LuxemburgDas Wachstum der Beschäftigung ist gestoppt: Die Arbeitslosigkeit wird wieder zum Problem 

Luxemburg / Das Wachstum der Beschäftigung ist gestoppt: Die Arbeitslosigkeit wird wieder zum Problem 
In Luxemburg gibt es heute 6.516 Arbeitsplätze weniger als zu Jahresbeginn und 7.547 Arbeitsplätze weniger als im Februar Foto: Isabella Finzi/Editpress

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Innerhalb weniger Wochen ist die Arbeitslosigkeit weltweit in die Höhe gesprungen. Eine dramatische Situation, wie sie sich derzeit in den USA abspielt, konnte in Luxemburg bisher vermieden werden. Trotzdem hat die Zahl der Arbeitslosen auch hierzulande bereits jetzt einen neuen Rekord erreicht.

Verglichen mit den USA hat Luxemburg sich bisher gut gehalten. In den Vereinigten Staaten haben seit dem Ausbruch der Pandemie mehr als 36 Millionen Menschen ihren Job verloren. Der Vergleich mit der Zahl aller Arbeitsplätze in den USA (158 Millionen zu Jahresbeginn) zeigt, wie enorm der Verlust ist.

Zu Jahresbeginn lag die Arbeitslosenquote in den USA noch auf einem Tiefststand von 3,5 Prozent. Mitarbeiter waren gesucht. Nun wird ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf einen historischen Höchststand von 20 bis 25 Prozent befürchtet. Hoffnung gibt allein, dass ein Großteil der Entlassungen als „temporär“ eingestuft wird. Viele Menschen könnten bei einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wieder eingestellt werden. Wie schnell das gehen wird, bleibt ungewiss.

Diesen verheerenden, sprunghaften Anstieg der Menschen ohne festes Gehalt konnte in Ländern mit starken sozialen Netzen verhindert werden. Staatliche Maßnahmen wie die Kurzarbeit, Kredite und Direkthilfen tragen beispielsweise in Luxemburg zu einer deutlichen Milderung der Folgen des Stillstands bei. Ganz verhindern konnten sie ihn jedoch nicht. Zusätzlich sorgen die staatlichen Maßnahmen dafür, dass viele Folgen erst zeitverzögert auftreten werden. So ist beispielsweise noch nicht absehbar, wie sich die Zahl der Unternehmenspleiten entwickeln wird.

Über 20.000 Menschen auf Arbeitssuche

Luxemburgs statistisches Institut Statec hat zwei mögliche Zukunftsszenarien vorgestellt. Darunter ein positives Szenario, bei dem ab Juni sowohl wirtschaftlich als auch sanitär alles wieder normal verläuft. In diesem Fall würde die Arbeitslosenquote laut Statec in diesem Jahr bis auf 6,7 Prozent ansteigen und im Jahr 2021 bis auf 7,2 Prozent. Auf Basis dieses positiven Szenarios hat die Regierung Anfang Mai ihre Finanzprognosen für 2020 und 2021 erstellt. Bis zum Ende 2020 rechnet sie demnach mit einer Arbeitslosenquote von 6,7 Prozent. Einen Anstieg auf 6,9 Prozent hat das Arbeitsamt ADEM jedoch bereits letzte Woche gemessen.

Im zweiten Statec-Szenario verläuft die Krise, mit einer zweiten Welle von Infektionen und weltweiter Rezession, viel heftiger: Die Arbeitslosenquote könnte 2021 auf einen Rekord von 9,5 Prozent ansteigen. Im laufenden Jahr könnte die Quote 7,5 Prozent erreichen. Zu Jahresbeginn sah die Lage in Luxemburg noch viel besser aus. Hier wurde eine Arbeitslosenquote von 5,4 Prozent gemessen. Doch die Lage hat sich auch hierzulande schnell verschlechtert: Im Monat März ist die Arbeitslosenquote auf 6,1 Prozent gestiegen. Es war eine direkte Folge der Maßnahmen, die getroffen wurden, um das Coronavirus zu bekämpfen. „Der Zustrom ist hauptsächlich auf Bauarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen zurückzuführen“, so die ADEM damals.

Im April wurde es nicht besser. Die Arbeitslosenquote kletterte weiter, und zwar auf 6,9 Prozent. Die Zahl der Arbeitsuchenden ist in Luxemburg binnen einem Jahr um 31,1 Prozent gestiegen, so die ADEM letzte Woche.  Hintergrund des Anstiegs sei einerseits, dass weniger Menschen eine Festanstellung gefunden hätten, und andererseits, dass die Unternehmen der ADEM im April deutlich weniger freie Arbeitsstellen (43,2 Prozent weniger als im April 2019) gemeldet hatten. Erstmals sind nun hierzulande mehr als 20.000 Menschen auf Arbeitssuche. Vor zehn Jahren, als das Thema in aller Munde war, waren es erst 13.341 Personen.

