LuxemburgWarum die offizielle Finanzplanung der Regierung wohl zu optimistisch ist

Luxemburg / Warum die offizielle Finanzplanung der Regierung wohl zu optimistisch ist
In der Pressemitteilung zu den eigenen Prognosen warnt die Regierung, dass diese eine „vorläufige Schätzung“ darstellen und mit „großer Vorsicht“ zu genießen seien Foto: Editpress/François Aussems

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Die Regierung malt kein besonders rosiges Bild der Zukunft. Sie rechnet im laufenden Jahr mit einem Rückgang der nationalen Wirtschaftsleistung um 6 Prozent, einem Rekord-Haushaltsdefizit von 8,5 Prozent und einem Anstieg der Verschuldungsquote auf 28,7 Prozent. Dennoch könnten die Zahlen viel zu optimistisch sein.

Luxemburgs statistisches Institut Statec hat letzte Woche zwei mögliche Zukunftsszenarien vorgestellt: ein positives Szenario, bei dem ab Juni sowohl wirtschaftlich als auch sanitär alles wieder normal verläuft. Und ein negatives mit einer zweiten Welle von Infektionen und einer weltweiten Rezession.

Im zweiten Szenario verläuft die Krise viel heftiger als im positiven. Die Wirtschaft würde im laufenden Jahr um satte 12,4 Prozent einbrechen (positives Szenario: -6 Prozent). Im kommenden Jahr 2021 würde sie wiederum nur um magere 1,8 Prozent wachsen (positives Szenario: 7 Prozent). Die Arbeitslosenquote könnte auf ein Rekord von 9,5 Prozent ansteigen (positives Szenario: 7,2 Prozent), so die Berechnungen des statistischen Instituts.

Welches Zukunftsmodell Statec selbst als realistischer erachtet, gab das Institut nicht an. Nur dass, zurzeit das Erstellen von Prognosen „noch mehr mit Unsicherheiten behaftet“ ist als sonst. Und mit dem heutigen Kenntnisstand bevorzuge man somit weder das eine noch das andere Szenario. Man gehe davon aus, dass die Wirtschaft dieses Jahr um 6 bis 12 Prozent schrumpfen werde. Also ein Resultat zwischen beiden Szenarien. Die Regierung bevorzugt jedoch ganz klar das „optimistische“ Szenario. Sie basiert ihre Rechnungen darauf.

Die Krise nach der Krise

Zudem wird nicht nur das negative Szenario übersehen. Auch vergessen wird, dass Luxemburg nach 2008 von den Folgen der Finanzkrise schwerer getroffen wurde als von der Finanzkrise selbst. So war die Wirtschaftsleistung 2008 zwar rückläufig (-1,3), brach 2009 mit -4,4 Prozent jedoch noch deutlich stärker ein. Die Arbeitslosenquote überschritt erst 2009 die Marke von 5 Prozent und erreichte ihren bisherigen Rekord erst viel später, im Mai 2014, bei 7,2 Prozent.

In der Zeit des strengen „Confinement“ ist die wirtschaftliche Aktivität im Lande um 25 Prozent eingebrochen, schätzt Statec laut „Conjoncture flash“ von Dienstag. Das wäre, dank dem Gewicht des derzeit nur wenig betroffenen Finanzsektors, etwas weniger schlecht als in den Nachbarländern. Etwa ein Drittel der Beschäftigten sind in Kurzarbeit – in der Finanzkrise von vor zehn Jahren waren es weniger als 2 Prozent. Pro Monat würde der Stillstand das Land 2 Prozentpunkte an Wachstum kosten, so das Institut. Genaue Zahlen liegen noch keine vor. Wie es weitergeht, hänge Statec zufolge von der Dauer des Stillstands und somit von der sanitären Situation ab.

Doch ob die Konjunktur nach dem Ende des Stillstands gleich wieder steil nach oben springen wird, bleibt eine offene Frage. Die Arbeitslosigkeit ist bereits gestiegen. Die wirtschaftliche Krise wird erst nach dem Ende des sanitären Stillstands richtig beginnen. Erst dann wird sichtbar, wie viele Unternehmen die Zeit des „Confinement“ überlebt haben.

Mit Kurzarbeit und anderen Maßnahmen versucht die Regierung der Wirtschaft, so gut über die Zeit des Stillstands hinwegzuhelfen, wie sie kann. Doch das ist hierzulande. Die weltweite Rezession hat bereits begonnen. Sie wird Folgen für den Welthandel haben und sich auch in der weltoffenen Luxemburger Wirtschaft bemerkbar machen.

Die Chance, dass Luxemburgs Wirtschaft nächstes Jahr die geplante Wachstumsrate von 7 Prozent erreicht, erscheint optimistisch. Eine derartig hohe Wachstumsrate hat das Großherzogtum zuletzt vor 13 Jahren erlebt. Ohne dieses Wachstum wird die Regierung die Marke von 30 Prozent Staatsverschuldung, unter der sie bleiben wollte, wohl durchbrechen.

Verschuldung des Staates legt seit Jahren zu

Um die Nachfrage anzukurbeln und eine soziale Krise zu vermeiden, wird sich die Regierung gezwungen sehen, kräftige Konjunkturprogramme zu starten. Kosten, die in der Finanzplanung der Regierung noch nicht vorgesehen sind.

