Eine Ausstellung geht unter die Haut

Eine Ausstellung geht unter die Haut
(Hermann W?stmann)

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Im Pariser Museum für Moderne Kunst wird 27 Jahre nach seinem Tod Bernard Buffet wieder zum Leben erweckt. Die Werkschau mit 100 Gemälden geht unter die Haut.

Bernard Buffet war im vergangenen Jahrhundert der Maler, der das Publikum – zumindest bis in die 70er Jahre – am meisten bewegte. Bernard Buffet ist ein Maler, der durch seine Strichkunst berühmt wird. Er zeichnet in einfachen Strichen das Wesentliche.

Menschen haben keine Muskeln, keine Rundungen. Sie räkeln sich nicht, tanzen nicht. Sie sind insgesamt steif. Und doch gelingt es ihm, mit wenigen Strichen eines Gesichtes oder mit ein paar Strichen eines Körpers Gefühle auszudrücken. Es gibt nichts Überflüssiges. Bei Bernard Buffet wird auf den ersten Blick deutlich, was er ausdrücken will.

100 Werke in der Schau zu sehen

Oder doch nicht? Man muss in Wirklichkeit mehrfach hinschauen, um zu entdecken, was alles in den wenigen Strichen steckt, die für Bernard Buffet Malerei darstellen. Dabei ist er mit den wenigen Strichen dieser eckigen Malerei berühmt und wohlhabend geworden. Aber er kann auch anders, entwickelt sich nach den 1950er Jahren, das zeigt diese Ausstellung.

Über 100 Werke des Künstlers hängen im Museum für Moderne Künste der Stadt Paris. In den Archiven des Museums gibt es bei weitem mehr Werke von ihm. Bernard Buffet ist ein Serienkünstler. Er begnügt sich nicht damit, zu einem Thema ein Bild zu malen. Buffet geht an ein Thema wie ein Autor heran.

Begegnet den Themen wie ein Autor

Das zeigen seine Bilder gleich zu Beginn der Ausstellung, als er sich dem Zirkus widmet. Da gibt es ein äußerst anziehendes Bild eines Clown Gesichtes, aber auch andere Zirkus Motive, wie etwa die schwebenden Trapez Athleten, die sich bei genauer Betrachtung nie zu fassen kriegen werden und dem Absturz geweiht sind. Von seiner Lebensgefährtin und späteren Frau Annabel hat er gleich zwölf Motive gemalt.

Zu diesem Serien Maler hat sich Buffet erst später entwickelt. In seiner Anfangsphase seit 1945 probiert er aus. Aber auch da schon mit seltsamen Motiven, die keine Fröhlichkeit ausstrahlen. Buffet ist ein strenger Maler, der sich keine Phantasien erlaubt. Er reduziert auf die Essenz und überschreitet dabei Grenzen.

„Das muss man erst einmal wagen“

„Man mag mich für prätentiös halten, aber schauen sie meine Gemälde an und Sie werden sagen. „das muss man erst einmal wagen“. Ein solches Gemälde hängt gleich zu Anfang in der Ausstellung. Bei den Männern im Zimmer ist einer völlig nackt, der andere dabei, seine Hose zu öffnen.

Die nackte Frau ist stets Gegenstand der von Männern beeinflussten Kunst gewesen und zur Muse verklärt worden. Der so brutal mit einem hängenden Penis dargestellte Mann aber ist eine Ausnahme. Die Besucher der Ausstellung gehen in der Regel geniert an diesem Bild vorbei. Es ist auch heute noch nicht normal, nackte Männer in dieser brutalen – unfröhlichen – Deutlichkeit in der Kunst zu finden.

Tod und Krieg als Themen

Im Laufe seines Lebens hat sich Bernard Buffet Zyklen zugewendet: der religiösen, literarischen, allegorischen, oder der historischen Malerei und sich immer wieder mit dem Tod auseinandergesetzt. Die Ausstellung bringt Beispiele mit der Christus Passion, mit der Darstellung von Dantes Inferno, mit den Vögeln für die Allegorien.

