KinoSchade, dass der Film nicht länger ist: „Los delincuentes“ von Rodrigo Moreno

Kino / Schade, dass der Film nicht länger ist: „Los delincuentes“ von Rodrigo Moreno
An „Los delincuentos“ war auch die luxemburgische Produktionsfirma „Les films fauves“ beteiligt Foto: Wanka Cine

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Ein Film, der gleichzeitig Liebes- und Gefängnisfilm ist sowie Komödie und Western, in dem gut gegessen, gelebt, geliebt und gespielt wird – all das bekommt man im argentinischen Film „Los delincuentes“ zum Preis eines einzigen Kinotickets geboten. Die wahrscheinlich tollste Koproduktion in der Geschichte der luxemburgischen Koproduktion. Ein Filmjuwel, welches man unter keinen Umständen verpassen sollte.

Wenn sich Menschen hierzulande begegnen, dann muss man nicht lange warten, bis die Frage gestellt wird: Was arbeitest du? Als ob die professionelle Orientierung eines Menschen viel über ihn aussagen und den ersten Eindruck maßgeblich beeinflussen würde. Zwei der Hauptfiguren, die das Geschehen von „Los delincuentes“ ins Rollen bringen, sind Bankangestellte. Morán und Román verbindet auch das Anagramm ihrer Vornamen. Welche dieser zwei Informationen wichtiger für einen selbst als Zuschauer ist, müssen Sie wohl für sich entscheiden.

Morán hat eines Tages die Schnauze voll und entscheidet, mir nichts, dir nichts, die Geldsumme, die er bis zu seinem Rentenalter verdienen würde, mitgehen zu lassen. Er verdoppelt diese Summe und weiht Román in seine Pläne ein. Dieser soll das Geld drei Jahre lang verstecken, während er seine Zeit im Gefängnis absitzt. Richtig, Morán nimmt drei Jahre Gefängnis, anstatt weitere 25 Jahre in der Bank abzusitzen! Was folgt, ist der wohl antiklimaktischste Banküberfall der Filmgeschichte. Und was wiederum darauf folgt, entzieht sich eigentlich jeglicher Beschreibung.

„Los delincuentes“ ist in gewisser Hinsicht schwer zu fassen, weil die Art, wie er daherkommt, so leicht wie ein Soufflé ist – oder was das argentinische Pendant für das Dessert wäre. Rodrigo Moreno kommt mit einem von Genre zu Genre hüpfenden Film daher, der mit einer Leichtigkeit punktet, die das weltweite Arthouse-Kino schon sehr lange nicht mehr gesehen hat. Die Grenzen des dekonstruktivistischen Spiels der Filmform sind so reibungslos, dass man eigentlich nie so wirklich zu wissen scheint, wohin die Reise führt. Filme, die sonst so etwas machen und meinen, die Regeln der Dramaturgie auf den Kopf zu stellen, schreien eigentlich nach Aufmerksamkeit und zeigen mit dem Finger auf den Filmemacher.

Keine Überheblichkeit

Sind Morán und sein zu Beginn nicht ganz erfreuter „Partner in crime“ Román eigentlich Verbrecher? Wohl kaum, will uns der Film mitteilen. Der Ursprung der Geschichte ist auch schon geklaut. Die anfängliche Prämisse findet man schon bei Hugo Fregonese und seinem Film „Apenas un delincuente“. So viel dazu. Aber während in dem argentinischen Noir aus den späten 40ern das Geld von imminenter Wichtigkeit ist, rückt es bei Moreno allmählich in den Hintergrund. Der dreistündige Film – der gerne wenigstens doppelt so lange sein könnte – ist einer von kleinen Manifesten und von schönen Menschen, die zwar alle eine leichte Meise haben, denen man jedoch trotz ihrer Macken bis ans Ende der Welt folgen würde. Anagramme, Spiegelbilder und Dopplungen sind an allen Ecken zu finden, die Narrative und die Form werden zu einer einzigen Spielwiese, die zu keinem Moment in Überheblichkeit abdriftet und schon gar nicht in irgendwelche esoterischen Sphären rückt.

Nichtsdestotrotz geht es in „Los delincuentes“ um die Möglichkeiten und Grenzen vom Ausbruch aus klaren Lebensmustern. Der Film möchte sein Publikum nicht belehren, verurteilt seine Figuren niemals und schadet sich nicht, einfach mal zu sein. Wenn Rodrigo Morenos Film eine Existenzkrise wäre, dann wäre es die wahrlich schönste und entzückendste der Welt.

„Los delincuentes“ ist nur der jüngste Teil einer ganzen Reihe von Filmen aus Argentinien, die zum Besten gehören, was das Weltkino gerade zu bieten hat.

„Los delincuentes“ von Rodrigo Moreno, mit u.a. Daniel Elías, Esteban Bigliardi, Cecilia Rainero und Laura Paredes. Zu sehen im Ciné Utopia und den Regionalkinos von Cinextdoor.