RassismusDas Brot der fremden Hände: Zwei Bäcker aus Sri Lanka sorgen in Rumänien für Volksaufstand

Rassismus / Das Brot der fremden Hände: Zwei Bäcker aus Sri Lanka sorgen in Rumänien für Volksaufstand
Landschaft rund um Ditrau: Fast die Hälfte der Anwohner unterzeichneten eine Petition gegen die „Überfremdung“ des zu 98 Prozent von Angehörigen von Rumäniens ungarischer Minderheit bewohnten Ortes Foto: Wiki Commons

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Fremdenhass oder unausweichlicher Nebeneffekt von Rumäniens Emigration? Die Anstellung und versuchte Vertreibung von zwei Bäckern aus Sri Lanka in der Landgemeinde Ditrau sorgt weiter für Wirbel im Karpatenstaat.

Noch backen die beiden Bäcker aus Sri Lanka in der 5.000 Seelen zählenden Landgemeinde Ditrau im Nordosten Rumäniens ihr Brot. Doch geht es nach dem Willen empörter Anwohner, sollen die 22 und 49 Jahre alten Bäckermeister trotz gültiger Arbeitspapiere ihre erst vor kurzem angetretenen Posten in der örtlichen Backwarenfabrik verlassen – und verschwinden: Fast die Hälfte der Anwohner unterzeichneten eine Petition für ein Referendum gegen die „Überfremdung“ des zu 98 Prozent von Angehörigen von Rumäniens ungarischer Minderheit bewohnten Ortes.

Mit dem Mangel an heimischen Fachkräften hatten die Betreiber der 60 Mitarbeiter zählenden Fabrik die Anstellung der beiden ersten Gastarbeiter des Ortes begründet – und für eine ungekannte Welle des Volkszorns gesorgt. Die Migranten würden die „Kultur und Sicherheit“ von Ditrau gefährden, erregten sich die Teilnehmer einer Bürgerversammlung zu Monatsbeginn. Wenn auch noch andere Betriebe Ausländer anheuern sollten, würden diese ihre Familien nachholen und „wir in fünf Jahren von farbigen Menschen umgeben sein“, so eine erboste Hausfrau: „Und davor haben wir Angst.“

Millionen Rumänen arbeiten im Ausland

Auf drei bis vier Millionen Menschen wird die Zahl der im Ausland lebenden und arbeitenden Rumänen geschätzt: Die Diaspora macht fast ein Fünftel der gesamten Bevölkerung des Karpatenstaats aus. Der anhaltende Emigrationsexodus ins Ausland hat nicht nur Rumäniens Arbeitslosenquote auf bescheidene 3,9 Prozent gesenkt, sondern auch Fachkräfte zu einem kargen Gut gemacht. Knapp 100.000 Arbeitsplätze können laut Angaben der nationalen Arbeitsbehörde nicht besetzt werden. Bukarest hat darum 2019 die Genehmigung zur Verpflichtung von 30.000 Gastarbeitern aus nicht EU-Staaten erteilt – fast doppelt so viel wie im Vorjahr: Die meisten Arbeitsimmigranten im Emigrationsstaat kommen aus China, der Türkei, den Philippinen und Vietnam.

Zwar sollen die beiden Bäcker von ihren Kollegen gut aufgenommen worden sein. Doch nicht nur deren Arbeitgeber, sondern auch Vermieter haben den Volkszorn mit geballter Wucht zu spüren bekommen. Vom Vorwurf, dass die Firma mit den angeheuerten Gastarbeitern die ohnehin kärglichen Löhne weiter drücken wolle, bis zur Sorge, dass die Fremden das Coronavirus einschleppen könnten, reichen die Einwände. Er wolle kein Brot essen, das „von fremden Händen gebacken“ sei, so ein aufgebrachter Bürger.

Einige sehen Orban als Urheber

Aufgrund der Proteste sind die beiden Bäcker von Ditrau in eine Nachbarstadt umgezogen. Doch statt sie wie gefordert zu entlassen, will die Fabrik noch einen weiteren Bäcker aus Sri Lanka anstellen. Begründung: Trotz der Proteste habe sich weiter kein Anwohner auf die angebotenen Stellen gemeldet. Die Arbeitslosenrate im Ort liege bei „über zwei Prozent“, erregten sich diese Woche dennoch die Unterzeichner einer erneuten Petition: Statt Ausländer anzuheuern, sollte die Firma dazu beitragen, dass „die Jugend nicht das Land verlässt“.

Manche würden wohl vergessen, dass viele Rumänen auch im Ausland arbeiten würden und ähnlich angefeindet werden könnten, ärgert sich Rumäniens geschäftsführende Arbeitsministerin Violeta Alexandru. Den sich in der ungarischen Minderheit offenbarenden Fremdenhass hält die Zeitung ADZ auch für von Ungarns Staatsmedien importiert: „Dies ist die direkte Folge der Hassrhetorik von Viktor Orban.“ Das katholische Portal romkat.ro klagt derweil über den Realitätsverlust als Folge des „Medienkriegs“ gegen die vermeintliche Migrantengefahr: „Es gibt Menschen, die wortwörtlich zittern, wenn jemand mit anderer Kultur oder Hautfarbe in ihre Nähe kommt.“