GesellschaftWas ist eigentlich ein Verwaltungsrat?

Gesellschaft / Was ist eigentlich ein Verwaltungsrat?
Der Verwaltungsrat ist der Garant für die Nachhaltigkeit und Zukunft der Unternehmen Foto: Freepik

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Mitglied in einem Verwaltungsrat zu sein, ist nicht nur eine Frage von Stolz und Ehre. Die Rolle kommt gemeinsam mit einer großen Verantwortung. Viel zu oft erfüllen diese Gremien ihre Aufgabe jedoch ungenügend. Das Tageblatt hat sich mit Philipp von Restorff, Direktor vom „Institut luxembourgeois des administrateurs“ (ILA), über Rechte und Pflichten von Verwaltungsräten unterhalten.

Tageblatt: Was ist ein Verwaltungsrat?

Philipp von Restorff: Ein Verwaltungsrat (Conseil d’administration; CA) ist ein Organ eines Unternehmens oder eines Vereins, das für zwei große Aufgaben zuständig ist. Einerseits für die Entwicklung der Gesellschaft, für die Umsetzung der Strategie, der Mission, wie sie im Rahmen der Statuten vorgesehen ist. Und andererseits für die Kontrolle der Verwaltung, etwa der tagtäglichen Arbeitsprozesse, der Finanzen, des Risikomanagements und der IT-Sicherheit. Der CA muss immer im Interesse der Firma arbeiten.

Außenstehende stellen sich die Aufgaben eines Verwaltungsrates oft als langweilig und als reine Formsache vor.

Ganz und gar nicht. Es sind fundamental wichtige Aufgaben. Der Verwaltungsrat ist der Garant für die Nachhaltigkeit und Zukunft der Unternehmen.

Was muss das Mitglied eines Verwaltungsrates mitbringen?

Wissen und Erfahrung in Bereichen wie Unternehmensführung, Buchhaltung und Finanzen. Auch muss er die spezifischen gesetzlichen Rahmenbedingungen kennen von dem Sektor, in dem sich das Unternehmen bewegt. Dabei gilt es zu bemerken, dass ein Verwaltungsrat ein Kollektiv ist. Es muss nicht jeder die gleichen Kompetenzen haben. Die verschiedenen Mitglieder sollen sich ergänzen, etwa ein Experte fürs Digitale und ein Experte für Nachhaltigkeit. Je diversifizierter der Verwaltungsrat, desto besser was Kompetenzen, Herkunft, Erfahrung oder Geschlecht anbelangt.

Wie steht es mit der Verantwortung?

Die „Administrateurs“ haben selbstverständlich auch eine Verantwortung. Die kann steuer- oder zivilrechtlicher, aber auch strafrechtlicher Natur sein. In Bereichen, die der Kontrolle der Finanzaufsicht CSSF oder der Versicherungsaufsicht unterstehen, spielen regulatorische Faktoren eine wichtige Rolle.

Wie läuft das praktisch ab?

In der Regel wählt die Hauptversammlung, die „Assemblée générale“, einen Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat delegiert die tagtäglichen Aufgaben dann an das Management. Die Details werden in den Statuten der Gesellschaft festgelegt. Diese müssen gesetzeskonform sein. Zu den nationalen Regeln kommen immer mehr europäische hinzu – vor allem, wenn es um „Administrateurs“ in regulierten Sektoren geht. Im Rahmen der folgenden Jahreshauptversammlung wird dann die „décharge du conseil d’administration“ für die geleistete Arbeit angefragt. Zur besseren Übersicht kontrolliert meist (zusätzlich) ein externer Unternehmensprüfer die Ergebnisse (Finanzzahlen und interne Prozesse) und liefert der Hauptversammlung einen Bericht hierzu.

Was ist in den regulierten Sektoren anders?

