Donnerstag30. Oktober 2025

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Geldmaschine Terroranschläge

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(dpa)

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Sogar gegen Anschläge konnten sich große Unternehmen lange versichern - bis zum 11. September 2001. Die Summen für die Schäden ging ins Unermessliche. Weltweit mußten die Versicherungen umdenken.

Versicherer beschäftigen unzählige promovierte und bestens bezahlte Mathematiker und Ökonomen, um die Risiken dieser Welt statistisch genau zu berechnen und ein passendes Preisschild daran zu heften. Nach den Attacken auf das New Yorker World Trade Center, die fast 3000 Menschen das Leben kosteten, war allerdings nichts mehr wie zuvor.

Die Versicherer mussten für bis dato nicht gekannte Schäden geradestehen: 32,5 Milliarden Dollar. Vor allem waren diverse Sparten gleichzeitig betroffen, so dass selbst „Worst-Case“-Szenarien zu kurz griffen. So gab es Schäden an Gebäuden und Flugzeugen, extrem teure Betriebsausfälle, Haftpflichtfälle, Arbeiterunfallpolicen wurden in Anspruch genommen und Hinterbliebene mussten entschädigt werden.

Radikale Antwort

Die Branche reagierte mit einer radikalen Antwort: „Es zeigte sich, dass die Gefahr deutlich weniger kalkulierbar war als gedacht. Daraufhin wurde Terror weltweit in allen industriellen Sachversicherungspolicen ausgeschlossen“, erinnert sich Volker Münch von der Allianz . Solche Schäden seien zuvor nicht vorstellbar gewesen. Terror werde seitdem als Risiko viel stärker wahrgenommen und ähnlich behandelt wie Kriege oder Atomrisiken, die in Industriepolicen ebenfalls standardmäßig ausgeschlossen seien, ergänzt Heike Trilovszky von der Münchener Rück. Denn Anschläge passen – anders als Erdbeben, Hurrikane, Hochwasser oder Autounfälle – nicht in die sonst üblichen Modelle der Firmen: „Vor allem die Frequenz von Anschlägen ist eigentlich gar nicht berechenbar“, sagt die Expertin des weltgrößten Rückversicherers.

Und so wurde schnell der Ruf nach dem Staat laut: Zwar könnten Versicherer viele kleine Risiken tragen, so Trilovszky weiter. „Bei den großen Industrierisiken muss aber der Staat einspringen. Denn hier können die Summen für Unternehmen richtig gefährlich werden.“ Gefunden wurde in Deutschland innerhalb eines Jahres eine Lösung, an der die großen Versicherer allesamt beteiligt sind, der Staat letztlich aber für die ganz großen Beträge haftet – der Spezialanbieter Extremus.

Geringe Nachfrage

Dieser steht oberhalb von 25 Millionen Euro für Entschädigungen von zwei Milliarden im Jahr gerade, der Staat deckt den Rest bis zu zehn Milliarden ab. Seit der Gründung gab es keinen Schadensfall, weswegen viele Kunden die Policen für zu teuer halten. Die Staatsgarantie wurde gerade bis Ende 2013 ausgedehnt. „Und ich bin zuversichtlich, dass sie auch darüber hinaus verlängert wird“, sagt Extremus-Vorstand Dirk Harbrücker.

Allerdings ist die Nachfrage viel geringer als nach 9/11 gedacht. Eine zunächst eigens von der Allianz mit Partnern gegründete Einheit wurde kein Erfolg und stellte ihr Geschäft mangels Resonanz schnell wieder ein. Und auch Extremus fristet zehn Jahre danach nur ein Nischendasein. „Von den 30 Dax-Unternehmen sind zwölf bis 15 gegen Terror abgesichert“, sagt Harbrücker zwar. Die jährlichen Prämieneinnahmen wurden aber einst auf 300 bis 400 Millionen Euro geschätzt – 2010 waren es nur 52 Millionen.

Spezielle Deckung

Harbrücker kontert, deutsche Unternehmen hätten Werte im Volumen von 600 Milliarden Euro bei Extremus abgesichert. Viele Firmen sehen sich dennoch nicht als klassisches Ziel, vor allem wenn sie weit weg von gefährdeten Städten wie Frankfurt oder Berlin sind und auf dem platten Land produzieren. „Für viele Unternehmen ist der Druck nicht mehr da“, sagt Münchener-Rück-Expertin Trilovszky. Allianz-Kollege Münch ergänzt, eine Absicherung sei auch oft unpraktisch. Schließlich operiere die Industrie weltweit, müsse aber in jedem Land eine eigene Police abschließen.

Ein völlig anderes Bild als im Industriegeschäft ergibt sich in der Luftfahrtversicherung, obwohl es auch hier mit einem Schock begann. Sammelte der Zweig damals 1,5 Milliarden Dollar an Prämien im Jahr ein, kosteten die Anschläge 4,5 Milliarden. „Da waren also die Einnahmen von drei Jahren auf einen Schlag weg“, sagt Allianz-Luftfahrtexperte Florian Karner. „Wenn man hier Terrorschäden einfach ausgeschlossen hätte, wäre der Großteil der zivilen Luftfahrt zum Erliegen gekommen.“ So wurde innerhalb einer Woche eine spezielle Deckung entwickelt. Diese schließt bei einem Absturz auch Schäden an Gebäuden ein. Das erweitert die herkömmlichen Policen, die das Flugzeug und die Passagiere an Bord absichern. Die neuen Produkte werden überwiegend von privaten Firmen angeboten, nur in den USA haftet der Staat.

Hurrikan „Katrina“

Bis heute ist 9/11 für die Versicherer die schlimmste von Menschen verursachte Katastrophe. Nur der Hurrikan „Katrina“, der 2005 die US-Südstaatenmetropole New Orleans zerstörte, kam die Branche mit gut 62 Milliarden Dollar noch teurer zu stehen. Aus Sicht der Experten würde ein vergleichbarer Anschlag, der angesichts stärkerer Kontrollen allerdings als unwahrscheinlich eingeschätzt wird, die Branche heute weniger hart treffen. Dafür würden die Staaten, die ohnehin schon mit gigantischen Schulden kämpfen, viel stärker in Mitleidenschaft gezogen.