StudentenACEL: „Wir haben jetzt schon zwei Jahre Plan B“

Studenten / ACEL: „Wir haben jetzt schon zwei Jahre Plan B“
ACEL-Präsidentin Polina Bashlay (23): Sie will in ihrem Studium den Schwerpunkt auf den konstruktiven Ingenieurbau legen, also „alles, was über der Erde ist wie Brücken und Gebäude“. So sagt sie es. Ihr ursprünglicher Studienwunsch war Architektur. Nach einem Praktikum bei einem Architekten steht fest: Ihr fehlt die Mathematik. Sie geht ins Bauingenieurwesen. Bashlay hat die luxemburgische und russische Staatsangehörigkeit. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Permanentes Krisenmanagement und zwei Jahre verlorenes Studentenleben: Polina Bashlay (23) ist seit dem 26. Dezember 2021 die neue Präsidentin der studentischen Dachorganisation „Association des cercles d’étudiants luxembourgeois“ (ACEL), die nach eigenen Angaben rund 10.000 Studenten vertritt. Sie selbst studiert Bauingenieurwesen an der Technischen Universität München und hat gerade ihr Masterstudium angefangen. Ein Gespräch mit ihr über Studium in Coronazeiten.

Tageblatt: Sie haben in einem Interview mit dem „Quotidien“ gesagt, die Pandemie stiehlt den Studenten das Studentenleben. Wie meinen Sie das?

Polina Bashlay: Zum studentischen Leben gehört der Austausch. In der Mensa nach den Vorlesungen oder abends bei einem Bier und in der Freizeit beim Feiern. Das ist aber immer noch nicht möglich. Es schließt immer wieder alles, Clubs sind zu und es herrschen Kontaktbeschränkungen. Wenn man Glück hat, lebt man in einer Wohngemeinschaft mit Mitstudenten. Ansonsten muss man alleine zu Hause zurechtkommen. Man lernt online niemanden kennen. Und es lief alles lange Zeit digital.

Immer noch?

Ab Oktober 2021 haben sie hier in Deutschland teilweise wieder angefangen, in Präsenz zu unterrichten. Gerade in den Masterstudiengängen, weil da nicht so viele Studenten sind. Bei mir ist es so, dass momentan alles wieder online gesetzt wird wegen der Inzidenzzahlen. Und klar gibt es Ausnahmen. Für Medizinstudenten zum Beispiel ist es schwierig, ihre Labor- oder Krankenhauserfahrungen über das Laptop zu machen.

Wie sind denn Ihre eigenen Erfahrungen mit Online-Studium?

Es gibt Vor- und Nachteile. Ich persönlich finde es gut, dass ich die Vorlesungen aufzeichnen und wieder anschauen kann. Andererseits ist das vor dem Laptop sitzen anstrengend und man fühlt sich nicht so angesprochen wie an der Universität in einem Hörsaal. Außerdem fehlen mir die persönlichen Kontakte wie beispielsweise kurz mal beim Nachbarn nachfragen, ob diese Aufgabe so gemeint war und ob man das richtig verstanden hat. Das geht alles online nicht.

Die ACEL hilft bei der Studienentscheidung, gibt Studienanfängern Orientierung – gerade im Ausland. Haben sich denn trotz Pandemie viele dazu entschieden?

Da fehlen uns Statistiken. Wir merken halt Verschiedenes. Diejenigen, die ins Ausland gegangen sind und sich alleine durchschlagen mussten, weil es Kontaktbeschränkungen gab, fragen sich jetzt, warum sie Mitglied werden sollen. Es ging ja auch ohne Hilfe der „Cercles“. Im Vorstand ist es auch schwerer, neue Mitglieder zu gewinnen, weil man sich nicht trifft. Dennoch bleibt das Ausland attraktiv. Die Niederlande sind durch den Brexit ein „Place to be“ geworden. Und Österreich steht nach wie vor oben auf der Liste.

Warum haben Sie das Amt als ACEL-Präsidentin angestrebt?