Im Finanzbereich etwa bedarf es zusätzlich einer Zulassung durch die CSSF, die checkt, ob die betreffende Person den Beruf auch wirklich ausführen kann. Man muss belegen, dass man die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen hat. Zudem muss man eine „Déclaration d’honorabilité“ einreichen. Dazu kommen eine ganze Reihe sektorenspezifischer Anforderungen.

In all den anderen Sektoren kann man machen, was man will?

Die Rollen und die Aufgaben von Verwaltungsräten für kommerzielle Gesellschaften sind unter anderem im Gesetz von 1915 definiert. Im Prinzip ist vieles gleich. Es gibt kleine technische Unterschiede. Bei der S.à r.l. sind es „Gérants“, bei der S.A. „Administrateurs“, bei den Kommanditgesellschaften „General Partners.“

Wie viele Mitglieder hat ein Verwaltungsrat?

Das wird in den Statuten festgelegt, auf Basis des Zwecks der Existenz („objet social“) der Gesellschaft. Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Zunkunftsentwicklung. Normalerweise ein Minimum von drei Personen. Bei uns (ILA) sind es 20. Das Gremium trifft sich vier- bis fünfmal im Jahr. Es kann aber auch öfter sein.

Was für Rechte haben Mitglieder von Verwaltungsräten?

Jeder „Administrateur“ hat in der Regel ein Stimmrecht. Und dementsprechend auch ein Recht auf Informationen. Die Mitglieder müssen sich ein Bild von der Situation machen können. Sie haben das Recht – und die Pflicht –, Fragen zu stellen. Der Verwaltungsrat kann auch Arbeitsgruppen („Comités“) zu verschiedenen Bereichen gründen. Etwa zu Risikomanagement und Finanzen oder zur Ernennung und Vergütung des Managements. Dieses Gremium macht aber nur Vorbereitungen. Es trifft keine Entscheidungen. Der Verwaltungsrat entscheidet kollektiv.

Was gibt es da noch?

Dann gibt es auch noch einen „Secrétaire général“ (oder „Corporate Governance Officer“). Sie bereiten Informationen und Treffen vor und erstellen den Bericht („procès-verbal“) der Versammlung. Dieser muss jedoch von den Mitgliedern abgesegnet werden. Jedes Mitglied hat das Recht, gestellte Fragen im PV festhalten zu dürfen. Im Falle einer Krise ist das dann der Beweis, dass das Thema diskutiert wurde. Diese Dokumentation ist extrem wichtig. Auch müssen sich die „Administrateurs“ konstant weiterbilden. Themen wie Gesetze, Steuern, Technologie und Rollen verändern sich konstant. Dazu muss man bereit sein.

Philipp von Restorff, Direktor des „Institut luxembourgeois des administrateurs“
Philipp von Restorff, Direktor des „Institut luxembourgeois des administrateurs“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Gibt es denn Kurse für Mitglieder von Verwaltungsräten?

Dafür gibt es das ILA („Institut luxembourgeois des administrateurs“). Unser Ziel ist es, die Standards der Gouvernance in Luxemburg stetig zu verbessern. Das ist unsere Mission. Wir bieten unseren Mitgliedern Weiterbildungen, Zertifizierungen, thematische Arbeitsgruppen und das Teilen von relevantem Wissen. Als Plattform für eine komplexer werdende Welt. Wir haben rund 3.200 Personen als Mitglieder und 14 Mitarbeiter.

Wie ist das weiter bei euch geregelt?

Ich bin als CEO kein Mitglied im Verwaltungsrat. Der CA hat mich nominiert und kontrolliert mich. Er arbeitet mit mir zusammen und unterstützt mich. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem oder der Präsidentin des Verwaltungsrats. Ich kann sie immer um Rat fragen. Ein permanenter Austausch ist gut und wichtig.

Wie steht es mit Interessenkonflikten?

