LuxemburgAbgestraft für Kritik? Geschasster Experte erhebt Vorwürfe – Opposition fordert Aufklärung

Luxemburg / Abgestraft für Kritik? Geschasster Experte erhebt Vorwürfe – Opposition fordert Aufklärung
Auch im Tageblatt hatte Jeff Da Costa (kleines Foto) Kritik am Krisenmanagement geübt. Gab es dafür später Druck auf seinen Arbeitgeber? Foto:Editpress/Fabrizio Pizzolante/Privat

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Hat ein Hydrometeorologe und Doktorand seinen Job in Luxemburg verloren, weil er das öffentliche Katastrophenmanagement rund um das Hochwasser im Juli 2021 kritisiert hat, unter anderem im Tageblatt? Ein Bericht des Radiosenders 100,7 hat genau das am Montag (30.5.) nahegelegt – und innerhalb kurzer Zeit die Politiklandschaft in Aufregung versetzt.

Das sagt die Regierung

Auf Anfrage des Tageblatt beteuert eine Regierungssprecherin am Dienstag, man bekenne sich „zum Prinzip der Meinungsfreiheit und Forschungsfreiheit, die selbstverständlich auch für Forschende gelten“. Es sei „gängige Praxis, dass Forschende Entwicklungen in ihrem Fachgebiet öffentlich kommentieren“. Kritik an der Regierungsarbeit sei in einer Demokratie ein normaler Vorgang und „in keinster Weise verboten oder unerwünscht“.

Das Staatsministerium habe keine persönlichen Kontakte zur Leitung von RSS Hydro. Dem Staatsministerium seien „aktuell keine persönlichen Kontakte zwischen Regierungsmitgliedern und der Firmenleitung bekannt“.

Ob es in nachgeordneten Ebenen im Apparat, also bei Ministerien oder Behörden, geschäftliche Kontakte gegeben habe, werde derzeit geprüft.

Die Partei „déi Lénk“ fragt am Dienstag per Communiqué: „Politischer Druck, um unbequeme Stimmen zum Schweigen zu bringen?“ Und die Piraten haben gleich zwei parlamentarische Fragen zum Thema aufgesetzt: Unter anderem soll die Regierung erklären, ob ministerielle Geschäftsbeziehungen zur Firma RSS Hydro bestehen. Denn es steht der Verdacht im Raum, dass der Firmenleiter unter Druck gesetzt wurde, nachdem einer seiner Mitarbeiter allzu offen Kritik an Regierung und Behörden geübt hat. 

Die in Düdelingen ansässige Firma war einige Monate lang, bis September 2021, Arbeitgeber für den Hydrometeorologen Jeff Da Costa, der damals wie heute mit der Erstellung seiner Doktorarbeit an der Universität der englischen Stadt Reading befasst ist. Da Costa untersucht nach eigenen Angaben Möglichkeiten der „wirksamen Anpassung an die Folgen zunehmender Unwetterereignisse im Zuge des Klimawandels“, wozu ausdrücklich auch „Frühwarnsysteme“ gehören. Und genau bei diesen hat der Doktorand grobes Versagen konstatiert, auch in Luxemburg: Das Tageblatt hat bereits im Juli, wenige Tage nach den verheerenden Fluten, die Kritik aufgegriffen, die Da Costa zunächst im akademischen Nachrichtenmagazin The Conversation formuliert hatte: Die vorliegenden Warnungen zur Heftigkeit der Überschwemmungen seien nicht ernst genug genommen worden – was aber keineswegs nur in Luxemburg so gewesen sei, sondern in vielen der betroffenen Länder, etwa auch in Deutschland. Anschließend habe es ein starkes Medieninteresse gegeben, auch aus dem fernen Ausland. Eine Anfrage kam vom US-Sender CNN. Und trotz der substanziellen Kritik habe Da Costa auch von seinem Chef nie etwas anderes als Rückhalt erfahren. Im Gespräch mit dem Tageblatt geht Da Costa davon aus, dass seinem Arbeitgeber die regelmäßige Nennung der Düdelinger Firma in internationalen Medien sogar durchaus gefallen haben müsste.

