Analyse / Büchse der Pandora geöffnet? Wie der Aukus-Deal den Indopazifik strategisch neu gestaltet

Armdrücken im Meer: Südkorea bewies vor wenigen Tagen, dass es Raketen von U-Booten aus abfeuern kann
Australiens Atom-U-Boot-Deal und der neue Verteidigungspakt mit den USA und Großbritannien haben einen geopolitischen Wandel losgetreten. Diplomatisch von vielen als Debakel beschrieben, zeigen die Schritte jedoch vor allem eines: Die Länder halten den Aufstieg Chinas für eine existenzielle Bedrohung.
Nuklearbetriebene U-Boote, ein neuer Verteidigungspakt mit den USA und Großbritannien – für Australien sind die Neuigkeiten, die in der vergangenen Woche öffentlich wurden, einige der wichtigsten nationalen Sicherheitsentscheidungen, die das Land seit dem Zweiten Weltkrieg getroffen hat.
Diplomatisch hat der Schritt zu einer Krise geführt, deren Folgen noch nicht absehbar sind. China sprach bereits von einer Mentalität des „Kalten Krieges“. Frankreich, das einen eigenen U-Boot-Deal mit Australien durch den neuen Pakt verloren hat, hat seinen Botschafter aus Canberra nach Paris zurückgerufen. Auch die Nachbarländer Australiens reagierten teilweise verstimmt: Indonesien, Malaysia und sogar Singapur äußerten Kritik. Neuseeland gab bekannt, dass die neuen Atom-U-Boote nicht in neuseeländischen Gewässern willkommen seien. Und in einer lokalen Tageszeitung in Samoa hieß es: „Warum ist Australien Teil eines Militärpaktes geworden, der nun 76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs dazu führen könnte, dass der Konflikt auf unsere friedlichen Inseln zurückkehrt?“
Laut James Chin, einem Asienexperten der Universität von Tasmanien, hat bereits „das Afghanistan-Debakel bei vielen indopazifischen Ländern einen schlechten Beigeschmack hinterlassen“. „Einige fragen sich, ob der Zeitpunkt der Aukus-Ankündigung als Demonstration der US-Macht in der Region gedacht war, um nervöse Partner zu beruhigen“, schrieb der Akademiker in einem Beitrag für das Online-Magazin The Conversation.
Reaktion auf chinesische Aufrüstung
John Blaxland, ein Strategieexperte der Australischen Nationaluniversität in Canberra, hält die neue Aukus-Partnerschaft dagegen für einen wichtigen Schritt, um das Gleichgewicht in der Region beizubehalten und „China abzuschrecken“. Der neue Deal sei eine „direkte Antwort“ auf das chinesische Verhalten, wie der Experte in einem Briefing vor Journalisten erklärte.
Tatsächlich hat sich China in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Großmacht entwickelt, die aktiv ihr wirtschaftliches und politisches System als Alternative zu den USA propagiert. Dies zeigt sich nicht nur in der Belt-and-Road-Initiative – von vielen auch als neue Seidenstraße bezeichnet –, mit der China in Infrastrukturprojekte in anderen Ländern investiert. Die Volksrepublik rüstet auch seit Jahren auf: Sie modernisiert ihr Militär und ihre Flotte und baute Militärbasen auf künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer. Im Juli wurde zudem bekannt, dass sich im chinesischen Gansu 119 Silos im Bau befinden, die vermutlich Interkontinentalraketen vom Typ DF-41 aufbewahren sollen. Letztere haben eine Reichweite von über 12.000 Kilometern und könnten damit Australien wie auch die USA erreichen.
Gleichzeitig verhalte sich China laut Blaxland seit Jahren kriegerisch, auch wenn bisher keine echten Waffen abgeschossen worden seien. So habe das Land Australien bereits mehrmals „mit politischer Einmischung und Cyberangriffen“ attackiert. Auch in den USA betrachte man die Bedrohung aus China inzwischen als „existenziell“. „The stakes are high“, sagte Blaxland – und meint damit, dass in der Region gerade viel auf dem Spiel stehe. Dies betonte auch der Asienexperte Chin in seiner Analyse. Das neue Abkommen signalisiere in erster Linie, „dass die USA, Australien und Großbritannien das Südchinesische Meer als wichtigen Austragungsort für den Kampf gegen China betrachten“, sagte er.
