Expo 2020Autor Guy Helminger zur Kunst im Luxemburger Pavillon: „Wenn man im Schlamm wühlt, hat man auch dreckige Hände“

Expo 2020 / Autor Guy Helminger zur Kunst im Luxemburger Pavillon: „Wenn man im Schlamm wühlt, hat man auch dreckige Hände“
Guy Helminger wurde 1963 in Esch/Alzette geboren und studierte Germanistik und Philosophie in Luxemburg, Heidelberg und Köln. Seit 1985 lebt er in Köln und arbeitet als freiberuflicher Schriftsteller. Foto: Tania Feller/Editpress

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Die viel diskutierte Expo 2020 findet mit dem Monatsende ihren Abschluss. Teile des Luxemburger Kulturprogramms werden die Weltausstellung in Dubai jedoch überdauern, so zum Beispiel der Lyrikband „Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn. Gedichter aus Lëtzebuerg“. Das Tageblatt sprach mit dem Herausgeber Guy Helminger über seine kuratorische Tätigkeit im Luxemburger Pavillon und auch die mögliche Kritik an der Partizipation der Künstler an der Messe.

Tageblatt: Die Liste der Menschenrechtsverletzungen, wegen denen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und andere Staaten aus der Golfregion immer wieder in der Kritik stehen, ist so lang wie erschütternd. Was hat Sie als Autor trotzdem dazu bewegt, im ‚Kënschtlerkollektiv‘ tätig zu sein und sich um das Kulturprogramm des Luxemburger Pavillons zu kümmern?

Guy Helminger: Also die erste Sache ist für mich, dass ein Land nie gleichzusetzen ist mit seiner Regierung. Jemand, der das macht, schlägt jeder Opposition ins Gesicht. Jemand, der zu Hause auf seinem Sofa sitzt und schreit ‚In das Land würde ich nie gehen!‛ ist ein Defätist – einer, der sich zwar gerne in seiner Moral suhlt, aber eigentlich alles andere als ethisch ist. Weil er, wie gesagt, das Land gleichsetzt mit einer Regierung. Dabei gibt es viele Menschen, die gegen sie [die Herrscherfamilien der VAE, Anm. d. R.] arbeiten, und es gibt viele Menschen, die nichts für sie können. Von der Sippenhaft bin ich kein Freund. Das ist die erste Sache. Die zweite Sache ist die, dass, wenn man als Künstler dahingeht, man natürlich nicht hingeht, um Urlaub zu machen, sondern weil man die Auseinandersetzung sucht und weil man einfach auch in Kontakt kommen möchte mit Menschen vor Ort. Ob das gelingt oder nicht, sei dahingestellt. Aber das sind natürlich die Ausgangspunkte, warum man bei so etwas mitmacht. Und da muss ich auch ganz klar sagen, dass für mich solche Angebote auch eine Möglichkeit sind – Ich gehe ja nicht primär dahin, weil ich unbedingt den Pavillon bespielen möchte, sondern weil mir durch den Pavillon die Möglichkeit gegeben wird, auch außerhalb etwas zu machen und Kontakte zu knüpfen.

Das Luxemburger Kulturprogramm in Dubai

Was die Luxemburger Kulturwelt zu bieten hat, sollte ein ausgewähltes ,Kënschtlerkollektiv‘ Expo-Besuchern zeigen – und zwar mit einer Ausstellung im „Salle Melusina“ im Luxemburger Pavillon und einem spezifischen Programm in der Kulturwoche im vergangenen Januar. Die Mitglieder des Kollektivs waren vom „Comité artistique“ unter der Leitung der zuständigen Kommissarin Maggy Nagel ausgewählt worden. Zu den Kreativen gehörten: Julie Conrad (Design), Adolf El Assal (Film), Guy Helminger (Literatur), Karolina Markiewicz und Pascal Piron (Arts Visuels), Simone Mousset (Tanz), Patrick Muller (Musik) und Renelde Pierlot (Theater). Die Künstler gaben ihrem gemeinsamem Projekt, das im Einklang mit dem Slogan der Weltausstellung „Connecting minds, creating the future“ stehen sollte, den Titel „Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn“.