„Dasselbe gesagt wie vorher auch“

Es habe jedenfalls auch keine anderen Signale gegeben, als schließlich noch der Luxemburger Radio- und Fernsehsender RTL Interesse an Da Costas Ausführungen zeigte – fast zwei Monate nach der Flutkatastrophe und dem großen Medienecho. „Ehrlich gesagt war das für mich nichts Besonderes, ich habe da prinzipiell dasselbe gesagt wie den ganzen Sommer über“, erinnert sich Da Costa heute. Gefilmt wurde das Gespräch mit RTL sogar in der Niederlassung von RSS Hydro im „Innovation Hub“ in Düdelingen – und der Chef saß während des Interviews an der Seite seines meinungsstarken Angestellten und soll die resultierende Sendung später ausdrücklich gelobt haben, etwa in einer Rundmail an das eigene Team.

Das Lachen ist dem Hydrometeorologen Jeff Da Costa zwischenzeitlich etwas vergangen.
Das Lachen ist dem Hydrometeorologen Jeff Da Costa zwischenzeitlich etwas vergangen. Foto: Privat

Doch kurze Zeit später habe sich der Wind dann sehr plötzlich gedreht – und sei merklich abgekühlt. Am Rande der Technologie-Messe ICT Spring, die vom 14. bis 17. September auf Kirchberg stattfand, habe der RSS-Hydro-Chef plötzlich erklärt, dass sich nicht näher benannte „Leute“ an der offen kritischen Haltung des Angestellten gestoßen hätten. „Ich war schon ziemlich enttäuscht, dass sich die Haltung meines Chefs so geändert hat“, sagt Da Costa. Weil er damals nicht mit Ärger im Bauch habe nach Hause gehen wollen, sei er noch auf eine Café-Terrasse in die Innenstadt eingekehrt – wo er auf Dan Biancalana getroffen sei, der ihm als Bürgermeister von Düdelingen und Parlamentsabgeordneter bekannt war. Verunsichert durch die jüngsten Entwicklungen habe er das Gespräch mit dem LSAP-Mann gesucht, der offenbar in Begleitung weiterer Parlamentarier gewesen sei, die Da Costa aber nicht erkannte. Es sei zu einem kurzen Wortwechsel gekommen, in den sich auch einige dieser anderen Anwesenden eingebracht hätten. Die ganze Situation sei „seltsam und sogar bedrohlich“ gewesen, erinnert sich Da Costa, da er sich „ein bisschen attackiert“ gefühlt habe. Ein Anwesender habe ihn als „Du bist der, der schlecht über uns redet“ bezeichnet und Biancalana habe ausdrücklich das Wort „Versagen“ als „starke“ Aussage benannt. Da Costa hatte den Begriff benutzt, der es auch in die RTL-Schlagzeile schaffte.

Gegenüber dem Tageblatt erinnert sich Biancalana am Dienstag (31.5.) zwar an das zufällige Treffen vor mehr als acht Monaten, er könne jedoch nicht mehr sagen, wer noch dabei war. Er räumt ein, dass Da Costa wohl habe einen gewissen Unmut ertragen müssen – der Tonfall des kurzen Gesprächs sei aber „nicht unangenehm“ und schon gar nicht einschüchternd oder gar bedrohlich gewesen. Weitergehende Kritik stehe ihm „ja auch gar nicht zu“, beteuert Biancalana. Auf jeden Fall sei das Zufallstreffen der erste und letzte persönliche Kontakt gewesen. Die Firma habe wohl im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens (PAP) Dienstleistungen für die Gemeinde Düdelingen erledigt, dies habe aber nur marginalen Umfang gehabt: „Wir sind sicherlich nicht der wichtigste Kunde für RSS Hydro“, mutmaßt Biancalana.

