JustizStaatsanwaltschaft fordert 30 Jahre Haft für tödlichen Schuss aus Polizeiwaffe

Justiz / Staatsanwaltschaft fordert 30 Jahre Haft für tödlichen Schuss aus Polizeiwaffe
Notwehr, oder nicht? Darüber muss das Bezirksgericht Luxemburg entscheiden. Es geht um den tödlichen Schuss aus einer Polizeiwaffe im April 2018. Foto: Editpress/Julien Garroy

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30 Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft für den Ex-Polizisten, der 2018 bei einer Verkehrskontrolle einen Mann mit seiner Dienstwaffe erschoss und dem deswegen Totschlag vorgeworfen wird. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Alles dreht sich um die Frage der Notwehr.

Zehnter und vorletzter Prozesstag vor dem Bezirksgericht Luxemburg. Anklage und Verteidigung kommen zu Wort. Es geht um einen ehemaligen Polizisten, der bei einer Verkehrskontrolle am 11. April 2018 mit einem Schuss aus seiner Dienstwaffe einen Autofahrer tödlich verletzt. Totschlag oder Notwehr? Darüber muss das Gericht nun urteilen.

Für die Vertreterin der Anklage ist die Sache klar. Nein, ein Beamter müsse sich nicht über den Haufen fahren oder verletzen lassen, sagt sie. Dann folgt ein Aber. Bei Ex-Polizist M. geht die Staatsanwältin nämlich offensichtlich nicht davon aus, dass es sich um Notwehr gehandelt habe. Vielmehr habe der junge Mann, dem sie eine gewisse Kaltblütigkeit unterstellt, ihrer Meinung nach gewissermaßen eine Situation provoziert oder sich zurechtgelegt, in der er von seiner Dienstwaffe habe Gebrauch machen können. In seiner Zeit bei der Polizei und vielleicht auch bereits vorher habe der junge Mann Fantasien gehabt, die er habe ausleben wollen. Nachdem er acht Monate im Dienst gewesen sei, habe er das tun können, so die Staatsanwältin.

Die dunkle Seite

Für diese Gewalt-Fantasien, für die dunkle Seite des Beschuldigten, würden die Gewaltbilder sprechen, die auf seinem Computer gefunden wurden, so die Staatsanwältin. Belastend käme hinzu, dass der Beschuldigte weder im Gespräch mit dem Psychiater noch vor Gericht habe erklären wollen, warum er diese Bilder gehabt habe.

Für die Staatsanwältin hat der damalige Polizist 2018 nicht in Notwehr gehandelt. Er habe andere Möglichkeiten gehabt, zu reagieren, diese aber nicht genutzt, mutmaßt sie.

Die Vertreterin der Anklage fordert deshalb eine Gefängnisstrafe von 30 Jahren. Über eine Teilbewährung könne man reden, weil es gewisse mildernde Umstände gebe. Weil sich eine Situation wie die in Bonneweg nicht wirklich an der Polizeischule lehren und lernen lasse. Weil ihm bei der Polizei niemand auf die Finger geklopft habe, als er sich danebenbenommen habe. Und weil er sich bisher nichts zuschulden habe kommen lassen.

Mangel an Empathie

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft tue weh, so Me Philippe Penning. Sie sei kurz, klar und knackig, aber zu einfach, lasse es an Empathie fehlen. Darüber hinaus sei die Erwähnung jener Bilder, die auf dem Computer gefunden wurden, wie ein Schlag unter die Gürtellinie. Sie seien Bewältigung eines schlimmen Erlebnisses gewesen, nicht Anstachelung dazu. Es ist klar, für die Verteidigung des Ex-Polizisten sieht die Sache komplett anders aus.

Die Aussagen der verschiedenen Zeugen seien wohl teils widersprüchlich oder gar falsch. Alle aber würden von quietschenden Reifen, Vollbremsung des Mercedes, aggressivem Zurücksetzen und dann wieder schnellem Beschleunigen nach vorne berichten – geradewegs auf den Polizisten zu. Diese Eindrücke der Zeugen würden die reale Gefahr ausdrücken, die bestanden habe. Sein Mandant sei in einer Gefahrensituation gewesen. Es ging um sein Leben oder um das des anderen. „Es ist sein Recht, so zu denken“, so Me Penning.

Der Anwalt weist den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, sein Mandant habe eine Schießsituation provoziert. Vielmehr sei es das Benehmen des späteren Opfers gewesen, das die gefährliche Situation während längerer Zeit provoziert habe. Nämlich indem es trotz klarer Handzeichen und eines Schlags in die Beifahrerseite sich und sein beschädigtes Fahrzeug der Kontrolle entziehen wollte, dabei ein anderes Fahrzeug streifte, Fahrerflucht beging, später auf ein Polizeifahrzeug und anschließend auf einen Polizisten zusteuerte.

Viele Unwägbarkeiten

Es habe viele Unwägbarkeiten gegeben, eine Stresssituation sei es gewesen, in der sein Mandant letztendlich binnen wenigen Sekunden habe entscheiden müssen, so Me Philippe Penning. Nein, der damalige Polizist sei nicht mit der Absicht unterwegs gewesen, zu schießen. Dann hätte er sich anders vorbereitet und benommen, vor allem anders geschossen – und er wäre öfters zum Schießtraining gegangen, was er aber nicht getan habe.

Seine Reaktion sei eine Art Notwehr gewesen, ein Verhalten, das eine solche Stresssituation durchaus auslösen könne. Vor allem aber sei es eine Reaktion auf das Benehmen des Fahrers des Mercedes insgesamt gewesen.

Me Philippe Penning fordert deshalb den Freispruch für seinen Mandanten.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

Lucilinburhuc
14. Oktober 2022 - 15.15

Lässt Tief blicken wenn die Staatsanwaltschaft als mildernde Umständen die unzureichende Ausbildung der L Polizei anführt....

JJ
13. Oktober 2022 - 10.09

Eine " mutmaßende" Staatsanwältin. Hoffentlich wird die Richterin nicht nur mutmaßen oder den armen Teufel einsperren weil er einen Rambo-Film auf dem PC gespeichert hat. Aber man sieht wie der Staat hinter seinen Leuten steht wenn die Bude brennt.Ob die Staatsanwältin auch bei einer Polizistin so harsch geurteilt hätte? Und müsste man nicht herausfinden ob ein zukünftiger Polizist Gewaltverherrlicher ist oder nicht? Aber das Volk braucht ein Opfer nach so einer Tat. Wäre der Tatbestand umgekehrt,hätte man schnell eine Entschuldigung für den Täter bereit.Schwere Kindheit oder so und der Täter wird zum Opfer. Tatsache ist doch wohl,dass der Mann noch leben würde wenn er den Anweisungen eines Polizisten gefolgt wäre.