Dass in Krisen nicht gespart werden darf, haben die Folgen der Finanzkrise gezeigt. Dieses Klotzen können sich jedoch nur die Länder erlauben, die in den besseren Jahren zuvor Reserven aufgebaut haben.

Reserven hat Luxemburg derweil noch viele, doch die Schulden aus der letzten Krise hat das Land bis heute nicht abgebaut. Seit der Finanzkrise macht die Regierung regelmäßig neue Schulden, um alte zu refinanzieren. 2007 belief sich die Schuld auf 3 Milliarden Euro; Ende 2009 waren es fast 6 Milliarden; Ende 2019 belief sich die Summe bereits auf 14 Milliarden. Nun kommen noch neue Schulden hinzu. Höchstwahrscheinlich mehr als erwartet.

Ein Detail macht diese Krise anders für den Staatshaushalt als vor zehn Jahren. So war die Verschuldung zwar auch nach der Finanzkrise rasant angesprungen. Jedoch erhielt der Staat im Gegenzug Beteiligungen an beispielsweise der BIL und der BGL BNP Paribas. Jetzt finanziert er laufende Ausgaben.

Zum Glück für die Staatsfinanzen erlaubt die Kreditwürdigkeit Luxemburg derzeit, zu negativen Zinssätzen Kredite aufzunehmen. Doch Zinssätze bleiben nicht ewig negativ – und alle paar Jahre müssen Schulden, die nicht zurückbezahlt werden, am Markt refinanziert werden.

In zehn Jahren wird wieder eine neue Krise vor der Tür stehen. Auch dann wird wieder gelten: Wer solide Staatsfinanzen hat, der hat auch Handlungsspielraum. Dem laufen die Geldgeber nach – während alle anderen hohe Zinsen zahlen müssen.

Die Entwicklung der Prognosen des gesamten Staatshaushaltes laut den Erwartungen der Regierung
Die Entwicklung der Prognosen des gesamten Staatshaushaltes laut den Erwartungen der Regierung Screenshot: PSC

Staatshaushalt: Die neuen Prognosen der Regierung

Auf Basis neuer Statec-Untersuchungen zur wirtschaftlichen Entwicklung hat Luxemburgs Regierung Ende vergangener Woche neue Prognosen zu den Staatsfinanzen erstellt. Ein Albtraum für jeden Finanzminister. Es wird schlimmer als nach der Finanzkrise.

Im laufenden Jahr rechnet die Regierung damit, dass die Wirtschaftsleistung des Landes um satte 6 Prozent einbrechen wird. Deutlich heftiger als im Jahr 2008, als Lehman Brothers zusammenbrach. In dem Jahr war die Luxemburger Wirtschaft um gerade mal 1,3 Prozent rückläufig.

Infolgedessen erwartet die Regierung im laufenden Jahr einen Rückgang um satte 8,2 Prozent (verglichen mit dem Vorjahr) bei den Einnahmen des Landes. Sowohl bei den direkten als auch bei den indirekten Steuern wird mit Rückgängen von mehr als 10 Prozent gerechnet. Einzig und allein die Sozialabgaben sollen dieses Jahr, laut den neuen Prognosen, noch weiter (0,5 Prozent) zunehmen. Hintergrund dieses Zuwachses ist, dass trotz Krise mit einem Anstieg (0,7 Prozent) bei der Beschäftigung gerechnet wird.

Zeitgleich mit dem Wegfall der Einnahmen explodieren die Ausgaben. Sie sollen in diesem Jahr insgesamt 15 Prozent höher ausfallen als im Staatshaushalt geplant. Die Corona-Krise bringe dieses Jahr zusätzliche Ausgaben in Höhe von 3,28 Milliarden Euro mit sich. Diese Zahlen gehen aus dem „Programme de stabilité et de croissance 2020“ hervor, das Finanzminister Pierre Gramegna am 29. April vorgestellt hat.

Gemeinsam würden die fallenden Einnahmen und die zusätzlichen Ausgaben dazu führen, dass am Jahresende 2020 ein Haushaltsdefizit von 8,5 Prozent in den Büchern stehen werde, erwartet die Regierung. „Die Krise wird zu einem Defizit in der öffentlichen Verwaltung führen, das in der Geschichte des Landes beispiellos ist“, schreibt das Finanzministerium. Der europäische Stabilitätspakt, der aktuell auf Eis liegt, sieht eine maximale jährliche Defizitquote von 3 Prozent vor. Die Verschuldungsquote des Landes werde Ende 2020 bei 28,7 Prozent liegen (Vorjahr: 22,1 Prozent), schätzt die Regierung.

Nächstes Jahr soll alles gleich wieder viel besser aussehen: Die vom Staat geretteten Unternehmen sollen sich wieder entfalten, die Wirtschaft soll stark anziehen. Satte 7 Prozent Wachstum werden erwartet. Die Einnahmen des Staates würden in der Folge um 7,8 Prozent steigen und die Ausgaben um 3,3 Prozent fallen. Das Haushaltsdefizit soll 2021 auf 3 Prozent fallen, die Verschuldung auf 29,6 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt bleiben. Das wäre immer noch unter der im Koalitionsprogramm festgelegten Schwelle von 30 Prozent, so die Regierung in ihrer Mitteilung.