Schon in Ihrem Vorwort haben Sie geschrieben, dass Länder nicht zusammenfallen mit der Politik ihrer Regenten und ihrer Ökonomie. Dort reden Sie auch von Interkulturalität – man konnte jetzt aus Ihrer Antwort heraushören, dass es Ihnen vornehmlich darum geht. Aber inwiefern wird der Gedichtband „Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn. Gedichter aus Lëtzebuerg“ der interkulturellen Herangehensweise gerecht, wenn er im Kontext einer wirtschaftlichen Leistungsschau entstanden ist, mit den entsprechenden Geldern finanziert wurde und integraler Bestandteil ist von etwas, das von den Herrschenden gutgeheißen wird und nicht unbedingt von der unterdrückten Bevölkerung?

 Coverbild: Centre national de littérature

(Lacht) Also die Alternative ist, dass man nichts tut. Dann kann man auch sagen, dass kein Journalist mehr dahingehen darf. Wenn Sie das gut finden, wunderbar, dann machen Sie das so. Ich bin aber ein Feind davon. Ich bin der Meinung, dass man das nicht machen darf. In Ihrer Frage steckt ja auch die ewige Annahme, dass wenn man etwas tut, man immer eine weiße Weste behält. Das ist aber nicht so. Wenn man etwas tut, wühlt man im Schlamm, und wenn man im Schlamm wühlt, hat man auch dreckige Hände. Wenn man das nicht möchte, dann bleibt man eben, wie gesagt, zu Hause auf seinem Sofa. In Ordnung, die Gelder kommen von einem Ministerium, das den Pavillon finanziert. Das ist richtig, aber ich als Künstler versuche, eine solche Plattform zu nutzen, um – ich wiederhole mich jetzt –etwas anderes zu tun. Das muss man nicht gut finden, aber ich denke, dass es der richtige Weg ist.

Man muss die Möglichkeit des Scheiterns auch akzeptieren in der Kunst. Die Kunst ist ja nichts, bei dem man sagt: Okay, ich verkaufe jetzt eine Badewanne und nachher muss sie dicht sein. Bei der Kunst mache ich etwas und entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht. Und es ist auch oft so, dass ich gar nicht weiß, ob es funktioniert hat. Also, Sie haben gerade gesagt ,von den Herrschenden gutgeheißen‛ – Sie meinen doch nicht im Ernst, dass einer von den Herrschenden einen Blick in die Anthologie geworfen hat, ich bitte Sie. Da kommt es dann eher darauf an, wie ist es, wenn ein Mensch durch den Pavillon oder durch unsere Ausstellung geht und da hängt dann zum Beispiel ein Triptychon, dessen Mittelteil Tabuthemen wie den Jemen-Krieg aufgreift und das Herrschaftssystem kritisiert. So etwas hatten wir immerhin in der Ausstellung. Hätte jemand das in einer Zeitung dort gebracht, wäre er im Gefängnis gelandet. Ich meine, so etwas muss man wagen.

Da die VAE eine sehr vielfältige und lebendige Spoken-Word-Szene besitzen, hätte es doch auch die Möglichkeit gegeben, sich direkt mit dortigen Künstlern, Plattformen wie The Poetryhood oder internationalen Künstlervereinigung wie Edge of Arabia in Verbindung zu setzen und ein eigenes Projekt zu starten, oder?

Das war ja intendiert, das war einer der Punkte, warum ich überhaupt mitgemacht habe. Ich wollte eine Lesung organisieren mit zwei, drei Luxemburger AutorInnen und AutorInnen aus den Emiraten – eine öffentliche Veranstaltung, um die interkulturelle Begegnung zu ermöglichen und auch vielleicht off the stage mit den AutorInnen über die ganze Situation zu diskutieren. Das war ja eines der Hauptanliegen von mir. Das Problem ist, dass das gescheitert ist. Das ist eben leider so. Zwei Jahre zuvor habe ich lange mit der Botschaft gesprochen, weil ich gerne Kontakte gehabt hätte zu Künstlern. Man hat mir auch einige genannt – gut, da waren welche dabei … Das war nicht genau das, was ich wollte, aber ich hätte es trotzdem gemacht. Ich habe nur eine Location gebraucht, und leider war es so, dass sich das hingezogen hat und hingezogen hat, und sechs Wochen, bevor unsere Pavillon-Ausstellung eröffnet wurde, bekam ich dann eine SMS, dass sie keine Zeit mehr hätten, das Ganze zu organisieren. Da haben wir noch versucht, alles über eine Agentur auf die Beine zu stellen, innerhalb sehr kurzer Zeit, aber das hat dann nicht geklappt. Und deswegen bin ich auch in gewisser Hinsicht gescheitert, einfach, weil ich zu naiv war. Ich habe da auf eine Mitarbeit gehofft, die so nicht funktioniert hat. Ich hätte vielleicht von Anfang an eine Residenz in den Emiraten anfragen und versuchen müssen, das Ganze selbst auf die Beine zu stellen. […] Ich sage deswegen nicht, dass die Leute in der Botschaft dort alleine verantwortlich sind, ich bin genau so dafür verantwortlich.

