Zuvor stand die Koalition am Rande eines Scheiterns. Merkel machte innerhalb der Unionsspitze deutlich, dass sie Gauck, der 2010 gegen den am Freitag zurückgetretenen Christian Wulff verloren hatte, nicht unterstützen wolle. Die FDP-Spitze um Philipp Rösler hielt aber an Gauck fest. Damit hätte die Union in der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, keinen eigenen Kandidaten durchbringen können.
Reaktionen:
Der sichtlich bewegte Gauck kündigte an, er wolle den Deutschen vermitteln, dass sie „in einem guten Land leben, das sie lieben können“. Merkel bezeichnete Gauck als„ wahren Demokratielehrer“, der nun wichtige Impulse für die Globalisierung, Schuldenkrise und mehr Demokratie geben könne.
Gaucks Lebensthema sei die„ Idee der Freiheit in Verantwortung“, erklärte Bundeskanzlerin Merkel. Dies verbinde sie als Ostdeutsche -„ bei aller Verschiedenheit“ – mit Gauck.„ Unsere Sehnsucht nach Freiheit hat sich 1989/90 erfüllt.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel meinte:„ Ende gut, alles gut.“ Gauck könne die Kluft zwischen Bürgern und politischer Klasse schließen.
FDP-Chef Philipp Rösler betonte, Gauck könne verlorenes Vertrauen in das Bundespräsidentenamt zurückgeben.
Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, Gauck sei schon 2010 der grüne Kandidat gewesen und könne in Zeiten von Rechtsterror in Deutschland viel bewegen:„ Joachim Gauck ist jemand, der Demokratie wieder Glanz verleihen kann.“ (dpa)
Gauck ist nach mehreren Umfragen klarer Favorit der Bürger. Rund jeder Zweite hält ihn für geeignet.
Verfahrene Lage
Die FDP hatte sich völlig überraschend einstimmig hinter Gauck gestellt und damit die Union düpiert. Der FDP-Vorstoß löste heftige Reaktionen im Unionslager aus. Die Lage war verfahren, weil die FDP zugleich auch die von der Union vorgeschlagenen Anwärter Töpfer und Altbischof Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche, nicht haben wollte.
Bei der ums Überleben kämpfenden FDP hieß es, nach zwei Jahren der Demütigung könne man nicht mehr alles von der Union schlucken, die in der Präsidentenfrage alle parteiübergreifenden Kompromisse blockiere. „Wir setzen auf volles Risiko“, Sagte ein FDP-Regierungsmitglied der dpa.
„Peinliches“ Verhalten
Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte zuvor das Verhalten der Union als „peinlich“ bezeichnet. CDU und CSU blockierten Gauck allein, weil sie einen „Gesichtsverlust“ für Merkel fürchteten, sagte Kubicki im ZDF. SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigte an, notfalls werde Rot-Grün zusammen mit der FDP Gauck wählen.
Das Verhältnis der beiden Ostdeutschen Merkel und Gauck gilt als angespannt. Der Gründungschef der Stasiunterlagen-Behörde hatte 2010 gegen den am Freitag zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff kandidiert und erst im dritten Wahlgang verloren.
Falsches Signal
Die von der Union ebenfalls genannte Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) wurde von der FDP abgelehnt, weil ihre Wahl ein zu starkes Signal für Schwarz-Grün im Bund wäre. Roth regiert seit 2006 in Frankfurt ein Bündnis mit den Grünen.
Der mögliche Kandidat Huber stieß bei FDP, Grünen und im katholischen CDU-Flügel auf starke Vorbehalte. Der bei Rot-Grün geschätzte Töpfer fand keine Zustimmung der FDP, weil er zu stark für eine grüne Energiepolitik stehe, hieß es.
Absagen
Der ursprüngliche schwarz-gelbe Favorit Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hatte eine Kandidatur am Samstag abgelehnt.
Bundespräsident Wulff war am Freitag nach nur 20 Monaten Amtszeit zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete am Wochenende gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident steht im Verdacht, Vergünstigungen von befreundeten Unternehmern angenommen zu haben.
Stichdatum: 18. März 2012
In der Bundesversammlung hat Schwarz-Gelb nur eine hauchdünne Mehrheit. Die Bundesversammlung muss bis zum 18. März ein neues Staatsoberhaupt wählen.
Gemeinsame Bundespräsidentschaftskandidaten sind selten. Bei der Wahl zum Bundespräsidenten standen in den Bundesversammlungen seit 1949 fast immer mehrere Kandidaten zur Wahl. Einzige Ausnahme: die neunte Bundesversammlung am 23. Mai 1989, als Richard von Weizsäcker ohne Gegenkandidaten mit großer Mehrheit für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt wurde.
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können