„Abrigado“Kampf gegen Überdosen

„Abrigado“ / Kampf gegen Überdosen
Die Nächte auf der Straße sind hart. Im „Abrigado“ fühlen sich die Besucher sicher und gönnen sich eine Runde Schlaf. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der Drogenbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, Burkhard Blienert, war am Donnerstagmorgen mit einer Delegation in Luxemburg zu Gast. Zusammen mit der Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) besuchte er gestern die Fixerstube „Abrigado“. 

Am Donnerstagmorgen prallten im „Abrigado“, unweit des hauptstädtischen Bahnhofs, zwei Welten frontal aufeinander. Auf der einen Seite, die, die immer da sind: Streetworker, Obdachlose und Drogensüchtige. Auf der anderen Seite schwarze Limousinen mit Fahrern, die nur darauf warteten, endlich weiterfahren zu können. Beide Lager hielten respektvoll Abstand voneinander. Normalerweise müssen alle Besucher der Fixerstube sich durch ein Drehkreuz winden, an einem Streetworker vorbei. Für die Besucher aus den dunklen Limousinen galt das nicht. Sie durften durch die Hintertür eintreten und landeten so mitten im Kontakt-Café. Hier herrscht gewöhnlich kurz vor Mittag großer Andrang. Fast alle Sitzplätze sind dann besetzt. Einige falten Wäsche, doch die meisten hängen einfach nur ab. Die meisten Besucher sind Männer, doch auch eine Handvoll Frauen kauerte gestern im Aufenthaltsraum. „Knapp 20 Prozent der Klienten sind Frauen. Aus diesem Grund wird, in Zusammenarbeit mit der Stadt Luxemburg, im Juni eine Struktur speziell für obdachlose Frauen eröffnet“, erklärte der Direktor des „Comité national de défense sociale“ (CNDS), Raoul Schaaf, der die Delegation durch das Zentrum führte.

Direkt ans Kontakt-Café angegliedert ist das Büro der Sozialarbeiter, die die Konsumenten bei Bedarf beraten und orientieren. Auch der Drogenkonsumraum ist vom Gemeinschaftsraum aus schnell zu erreichen. Ein Ampelsystem zeigt an, ob es noch freie Plätze gibt oder nicht. Zudem erhalten die Konsumenten eine Nummer. Wenn diese an der Wand aufleuchtet, dann dürfen sie eintreten. In einem Drogenkonsumraum dürfen unter hygienischen Bedingungen illegale Drogen, in den meisten Fällen Heroin und Crack, konsumiert werden. Drogen werden jedoch keine ausgegeben. Acht Plätze sind für den intravenösen Gebrauch vorgesehen. Hinzu kommt ein getrennter Raum für den inhalativen Konsum, in dem sechs Nutzer Platz nehmen können. Die verschiedenen Sitzgelegenheiten sind mit dicken Metallplatten voneinander abgetrennt. „Diese Trennwände haben es uns erlaubt, auch während der Pandemie gut zu funktionieren“, schilderte Schaaf. Die Delegation aus Deutschland schien beeindruckt und nickte anerkennend.

70 Prozent haben keine Krankenversicherung

Pro Tag empfängt das „Abrigado“ 120 bis 140 Drogenabhängige. Jährlich werden ungefähr 400.000 Spritzen in dem Zentrum gewechselt. Wer eine benutzte Spritze abgibt, bekommt eine saubere zurück. So soll verhindert werden, dass benutzte Spritzen auf der Straße landen. 

Doch das „Abrigado“ ist viel mehr als zwei Drogenkonsumräume. Hier können bedürftige Drogensüchtige kostenlos einen Arzt aufsuchen oder einfach mal quatschen. „Rund 70 Prozent unserer Kunden haben keine Krankenversicherung. Aus diesem Grund sind die Arzttermine sehr gefragt. Allein vergangenes Jahr haben wir 1.287 Arzttermine gestellt. Ich würde es begrüßen, wenn alle Medizinstudenten der Universität Luxemburg während ihres Studiums hier ein Praktikum absolvieren müssten. Denn nur hier sieht man Wunden, die man woanders nicht sieht. Wir stehen auf jeden Fall mit der Uni in Kontakt“, sagte der Direktor des CNDS.

Im ersten Stock des Zentrums befinden sich 45 Betten. „In anderen Strukturen dürfen die Bewohner keine Drogen konsumieren. Hier ist das anders“, so Schaaf. Zurzeit arbeiten 160 Menschen in der Struktur. Ihnen ist es zu verdanken, dass es in der Vergangenheit zu keinen tödlichen Überdosen mehr in Luxemburg kam.

Medizinisches Cannabis bald nur noch in Ölform?

Wie gestern bekannt wurde, wurde der Starttermin für die Legalisierung von medizinischem Hanf verschoben, und so wundert es auch nicht, dass das Thema Cannabis gestern nur kurz zur Sprache kam. In Luxemburg dürfen seit 2019 speziell ausgebildete Ärzte chronisch kranken Patienten nämlich medizinisches Cannabis verschreiben. Bislang erhielten die Patienten ihr Hanf in reiner Blütenform oder in Form von Ölen. Nachdem vergangenen Sommer der Anbieter gewechselt wurde, beschwerten sich nun einige Patienten über die schlechte Qualität ihres medizinischen Cannabis. Damit das in Zukunft nicht vorkommt, gibt es erste Überlegungen im Gesundheitsministerium, medizinisches Cannabis nur noch in Ölform abzugeben. „Wir prüfen gerade, ob wir irgendwann keine Blüten mehr anbieten werden, sondern nur noch auf Cannabis-Öle zurückzugreifen“, verriet Gesundheitsministerin Martine Deprez. In Sachen Cannabis-Öl können die Patienten momentan aus drei verschiedenen Sorten wählen. Die potenteste enthält 25 Prozent THC. Das ausgewogenste Cannabis-Öl kommt mit zehn Prozent THC und zehn Prozent CBD daher. Die dritte Sorte enthält 20 Prozent CBD und fünf Prozent THC.

Romain
6. März 2024 - 10.55

Wer sich durch Drogenkonsum kaputt machen will, soll nicht auf Hilfe erhalten