China sieht seine militärische Aufrüstung als Reaktion auf die US-Präsenz in der RegionDirektorin des China-Programms am Stimson Center in Washington
Laut Nadège Rolland, einer Strategieexpertin des National Bureau of Asian Research (NBR) in Washington, zeigt der Deal, dass Australien erkannt hat, „dass eine Annäherung an eine andere Mittelmacht nicht für das ausreicht, was auf dem Spiel steht“, wie sie in einem Video-Briefing des Lowy-Instituts sagte. Trotzdem bestehe damit aber auch die Möglichkeit, dass man „die Büchse der Pandora geöffnet“ habe und mehr Länder jetzt über ihre eigenen nuklearen Fähigkeiten nachdenken würden.
Yun Sun, eine Asienexpertin und die Direktorin des China-Programms am Stimson Center in Washington, glaubt, dass die Zeichen eher schlecht stehen. „China sieht seine militärische Aufrüstung als Reaktion auf die US-Präsenz in der Region“, sagte die Expertin im Briefing des Lowy-Instituts. Noch würde das Land eine „abwartende Haltung“ einnehmen, da die Bedrohung der U-Boote nicht unmittelbar sei. Doch sollten die USA mehr Soldaten und Raketen nach Australien schaffen, müsse Australien mit noch härterem Wirtschafts- und Handelsdruck rechnen. „Es gibt viele Stimmen in China, die das fordern“, sagte Sun. Gleichzeitig gebe es Stimmen im Land, die die Zeitspanne, bevor die U-Boote ausgeliefert werden, als eine „strategische Gelegenheit“ bezeichnen würden, um beispielsweise Taiwan zu erobern. Zudem wolle China verhindern, dass die Partnerschaft auf andere Länder in der Region ausgeweitet werden und sich damit eine Art „asiatische NATO“ bilden könnte.
Frankreich besänftigen
Auch der Asienexperte James Chin macht sich Sorgen, wie die neuen Atom-U-Boote die Dynamik im Südchinesischen Meer verändern und „die Chinesen viel nervöser machen“ könnten. Es habe schon jetzt mehrere Beinahe-Vorfälle in der Region gegeben. „Die Asean-Staaten sind bereits sehr besorgt über die Rivalität zwischen China und den USA, die sich in ihrem Hinterhof abspielt“, schrieb er. Das neue Aukus-Abkommen würde viele darin bestätigen, dass die Meinungen der Asean-Mitglieder in Bezug auf die Supermächte und deren Vorgehensweise in der Region keine Rolle spielten.
Der Strategieexperte Blaxland denkt dagegen, dass die Welt bereits viel früher auf die chinesischen Ansprüche im Südchinesischen Meer reagieren hätte müssen. Nun habe man dank des Aukus-Deals aber endlich „eine Grenze gezogen“. Laut dem Experten wäre es nun wichtig, Frankreich wieder an Bord zu holen und die Schmach des verlorenen Deals zu lindern, beispielsweise indem Australien U-Boote des Typs Barracuda bei Frankreich lease, um den Zeitraum abzudecken, bis die Atom-U-Boote fertig seien. Denn es sei nicht in australischem Interesse, dass Frankreich, das mit Neukaledonien und Französisch-Polynesien Territorium im Indopazifik hat, sich von der Region abwende. „Das würde ein Vakuum hinterlassen“, sagte er.
Größere Flotten
Neben Australien stocken auch andere regionale Akteure ihre Flotten auf. Vietnam verfügt bereits über sechs U-Boote russischer Bauart, Malaysia über zwei U-Boote, Indonesien hat sechs U-Boote bei Südkorea bestellt, und die Philippinen erwägen ebenfalls den Bau eigener U-Boote. Japan verfügt über 23 U-Boote, Südkorea über 18, Singapur über zwei und Russland über ein Dutzend. Viele dieser Länder sind in langwierige maritime Gebietsstreitigkeiten mit China im Indopazifik verwickelt.
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