Der Tod und der Krieg beschäftigten Buffet in besonderer Weise. Seine Darstellungen von herumliegenden Leichen bedürfen der Wappnung gegen zu tiefe Eindrücke. Buffet zeichnet mit einem Realismus, der in den aseptischen Kriegsdarstellungen unserer Tage in den Medien heutzutage nicht stattfindet.

Der Architektur-Zeichner bleibt außen vor

Die Ausstellung ist von den Kuratoren als historischer Zeitablauf zusammengestellt worden. Bei dem umfangreichen Werk fehlen die malerischen Darstellungen der Pariser Architektur oder auch die Reihe der Schlösser an der Loire. Hier wird dem Besucher der Architektur-Zeichner vorenthalten, der mit akribischer Genauigkeit Dächer, Giebel, Mansarden, Schlossfassaden darstellt und das fotografische Gedächtnis Buffets erkennen lässt.

Der 1928 geborene Künstler Bernard Buffet findet seine große Zeit in der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist die Zeit des Existenzialismus, der Suche nach einer Identität nach dem Zweiten Weltkrieg. Buffet schreckt auf mit seiner Malerei, gibt Anlass zu Diskussionen.

Eine Schule begründet er nicht

Paris, das schon zu Zeiten des zweiten Kaiserreiches die neuen Kunstformen des Impressionismus und Expressionismus zunächst verachtete, spaltet sich. Die Kunstfachwelt lehnt Buffet ab, die Menschen stehen Schlange vor der Galerie David, wenn es eine neue Buffet Ausstellung gibt. Bis 1970 wird Buffet zum Star in der Medienwelt, ist in der Fachwelt weiter umstritten.

Eine Schule, wie Monet, oder Manet oder Turner begründet er nicht. Mit der neuzeitlichen Kunst, die aus den USA nach Europa hinüberschwappt, gerät der Künstler auch ins Hintertreffen, findet erst 1988 seine Anhänger im Osten.

Beendet selbst sein Leben

In den 90er Jahren wird er von der parkinsonschen Krankheit getroffen. Er kann seinen Pinsel nicht mehr halten, nicht mehr malen. Die Malerei aber war sein Lebenssinn. Als kranker Mann will er nicht in das neue Jahrtausend hinübergehen. Am 4. Oktober 1999 begeht er Selbstmord.

Die Ausstellung endet mit einem Crescendo. Ein Affe streckt demonstrativ zufrieden und herrschaftlich seinen Bauch heraus und ein knallrotes Paviangesicht mit suggestiven Augen springt den Besucher an. Buffet, das zeigt sich, konnte auch völlig anders malen, Menschen erschrecken und verstören. Einmal aus dem Gebäude heraus in einen winterlichen Sonnenschein atmet man tief durch nach dieser Werkschau, für die man sich in Paris die Zeit nehmen sollte.

Kunstmarkt kann mit Buffet wenig anfangen

Der Kunstmarkt kann bis heute so recht nichts mit Buffet anfangen. Der Mann sagte von sich, dass er alle zwei Tage ein Bild malte. Es müssten um die 8.000 Werke von ihm vorhanden sein. Der Markt mag seine reduzierten Strichgemälde. Alles Spätere wird als zu wiederholungsmäßige Serienarbeit betrachtet. in Schanghai wird 2014 das Bild „Zwei Clowns“ für 800.000 Euro versteigert.

„Der Schrei des Clowns“ bringt 2015 in Hongkong 362.000 Euro. In London werden 2016 die „Musik Clowns“ für 1,5 Millionen Euro versteigert. „Die Konservatoren und die Kritiker hassen mich. Sie finden, dass ich zu häufig dasselbe male“ sagt Buffet. Die Folge: Die Bilder mancher Serien, die als mittelmäßig eingestuft werden, sind schon für 150.000 Euro zu haben.

Die Ausstellung „Bernard Buffet – Retrospektive“ ist bis zum 26. Februar im Musée d´Art Moderne de la Ville de Paris“ zu besichtigen. Öffnungszeiten: Dienstags bis Sonntags 10 – 18 Uhr, nocturne donnerstags bis 22 Uhr. Eintrittspreis: 12 Euro