Bernard Cazeneuve ist seit dem 2. April 2014 Innenminister Frankreichs. Seit dieser Zeit hat er 19 Monate mit Attentaten, Toten und Verletzten erlebt, die kein Minister in Frankreich so überlebt hätte. Bernard Cazeneuve aber ist immer noch im Amt. Auch wenn er nun im Zusammenhang mit dem Attentat in Nizza in Schwierigkeiten gerät. Wer ist der Mann, der als „Monsieur Sicherheit“ und als Stütze für Staatspräsident François Hollande gilt?
Unauffällig, effektiv, große Arbeitskraft und vor allem Ruhe ausstrahlend, ist Bernard Cazeneuve ein Glücksfall in der französischen Politik. Nach Nicolas Sarkozy und Manuel Valls, zwei Innenminister, die sich inszenierten, gilt jetzt Zurückhaltung und Effektivität im Innenressort.
Kein Rampenlicht
Bernard Cazeneuve ist kein Mann, der sich ins Rampenlicht drängt. Er wirkt stets unauffällig. Nichts prädestinierte ihn für die Rollen, die er unter Francois Hollande in der französischen Regierung übernahm. Premierminister Jean-Marc Ayrault betraute ihn mit Europa Aufgaben. Es galt Vertrauen bei den Europäern zu erwerben nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Sozialisten.
Als der Staatssekretär für Haushaltsfragen sich als notorischer Steuerhinterzieher entpuppte und das Parlament belog, wechselte Cazeneuve in der Finanzburg im Pariser Osten. Cazeneuve war nicht froh mit dem Posten, füllte ihn aber mit Exzellenz aus. Ihm kam eine Charakter-Eigenschaft zugute. Er ist ein konsequenter Arbeiter, der seine Dossier tiefgreifend kennt und niemals über etwas hinweg redet.
Die Kompromisslösung
Bei der Bildung der Regierung Valls im April 2014 war Bernard Cazeneuve im Prinzip eine Kompromisslösung. Premierminister Valls hätte gerne Jean Jaques Urvoas als Innenminister gehabt, den derzeitigen Justizminister, der 2014 noch nicht durchsetzbar war. Der Wahl-Normanne drückte dem Innenministerium seinen Stempel auf. Erneut arbeitete er sich ein, versachlichte die Diskussion. Cazeneuve ist nicht jemand, der sich auf Polemik einlässt.
Eigentlich hatte er aber nur acht Monate, um „normal“ zu arbeiten. Dann traf ihn das Attentat auf das Satire Magazin Charlie Hebdo. Dann traf eine Granate der Gendarmerie bei einer Demonstration einen Studenten, der starb. Schließlich das Attentat im November, ein Attentat auf einen jüdischen Hypermarkt, eine ermordete Frau vor einer Kirche, für die ein Attentat bei einer sonntäglichen Messe geplant war, die Ermordung eines Polizisten-Ehepaares. Der Ärger mit rivalisierenden englischen und russischen Hooligans in Marseille. Das alles hätte gereicht, um zwei Innenminister im französischen System zu verbrauchen.
Innere und äußere Rüstung
Nicht so bei Bernard Cazeneuve. Der Mann der eigentlich freundlich drein blickt, mit einem leichten Lächeln im Mundwinkel, zog sich innerlich und äußerlich eine Rüstung an. Das Gesicht starr, stand er bei den Äußerungen von Staatspräsident Hollande hinter ihm und Premierminister Valls. Wenn die Reihe an ihm war, teilte er fast mit unbeteiligter Stimme Fakten mit, nichts als Fakten, nie Polemik. Cazeneuve steht in Frankreich für die Umsetzung des Begriffes „Krieg gegen Islamisten“ im Innern des Landes.
Es scheint so, als ob Staatspräsident Francois Hollande mit seinem Premierminister, mit Innenmister Cazeneuve, mit Außenminister Ayrault, mit Verteidigungsminister Drian und mit dem neuen Justizminister Urvoas seine wirkliche Regierung gefunden hätte. Cazeneuve entwickelte sich dabei zu einer Entdeckung. Ihm und seiner Sicherheitsstrategie ist zuzuschreiben, dass die Fußball Europameisterschaft sicher abgewickelt werden konnte, was bei Fan Zonen mit bis zu 100.000 Zuschauern durchaus nicht sichergestellt war.
Beginn der politischen Karriere
Der 52jährige ist in Senlis geboren, einer Stadt vor Paris. Die Sozialisten schickten ihn in die Normandie, um dort die Stadt Cherbourg den Bürgerlichen zu entreißen. Cazeneuve gelang der Wahlsieg, der der eigentliche Beginn seiner politischen Karriere war. Die Korrektheit, die er ausstrahlt, hat er im Innenministerium umgesetzt. Polizei, Gendarmerie und auch die Soldaten, die patrouillieren, können sich darauf verlassen, dass der Minister hinter ihnen steht. Aber nicht unbedingt. Unkorrekte Handlungen werden verfolgt.
Als ein Polizist einen bereits festgenommen Demonstranten schlug, ordnete er eine interne Untersuchung an. Und manchmal reichen kleine Sätze, um den Ordnungshütern die ministerielle Kritik nahe zu bringen. Als die Gewalt der Polizei in der ersten Phase des Ausnahmezustandes zunahm und Türen zu jeder Tages- und Nachtzeit eingetreten wurden, meinte er kurz und trocken, dass man Türen auch öffnen könne.
Kritik entzündete sich
Der Innenminister wäre kein Innenminister wenn sich nicht nach und nach Kritik an ihm entzündete. Der Gewalt bei den Pariser Demonstrationen sei er nicht genügend entgegengetreten, rügte die bürgerliche Opposition. Die 84 Toten bei dem Attentat in Nizza entwickeln sich nun nach und nach zu einem Skandal. Es habe nicht genügend Sicherheit gegeben, rügt der stellvertretende Bürgermeister von Nizza.
Die Chefin der Kamera-Überwachung in Nizza berichtet in der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“, dass das Ministerbüro von ihr einen „veränderbaren“ Bericht mit Erwähnung der nationalen Polizei verlangt habe. Sie schickte einen nicht veränderbaren und einen veränderbaren nach Paris. Bernard Cazeneuve tat etwas Ungewöhnliches. Er beauftragte die Innenrevision der Polizei damit, einen genauen Bericht zu erstellen.
Fakten zählen
Da ist er dann wieder, der korrekte Minister, der aufklären lässt, der Fakten klären, der Abläufe und Entscheidungsverantwortlichkeiten untersuchen lässt. Auch wenn er selber angegriffen wird, verändert er die Verhaltensweisen nicht. Polemik und Gesinnungsprozesse lässt er nicht erst zu. Fakten zählen, Fakten.
De Maart

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