„Gedichter aus Lëtzebuerg“

Hochwertiges schwarzes Papier, bedruckt mit silberner Tinte – die prunkvolle Aufmachung des Lyrikbands „Mir wëlle bleiwen, wat mir ginn. Gedichter aus Lëtzebuerg“ fällt ins Auge. Die Anthologie beinhaltet pro Autor zwei Gedichte, diese wurden mit der Kurzvita des Autors jeweils ins Englische und Arabische übersetzt. Dafür zuständig waren Michrafy Abdelwadoud, Ahmed Farouk, Delphine Lettau und Zoë Skoulding. Die Fotografien, die die die Anthologie vervollständigen, stammen von Karolina Markiewicz und Pascal Piron. Literarische Texte wurden beigesteuert von: Ulrike Bail, Jean Bürlesk, Ian De Toffoli, Samuel Hamen, Roland Harsch, Guy Helminger, Nico Helminger, Émile Hemmen, Pierre Joris, Anna Leader, James Leader, Carla Lucarelli, Tom Nisse, Jean Portante, Léon Rinaldetti, Nathalie Ronvaux, Elise Schmit, Lambert Schlechter, André Simoncini, Florent Toniello und Hélène Tyrtoff. Herausgeber ist der Schriftsteller Guy Helminger, veröffentlicht wurde der Gedichtband vom Nationalen Literaturzentrum, unterstützt von der Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (GIE) Luxembourg@EXPO 2020 Dubai, des Kulturministeriums und des Nationalen Kulturfonds.

Und wäre es für Sie denn auch eine Option gewesen, von vorneherein zu sagen: Nein, ich verzichte darauf, Teil des offiziellen Programms zu sein, und versuche, ein alternatives, unabhängiges Projekt mit emiratischen Dichtern ins Leben zu rufen? Hätte man damit nicht ein Zeichen gesetzt?

Es wäre natürlich ein anderes Konzept gewesen, aber ich glaube nicht, dass die Botschaft größer gewesen wäre. Ich meine, wenn man die Anthologie liest, sieht man ja, dass es Gedichte gibt, die sich mit dem Krieg oder mit unserer Luxemburger Identität auseinandersetzen. Eine Idee, die ich hatte, war ja auch die, dass, wenn man einen interkulturellen Austausch haben möchte, man selbstverständlich auch zeigen muss, was man selbst hat. Das heißt, ich wollte eine luxemburgische Anthologie machen. Das war das Konzept. Wenn man von Anfang an gesagt hätte: Nein, wir machen keine rein luxemburgische Anthologie, sondern eine zweigeteilte, hätte man das auch machen können, aber ich weiß nicht, ob die Aussage eine größere gewesen wäre. […] Man muss auch wissen, dass uns am Anfang gesagt wurde, wir wären Teil des ganz großen Pavillons. Als Kollektiv wollten wir Kunst, die sich kritisch mit dem auseinandersetzt, was offiziell im großen Pavillon gezeigt wird, ausstellen. Plötzlich kam dann die Meldung, dass der Pavillon verkleinert werden würde, und wir mussten raus aus dem Pavillon. Dann hatten wir mit einem Mal auch nur noch 14 Tage [für die Ausstellung, Anm. d. R.]. Aber wie gesagt, wenn man sich auf etwas einlässt, muss man notfalls nachher sagen: Gut, es hat nicht so geklappt, wie wir das wollten, das ist eben so. Gleichwohl finde ich die Initiative, etwas während der Expo zu machen, absolut richtig. Ich empfinde es als einen Hohn, wenn man sagt: Kunst darf da nicht mitmachen. Das bedeutet nämlich ganz klar, dass Kunst überhaupt keine politische Funktion mehr hat. Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Das stimmt, aber das ist auch nicht unbedingt der Punkt. Hätten nicht auch andere Möglichkeiten im Raum gestanden, bei denen man dem Vorwurf hätte entgehen können, Anteil an etwas zu haben, das berechtigterweise als kritisch angesehen wird?