Ich habe zwei Jahre im Vorstand Erfahrungen gesammelt und es hat mir Spaß gemacht und tut es immer noch. Die Herausforderung, schnell auf neue Vorschriften zu reagieren, den Studenten weiterzuhelfen und bei den zuständigen Ministerien anzuklopfen, begeistert mich. Je nachdem, was sich gerade ändert, brauchen wir schnelle Antworten.

Hatten Sie das Gefühl, dass die Studenten in der Pandemie vergessen wurden?

Schon ein bisschen – gerade am Anfang. Als die Grenzen geschlossen wurden, wussten wir nicht, wie komme ich in mein Studienland zurück. Da war es wichtig, die zuständigen Ministerien wie Außen-, Bildungs- und Gesundheitsministerium zu kontaktieren und sie darauf aufmerksam zu machen.

Züricher Ball, Brüsseler Ball und das weihnachtliche Fußball-, Basket- und Volleyballturnier sind wieder abgesagt. Was bedeutet das für die Studenten?

Die Weihnachtszeit ist eine ganz besondere für uns luxemburgische Studenten. Es heißt, Familie, Freunde und Mitstudenten zu sehen. Das ist ein fester Bestandteil von den Weihnachtsferien. Die Absagen waren schon ein Schlag, vor allem weil es so kurzfristig war. Bei den Bällen wurde aus dem Aufbau ein Abbau. Die ganze Vorfreude war dahin …

Die Absage der Bälle hat ja aber auch finanzielle Konsequenzen. Wie geht die ACEL als Dachverband damit um?

Es ist eine finanzielle Hilfe seitens des Bildungs- und Gesundheitsministeriums geplant. Wir als ACEL versuchen, da den Kontakt zwischen dem Ministerium und den Betroffenen herzustellen und eine Lösung zu finden.

Wie steht es denn um die finanziellen Auswirkungen der Pandemie in den Portemonnaies der Studenten?

Als die Pandemie begann, wurden Studenten oft in ihren Nebenjobs fristlos gekündigt, weil alles geschlossen wurde. Die betroffenen Studenten konnten in diesem Fall einen Härtefallantrag stellen, um eine zusätzliche finanzielle Hilfe zu erhalten. Außerdem gibt es neben den zwei normalen Bonussemestern noch eines, wo die „Bourse“ weiterläuft wegen der Pandemie. Das gilt nicht für Studenten an den Universitäten, die die Regelstudienzeiten von sich aus verlängert haben.

Für das Gesetz, das die studentischen Praktika regelt, hat die ACEL jahrelang gekämpft. Gerüchte besagen, dass die Regeln nicht überall eingehalten werden. Stimmt das?

Ja, wir wissen von solchen Fällen. Aber wir haben wenig Konkretes, weshalb wir vom ACEL-Vorstand an alle, denen das passiert, appellieren, sich an uns zu wenden. Zahlenmäßig kann ich das nicht beziffern, aber es gibt dieses Problem.

Die für Studenten wichtige Messe war bislang hauptsächlich virtuell. Wie sieht es für die nächste aus?

Da ist leider noch nichts klar. Die Erfahrung zeigt, die Schüler trauen sich weniger, wenn es online ist. Und wir können sie nicht konkret ansprechen, um sie für ein Studium oder eine Stadt zu begeistern

Was sind die wichtigsten Aufgaben für die ACEL in 2022?

Das Krisenmanagement wird weitergehen: Schnell reagieren, um den Studenten zu helfen. Nach wie vor bereiten wir unsere Events vor wie „Student fir 1 Dag“ in den Osterferien, „De Studentebal“ im Sommer und das „Tournoi de Noël“.

Haben Sie auch einen Plan B?

Wir haben jetzt schon zwei Jahre Plan B. Wir passen uns dann an.

Was haben Sie sich persönlich für 2022 vorgenommen?

Ich nehme mir nicht so viel vor. Wahrscheinlich ist es, das Beste aus allem zu machen und glücklich zu sein.