Rund 4.000 Grenzgänger weniger

Selbst die Zahl der Beschäftigten insgesamt, wo sonst in Luxemburg ein stetiges Wachstum von rund 1.000 neuen Arbeitsplätzen pro Monat gemessen wird, ist dieses Jahr deutlich eingebrochen. Von landesweit insgesamt 473.274 Beschäftigen im Januar 2020 ist die Zahl auf 466.757 im April 2020 gefallen. Luxemburg hat heute somit 6.516 Arbeitsplätze weniger als zu Jahresbeginn und 7.547 weniger als im Februar. Deutlich geschrumpft ist dabei die Zahl der nunmehr 201.278 Grenzgänger. Im Februar 2020 stand ihre Zahl noch bei 205.684 Personen.

Eine derartige Entwicklung hat es nicht einmal bei der Finanzkrise von 2008 gegeben. Zwar legten Arbeitslosenquote und Arbeitslosenzahl auch damals beständig zu – jedoch gab es keinen derart heftigen Einbruch bei der Zahl der Arbeitsplätze zu verzeichnen. Noch im Dezember 2008 hatte die Beschäftigung in Luxemburg mit 353.340 Stellen ein neues Rekordhoch. Erst danach stagnierte die Zahl, um dann im Laufe des Jahres 2009 einige Monate rückläufig zu sein. Ihren Tiefststand erreichte sie im Juni 2009 bei 352.264 Beschäftigten (ein Minus von tausend Personen verglichen mit dem Höchststand im Dezember). Ab Oktober 2009 wurde dann jedoch die Marke von Dezember 2008 wieder durchbrochen, und Monat für Monat wurden wieder neue Rekordzahlen geschrieben.

Unglücklicherweise gelang es der Regierung lange Zeit nicht, trotz stark zunehmender Zahl an neuen Jobs, die Arbeitslosenquote zu senken. Die Arbeitslosenquote stieg hierzulande von 4 Prozent im Januar 2008 auf 5 Prozent im Jahr 2009 und auf 6 Prozent im Jahr 2012. Ihren bisherigen Rekord hatte die Luxemburger Arbeitslosenquote im Mai 2014, bei 7,2 Prozent, erreicht.

Hoffnungsschimmer im April

Doch zurück zu heute: Trotz des heftigen Einbruchs lassen die rezenten Zahlen auch einen Hoffnungsschimmer aufkeimen. So ist die Zahl der Beschäftigten zwar in den beiden letzten Monaten geschrumpft, jedoch hat sich der Prozess bereits abgeschwächt. Im April gab es „nur“ noch einen Rückgang von 552 Arbeitsplätzen, nach einem Minus von 6.995 Jobs im Vormonat, zu verzeichnen.

Sowohl bei den Grenzgängern (93 Personen) als auch bei den angestellten „Résidents“ (155 Personen) wurden im April wieder leichte Zuwächse gemessen. Und das, obwohl Luxemburg praktisch den kompletten Monat April im Lockdown war, aber nur zwei Wochen im März. Jedoch nahmen im April manche Fabriken die Arbeit wieder auf, und auch der Bau lief wieder an. Gleichzeitig hat der Staat krisenbedingt viele zeitlich befristete Stellen ausgeschrieben. Dass die Beschäftigung im April insgesamt trotzdem rückläufig war, liegt an einem Rückgang der Zahl der Selbstständigen um rund 800 Personen (verglichen mit März). Wie es mit der Entwicklung der Beschäftigung weitergehen wird, bleibt eine spannende Frage. Im Gegensatz zu den USA werden in Luxemburg viele Folgen zeitverzögert (und hoffentlich auch schwächer) eintreten. Klar ist nur, dass es nicht einfach für die vielen neuen und alten Arbeitslosen werden wird. Die Zahl der offenen Arbeitsplätze ist derzeit deutlich kleiner als vor der Krise.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass es sehr schwierig werden wird, den Anstieg der Arbeitslosigkeit wieder in den Griff zu kriegen. Die bestehenden Konzepte haben bereits vor Corona nur teilweise geholfen. Mit der Erhöhung von staatlichen Stützungsmaßnahmen für Solaranlagen oder zum Kauf von Elektroautos wird es nicht getan sein. Es wird ganz neue Ideen und Konzepte brauchen. Vielleicht tatsächliche Investitionen in eine nachhaltige Zukunft? In Zeiten von geschlossenen Grenzen wäre es schön, wenn Flüsse und Wälder des Landes sauber wären. Oder vielleicht eine Reduzierung der Wochen-Arbeitszeit?