Was wird denn berechtigterweise als kritisch angesehen? Was ist an der Auseinandersetzung von Kunst mit alledem kritisch? Auch Sie gehen permanent davon aus, dass man das nicht machen darf. Das ist die Basis und darauf folgt dann die Argumentation. Ich sehe das aber nicht so. Meiner Meinung nach darf man das machen.

Schwierig ist die finanzielle Abhängigkeit …

Aber sonst wäre gar nichts passiert. Wie hätte man sonst diese Anthologie zusammenstellen können und wer hätte uns nach Dubai eingeladen? Es ist doch naiv zu denken, dass das zustande gekommen wäre, wenn wir nicht in den sauren Apfel gebissen hätten, um auch eine Ausstellung im Pavillon zu machen. Dann hätten wir uns zurückziehen müssen. Dann wären wir genau so gewesen wie die, die auf ihrem Sofa sitzen und sagen: Ach nö, da mache ich nicht mit. Es gibt ja auch Autoren, die sich mit eben diesem Argument nicht an der Anthologie beteiligt haben. Für mich ist das Stammtischgeschwätz, ganz ehrlich.

Man hätte aber auch Autoren von dort kontaktieren und dann gemeinsam sehen können, was noch möglich gewesen wäre, zum Beispiel eine Website mit Gedichten zu erstellen. Man weiß eben nicht, ob das die gleiche Reichweite gehabt hätte.

Das ist völlig richtig, man weiß es nicht. Am Anfang hat man eben ein Konzept, und ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, was es bedeutet, eine Anthologie herauszubringen, teilweise in einer Sprache, die man nicht spricht. Es ist nicht so, dass ich das in einer Woche gemacht habe. Man hat diese Gedichte und man weiß nicht, ob sie gut übersetzt sind, deswegen lässt man sie kontrollieren, dann sagt einem diese Person, dies oder jenes sei nicht gut, dann lässt man sie wieder von jemand anderem kontrollieren, usw. Anschließend wird das Buch gesetzt. Dann entstehen Fehler, weil die arabische Schrift nicht von links nach rechts, sondern umgekehrt verläuft – also es ist wirklich eine Arbeit, von der ich heute sage, dass ich so etwas nie wieder machen würde. Das ist die eine Sache. Die andere Sache ist die, dass man sich irgendwann für ein bestimmtes Konzept, das man für richtig hält, entscheidet. Im Nachhinein kann man immer schlauer sein und sagen: Ach, hätte ich nur … Ich sage ja auch, hätte ich mir nur eine Residenz genommen und selbst die Veranstaltung organisiert, aber ich habe es eben nicht gemacht.

Sie haben jetzt mehrmals vom Scheitern gesprochen. Wo sehen Sie dieses Scheitern genau, und wo vielleicht auch Ihren Erfolg?

Es ist so: Wir waren ja zu mehreren Menschen [im Künstlerkollektiv, Anm. d. R.]. Es war eine tolle Ausstellung, die auch irgendwann in Luxemburg gezeigt werden soll. Von daher glaube ich schon, dass das Ganze es wert war. Aber ob das jetzt irgendeinen Nutzen hatte, das ist eine Frage, die man schwer an die Kunst stellen kann. […] Es ist ja grotesk zu glauben, man würde da eine klare Rechnung machen: Das habe ich gemacht und das ist dabei herausgekommen. Das geht bei Kunst leider nicht. Und was das Scheitern angeht, da kann ich nicht für die anderen sieben im Kollektiv sprechen. Ich glaube, dass viele dabei sind, die sagen würden: Nein, ich habe genau das gemacht, was ich wollte. Bei mir aber war es so, dass eben eine wichtige Sache für mich, die von Anfang an angedacht war, überhaupt nicht geklappt hat, weil ich so naiv war, mich komplett auf andere zu verlassen. Was die Ausstellung angeht: Wie will man das bewerten? Ich habe mit ein paar Besuchern geredet, die gesagt haben, dass sie erstaunt seien, dass man so etwas könne. Aber ob das etwas bringt: keine Ahnung. Das Gleiche gilt für die Anthologie.

