf die Andromeda-Galaxis zu. In einigen Milliarden Jahren werden beide Galaxien miteinander verschmelzen. Wissenschaftler haben die Galaxie, die aus der Kollision resultieren wird, auf den Namen „Milkomeda“ getauft.

Irgendwann, so Tully, wird keine Materie mehr da sein, die Galaxien noch aufsaugen können, um neue Sterne zu bilden. Er glaubt, dass gerade eine Ära zu Ende geht, in der es unglaublich viele Sternengeburten gab. Sicher, immer wieder explodieren Sterne in einer Supernova und stoßen ihre Materie wieder ab: Diese massereichen Sterne, die sich schon nach ca. zehn Millionen Jahren zu roten Überriesen entwickelt haben, verbrennen ihre Energiereserven getreu dem Motto „live fast, die young“ sehr schnell. Allerdings tun das nicht alle Sterne. Kleinere Sterne werden zum Beispiel zu weißen Zwergen und können 100 Milliarden Jahre lang brennen.

Ob es ihn traurig macht, dass das Universum irgendwann dunkel sein wird? „Nein“, sagt Tully. Bis dahin werden noch viele Milliarden Jahre vergehen.

J.C.KEMP
7. August 2019 - 22.15

Das Universum besteht zum grössten Teil aus Vakuum, kein Wunder also, dass ...

Jacques Zeyen
7. August 2019 - 20.01

Wie würden die Vertreter des Schöpfers im Vatikan sagen: " Die Wege des Herrn sind unergründlich." Und wenn sie ehrlich wären,gäben sie zu,dass sie hiervon keinen blassen Schimmer hatten.Denn von Universen,Quanten und selbst Bazillen steht nichts in ihrem heiligen Buch. Diese Erkenntnisse zu ver-oder behindern war eh ihr Ziel. Die Großartigkeit des sehr Großen und des sehr Kleinen fordert allerdings jeden Respekt. Wie klein und bedeutungslos wir doch sind.Direkt beruhigend.