„Entweder du oder die ganze Firma“

Nach dem wenig erbaulichen Messe-Termin und der Begegnung mit den Politikern im Café eskalierte für Da Costa die Situation bald denkbar schnell: Sein Chef sei für ihn erst nicht zu sprechen gewesen, dann sei er von einem der wöchentlichen Team-Meetings bei RSS Hydro ausgeschlossen worden – um schließlich vom Chef zu hören, er müsse sich von Da Costa distanzieren: „Entweder gehe ich oder die ganze Firma unter“ sei zum Ausdruck gebracht worden. Einen angebotenen Aufhebungsvertrag habe Da Costa abgelehnt und so stattdessen die Kündigung erhalten, die auch nicht weiter erklärt werden musste: Nach nur dreieinhalb Monaten Anstellungszeit befand sich der Hydrometeorologe schließlich noch mitten in der Probezeit. Der bisherige Chef habe es dabei glattweg abgelehnt, sich etwa zunächst mit der Universität abzusprechen.

„Plötzlich hatte ich kein Gehalt mehr, keine Krankenversicherung, keine Absicherung“, beschreibt Da Costa den Sturz ins schier Bodenlose, mit dem eine enorm stressige und auch „demütigende“ Zeit begonnen habe: Mit seinem Arbeitsplatz verlor Da Costa nämlich auch den Betreuer für seine Doktorarbeit. Um diese überhaupt fortführen zu dürfen, musste er innerhalb kurzer Zeit Vollzeit-Forschungsstudent in Reading werden. Die Universität dort übernimmt immerhin die fünfstelligen Studiengebühren, was der Luxemburger als klaren Beleg dafür sieht, dass man hinter ihm stehe. Viele Faktoren seien aber vor allem finanziell sehr belastend – und der Brexit mache vieles auch nicht gerade einfacher, etwa was Arbeitserlaubnisse angeht.

Auf Anfrage des Tageblatt erklärt RSS-Hydro-Chef Guy Schumann nicht, ob und wie man nach dem RTL-Internview auf ihn zugekommen ist. Er erläutert aber, dass man es „als Unternehmen zulasse und sogar möge, wenn es konstruktive Kritik gibt“. Es sei aber „weder als Unternehmen noch als Unternehmensleiter noch als Wissenschaftler vertretbar, wenn die Aussagen als Anklage verwendet werden, und das auch nur in eine Richtung“. Schließlich gehe es „darum, Lösungen zu finden und nicht noch mehr Probleme zu suchen“.

Stein ins Rollen gebracht

Zwischen Da Costa und ihm selbst „als Wissenschaftler und auch als Firmeninhaber“ habe es darum „immer mehr Meinungsverschiedenheiten gegeben“, sodass der Vertrag während der Probezeit gekündigt worden sei. Die tieferen Gründe seien „eine rein interne Angelegenheit und gehören nicht in die Öffentlichkeit“, heißt es in einer E-Mail an das Tageblatt.

Für Da Costa bleibt der Sinneswandel seines Chefs allerdings weiterhin merkwürdig: Als Kritiker am Katastrophen-Management habe er doch wochenlang „immer die gleichen Punkte erwähnt“, ob auf Deutsch, Französisch oder in einer anderen Sprache. Wenn überhaupt, hätte der einstige Chef schon nach dem frühen Artikel im Tageblatt Zweifel an der offenen Kritik anmelden müssen: Doch erst Monate später, nach dem Auftritt bei RTL, sei es plötzlich zur dramatischen Kehrtwende gekommen, die Da Costa mittlerweile zu einem Einwohner Readings gemacht hat. Dort hadert der Doktorand aber nicht mit dem, was er getan hat: „Mir ist es wichtig, dass ich meine Integrität nicht verliere und meine Prinzipien nicht verrate“, gibt er im Telefongespräch mit dem Tageblatt an. Auch wenn es „natürlich ein persönliches Risiko“ gebe, sei er „da auch einfach mal naiv“: „Ich hoffe, wenn man das Richtige macht und sich nicht versteckt und von Anfang an ehrlich ist, geht es am Ende trotzdem irgendwie in Ordnung.“