Auf die wollte ich noch einmal zu sprechen kommen. Nimmt man sie in die Hand, fallen einem sofort Namen wie Lambert Schlechter oder Tom Nisse ins Auge – Größen der Luxemburger Literatur. Gab es in der Autorengruppe ein offenes Gespräch darüber, ob die Partizipation auch ethische Fragen aufwerfen könnte?

Also jeder weiß, dass wenn er bei so etwas mitmacht, er sich davor Gedanken machen soll. Das ist klar. Da gehe ich nicht hin und sage zu Lambert: Jetzt musst du dir aber mal Gedanken darübermachen, ob du das möchtest oder nicht – was für eine Vorstellung (lacht). Nein, ich habe ihnen Vorschläge gemacht, ich habe ihnen erklärt, was wir machen, und ich habe ihnen gesagt, sie könnten tun, was sie wollten. Mögliche Themen wären die Auseinandersetzung mit den Emiraten, die Auseinandersetzung mit Luxemburg, die Auseinandersetzung mit den beiden Ländern oder auch mit der Expo selbst – und dann haben sie eben gemacht, was sie wollten. Das halte ich auch für den richtigen Weg. Es gab zudem Autoren – zwar nicht viele, aber doch ein paar –, die sagten, sie würden wegen der Emirate nicht mitmachen. Das respektiere ich dann auch. Aber ich gehe selbstverständlich davon aus, dass so wie ich mir Gedanken darüber gemacht habe, als ich gefragt wurde, ob ich das machen wollte, sich auch die anderen Autoren Gedanken darüber gemacht haben. Bei mir ist es so, dass ich die Argumente, die ich jetzt höre, schon gehört habe, als ich in den Iran oder in den Jemen gereist bin, das ist nichts Neues. Es gibt seit Jahrzehnten oder seit Jahrhunderten die Menschen, die sagen, dass sie da nie hinfahren würden. Ja, dann sollen sie in Esch bleiben, oder in Luxemburg-Stadt.

Ja, der Kern, um den unser Gespräch dreht, ist die Frage, ob man mit dem System mitspielen und trotzdem für Irritation sorgen und Kritik üben kann oder ob man dafür außerhalb des Systems agieren muss.

Genau.

Deswegen meine Frage, ob man es nicht von Grund auf anders hätte aufziehen können. 

Wenn ich gefragt werde, ob ich im Rahmen einer Expo mitmachen möchte, und ich sage: Ich mache mit, aber nicht im Rahmen der Expo – ja, dann hätte ich nicht mitgemacht, dann hätte es auch keine Anthologie gegeben. Da muss man einfach abwägen, was man möchte, was interessant ist und was man machen kann. Bei all meinen Reisen ist die interkulturelle Begegnung eigentlich das Wichtigste gewesen, deswegen rede ich auch vom Scheitern. […] Ich bin aber weit davon entfernt – und das möchte ich ganz klar betonen – mich irgendwie dafür zu rechtfertigen, was ich da gemacht habe. Ich halte es für richtig und ich würde es auch wieder tun, allerdings würde ich es anders angehen.


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Robert Hottua
1. April 2022 - 3.05

Guten Tag Frau Lauer und Herr Helminger, die Dubai-Veranstaltung ist auch jetzt noch eine gute Gelegenheit um auf die belastete Geschichte Luxemburgs hinzuweisen, Fragen zu stellen und zu warnen. Die luxemburgische Identität ist durch eine amnestisch-beschwichtigende Haltung geprägt. Die seit mehr als 100 Jahren bestehenden ethisch und gesellschaftspolitisch relevanten Fragen wurden bisher nicht formuliert und nicht diskutiert. Der Sumpf von Mentalitätskontinuitäten ist ohne öffentliche Diskussion eine unkontrollierbare Gefahr. MfG Robert Hottua