Europäische ZentralbankDer moderate Falke Yves Mersch geht von Bord

Europäische Zentralbank / Der moderate Falke Yves Mersch geht von Bord
Yves Mersch kann auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken Foto: Bloomberg/Alessia Pierdomenico

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Am heutigen Montag endet die Amtszeit von Yves Mersch bei der Europäischen Zentralbank. Der am 1. Oktober 1949 geborene Luxemburger kann auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken. Er ist einer der Väter von Europas Währung, dem Euro.

Nach seinem Studium der Politik- und Rechtswissenschaften in Paris wird Yves Mersch 1974 in die Luxemburger Anwaltskammer aufgenommen. Ein Jahr später tritt er als Assistent ins Luxemburger Finanzministerium ein. Kurz darauf wird er für zwei Jahre zum Internationalen Währungsfonds nach Washington entsendet.

Nach seiner Rückkehr beginnt sein Aufstieg in der Behörde. 1978 wird Mersch „Attaché“ im luxemburgischen Finanzministerium. Ab 1983 wird er Ratsmitglied des luxemburgischen Währungsinstituts (Bankenaufsichtsbehörde). Von 1985 bis 1989 ist er Staatskommissar für die Luxemburger Börse (Wertpapieraufsichtsbehörde). Von 1989 bis 1998 ist er Direktor des Schatzamts. Gleichzeitig ist er persönlicher Vertreter des Finanzministers bei den Verhandlungen über den Maastrichter Vertrag. Dann wird er, in den Jahren 1998 bis 2012, erster Präsident der neuen Luxemburger Zentralbank (BCL). Seine vielen weiteren Mandate in Gremien und Verwaltungsräten aufzuzählen, würde einen eigenen Artikel erfordern.

Er ist nicht bekannt für seine Suche nach Harmonie. Als Chef einer unabhängigen Zentralbank spielte er seine Rolle als Kontrolleur der anderen. Egal ob Großbanken, Gewerkschaften oder Politik. Er hat sich mit jedem angelegt. Er ist ein Mann mit Kanten. Auf seinen regelmäßigen Pressekonferenzen nahm er kein Blatt vor den Mund. Er fand immer klare und deutliche Worte der Kritik, sei es an der staatlichen Finanzpolitik (etwa die zu hohen Konsumausgaben der Regierung), an der schrumpfenden Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft, an den hohen Immobilienpreisen oder an der Indexierung der Gehälter.

Als er von Jean-Claude Juncker für das Direktorium der Europäischen Zentralbank vorgeschlagen wird, eilt ihm bereits ein Ruf voraus. In Frankfurt machen die Mitarbeiter sich Sorgen: Die Gewerkschaft International and European Public Services Organisation (IPSO) stellt sich gegen seine Kandidatur. Seine Entscheidung, 2005 einen Personalvertreter zu entlassen, sei nur „die Spitze des Eisbergs einer langen Vorgeschichte der Repression von Personalvertretern bei der BCL“ gewesen, schreibt IPSO damals an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Auch das Europaparlament hatte sich gegen seine Kandidatur ausgesprochen – es hätte lieber eine Frau auf dem Posten gesehen.

20 Jahre in den obersten Führungsgremien

Trotz allen Einsprüchen wird der damals 62-jährige Yves Mersch Ende 2012 ins Gremium nominiert. Seine Fachkompetenz war unbestritten. Er hat den Luxemburger Schock über die einseitige Entwertung des gemeinsamen Frankens durch Belgien miterlebt, und später die Finanz- und die Schuldenkrise. Er kannte das ganze System in- und auswendig. Die Stabilität der Gemeinschaftswährung und der Staatsfinanzen lag ihm sichtbar am Herzen. Er galt als Kandidat der nordeuropäischen Länder, ein geldpolitischer „Falke“, der eine stabilitätsorientierte Linie verfolgt. Er zögerte nicht, zu sagen, dass ein gemeinschaftliches Projekt Regeln und auch mal Härte braucht.

Doch auch wenn er aus Überzeugung „Falke“ ist, so hat er sich in Frankfurt scheinbar vor allem bei der Suche nach Kompromissen bewährt. Als Luxemburger kennt er die französischen Sorgen, aber auch die deutsche Angst vor der Inflation. Nur mit Kompromissen kommt Europa voran, das ist dem überzeugten Europäer bewusst.

Im Oktober 2019 wird er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank ernannt. In den Schlagzeilen taucht er regelmäßig weiter auf. Mal mit überzeugenden Fachkenntnissen und wichtigen Aussagen – mal als er seine Frau mit auf Geschäftsreisen mitgenommen hatte.

In der Bank wird er jedenfalls vermisst werden. Niemand sonst kann auf 20 Jahre Erfahrung in den obersten Führungsgremien zurückblicken. Die „Falken“ sind mittlerweile in der Minderheit. Die Notenbank kauft fleißig immer mehr Staatsanleihen auf, druckt immer mehr Geld, finanziert Defizite und hält die Zinsen niedrig. Gegenstimmen gibt es kaum noch.

Trotzdem kann Yves Mersch zufrieden sein. Als er zuerst mit der Gemeinschaftswährung in Kontakt kam, war sie nur ein Traum. Heute ist sie eine der führenden Währungen der Welt. Bleibt zu hoffen, dass seine Botschaft nicht ganz vergessen wird: Allein das Abschaffen der Maastricht-Regeln wird die Wirtschaft nicht verbessern. Früher oder später würde die Stabilität der Währung leiden. Für Wachstum braucht es strukturelle Reformen. Auch, wenn viele es nicht gerne hören.

trotinette josy
15. Dezember 2020 - 10.10

Dieser Salonsozialist hat enorme Verdienste. Wünsche dem rüstigen 71 jährigen Frührentner einen wohlverdienten, geruhsamen Ruhestand bei bester Gesundheit. Der kleine Mann, Schmelz-, Fabrik-, Bauarbeiter, hat auch sein Leben lang hart, für wenig Geld, geschuftet, ohne dass ihm der grosse Bahnhof gemacht wurde als er in Rente ging.

Jeanchen
14. Dezember 2020 - 13.28

Der war ein teurer moderater Herr der Europäischen Zentralbank, gut das der Steuerzahler nicht über alles informiert wurde. Trotzdem gönnen wir dem Herrn einen angenehmen Ruhestand.

en ale Sozialist
14. Dezember 2020 - 10.01

Jetzt kann der moderate Herr endlich auf eigene Kosten mit seiner Frau oder Lebensgefährtin auf Reise gehen.