Darum habe er sich auch entschlossen, mit dem Geschehenen nochmals an die Öffentlichkeit zu gehen, auch wenn er nicht wirklich gerne im Mittelpunkt des Interesses stehe. Den Stein, den er jetzt losgetreten hat, dürfte er jetzt jedenfalls nicht mehr aufhalten können: Die Vorgänge rund um seine Entlassung weiter zu beleuchten, dürfte nun nicht nur Ansinnen der Presse sein – sondern auch der Oppositionsparteien, die unter anderem fragen, ob es in Luxemburg etwa eine „Omertà“ gebe.

Lesen Sie hier Teil 2 der Da-Costa-Affäre.

ARM
8. Juni 2022 - 15.03

@Marechen/ "Gambia ass dat Bescht etc." War dir déi lëscht puer Joer wéit ewech am Ausland an der Pampa?

Marechen
7. Juni 2022 - 23.44

Gambia ass dat Bescht wat dem Land jee zougestouss ass. Lo wou d'CSV an zwee gespléckt ass, kommen déi ni méi erëm. An dat ass och gutt esou.

Jeff
6. Juni 2022 - 22.43

@Ruth - traureg genuch - wat dat wuel iwwert Follëk ausseet ….

ZiLa
6. Juni 2022 - 22.11

Merci Gambia.

Ruth
6. Juni 2022 - 19.03

@Marie "An de nexten Gambia Skandal" An Ären Aen natierlech erëm, Dir sidd jo och nom Jesus senger Mamm benannt. Wir wielen déi nach oft erëm, do kënnt der Gëft drop huelen.

Jules
6. Juni 2022 - 11.33

Gambia ass esou wieso egal waat, virun de Wahlen alles super, wann se bis derbei sinn dann gett no den Privilegien gekuckt,Steiergelder verpufft, den Bierger veraascht asw. lauter politischen Banditismus.

Nicolas
5. Juni 2022 - 16.42

Et as jo awer gewost dass een hei am Ländchen keng Kritik gei'nt verschidden Leit därf maan.

Robert Hottua
1. Juni 2022 - 17.21

2005 wurde ich aus dem lux. Staatsdienst entlassen, weil ich auf lebensgefährliche und tödliche Zustände, die man als Resultat einer jahrzehntelangen Omerta-Politik bezeichnen kann, hingewiesen habe. MfG Robert Hottua

François
1. Juni 2022 - 15.33

@ Marie Wat ass Gambia dann anescht wéi eng kléng Diktatur? "We know what is good for you". Leitmotiv: Schléimen net mäckeren!

jo
1. Juni 2022 - 14.24

Eng eierlech, kritesch Meenung vun Wëssenschaftler war zu L nach ëmer onerwënscht. Ech erenneren mech wei den Santer d'Bierger opgeruff hat, um Gottes Wëllen keng Radioaktiviteitsmießatell ze installeieren (no Tchernobyl).

Marie
1. Juni 2022 - 14.15

An de nexten Gambia Skandal. Et gett emmer besser! Ech hat gemengt, dass esou Zoustänn just an Diktaturen oder bei der Mafia herrsche gengen?

Grober J-P.
1. Juni 2022 - 10.19

"er könne jedoch nicht mehr sagen, wer noch dabei war." Totale Amnesie, ist schon schlimm, ist sogar sehr schlimm, habe das auch mitgemacht. Kommt meistens, einmal, bei Männern unter 70 vor. Wird ausgelöst durch einen Schock oder übermässigen Stress. Legen sie dem jungen Mann einpaar Fotos vor.

De soziale Fred
1. Juni 2022 - 9.20

Et schéngt jo bâl wéi wann eis Regierung sech géif e Beispill um Putin a Konsorten huelen. Kritik un hinnen as net awënscht… Eng Schân fir eist Land. Die Diktatur lässt grüßen!