Wichtig ist es, Interessenkonflikte zu vermeiden. Ein „Administrateur“ muss einen Interessenskonflikt während einer Sitzung melden. Schon vor dem Antritt eines Mandats muss sichergestellt sein, ob es etwaige Interessenkonflikte gibt. Offenheit und Transparenz ist da essenziell.

Kein CA ist perfekt – aber jeder kann sich verbessern

Gibt es gute oder schlechte Verwaltungsräte?

Man kann Verwaltungsräte bewerten lassen. Eine regelmäßige Evaluierung des Verwaltungsrats führt zur Steigerung der Effektivität und wird immer öfters durchgeführt. Da gibt es spezialisierte Anbieter. Die machen beispielsweise ein Audit zur „Board Efficiency“ und erklären dann danach, was dem Gremium noch fehlt. Es kann aber auch intern gemacht werden, etwa mithilfe von ILA-Fragebögen.

Was ist in Zukunft weiter zu erwarten?

In der EU gibt es mittlerweile Direktiven und Rundschreiben zu Verwaltungsräten. Das dürfte in Zukunft noch weiter ausgeweitet werden. So ist beispielsweise nicht verpflichtend vorgesehen, dass es einen Experten für Nachhaltigkeit im CA gibt, doch mit all den Direktiven zur Nachhaltigkeit ist es dennoch wichtig, einen Experten in diesem Bereich an Bord zu haben. Das gilt auch für Cybersicherheit oder künstliche Intelligenz. Das bereichert ein Board. Je diversifizierter er ist, desto besser. Im gleichen Sinne ist es von Vorteil, viele „nicht-exekutive“ bzw. „unhabhängige“ Verwaltungsräte mit im CA sitzen zu haben. Ein mehr oder minder unabhängiger Blick von außen ist wichtig.

Wie viel Geld erhalten die Mitglieder von Verwaltungsräten?

Ob es Geld für den Job gibt oder nicht, ist unterschiedlich. Bei uns gibt es nichts. Da ist es ehrenamtlich. Dort, wo es sehr arbeitsaufwendig ist, kann es hohe Vergütungen geben. Bei einer Bank mit 50.000 Mitarbeitern gibt es viele Richtlinien zur Gouvernance – das ist nicht vergleichbar mit einer Asbl. Aber es muss alles immer in einem gewissen Rahmen bleiben.

Werden Verwaltungsräte oft angeklagt?

Das passiert immer öfter. Vor allem in den angelsächsischen Staaten. Meist geht es um Steuerrecht, Unternehmensleitung oder Verstöße gegen Geldwäscheregelungen. Meist endet es mit Geldstrafen. Oft haften Mitglieder des Verwaltungsrates mitunter mit ihrem Privatvermögen. Um sich da abzusichern, gibt es jedoch spezielle Versicherungen, eine sogenannte D&O-Versicherung („Directors and Officers“-Versicherung). Das macht es so wichtig, gute Berichte über die Sitzungen zu haben und auch alle gestellten Fragen gut zu dokumentieren.

Bei der CMCM hat es ja scheinbar nicht so gut mit dem Verwaltungsrat geklappt …

Da wurde in der Öffentlichkeit diskutiert. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Firma. Es ist also offensichtlich, dass es ein Problem bei der Gouvernance gab. Was genau, kann ich nicht sagen. Aber von einem Teil der CA-Mitglieder war ja sogar ein Video veröffentlicht worden. Da gab es kein Kollektiv mehr, das im Interesse der Firma zusammengearbeitet hat. Das trifft alle, auch die Mitarbeiter. Gut wäre es, die Krise jetzt als Chance zu sehen und die Lücken zu beheben. Der CA könnte eine unabhängige Bewertung seiner Funktionsweise, seiner Aufgabenbewältigung und seiner Kompetenzzusammensetzung anfragen. Kein CA ist perfekt – aber jeder kann sich verbessern. Fehler passieren, aber man muss bereit sein, daraus zu lernen.

         
          Foto: Editpress/Hervé Montaigu