Mittwoch5. November 2025

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Die wahre Qual kommt nach der Wahl

Die wahre Qual kommt nach der Wahl
(AFP)

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In Nordirland wird am Donnerstag gewählt. Dabei sind die letzten Wahlen nicht einmal ein Jahr her.

Das ist mehr als ungewöhnlich. Besonders hier im Norden, wo das politische Leben mit dem Karfreitagsabkommen seit 1998 eigentlich festzementiert ist. Dieses sogenannte Good Friday Agreement wurde 1998 geschlossen. Es ist der Fixpunkt des Friedensprozesses, der den euphemistisch „Troubles“ genannten Unruhen mit mehreren tausend Toten ein Ende setzen sollte. Was auch gelang. Im Zuge dieses Abkommens teilen sich die unionistische DUP und die nationalistische Sinn Féin in Belfast seit 2007 die Macht.

Regiert wird also gemeinsam. Gewählt wird trotzdem. In letzter Zeit jedoch gestaltet sich das Regieren im Team aber immer schwieriger. Hier liegt der Grund für die Neuwahlen. Die Sinn Fein ist schon länger unzufrieden. Sie sieht ihre Interessen von der DUP nicht ausreichend gewürdigt. Es geht dabei um die irische Sprache, um Identität. Aber bei weitem nicht nur.

Uneins über den Brexit

Die letzte gewichtige Meinungsdifferenz zwischen den beiden großen politischen Lagern in Nordirland war das Brexit-Votum. Die Sinn Féin und ihre Wähler waren für einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union. Die DUP, stramm auf London-Linie, rührte die Brexit-Trommel. Die Nordiren sprachen sich am Ende mehrheitlich gegen den Brexit aus. Es spielte aber keine Rolle. Die Briten wollten den Ausstieg.

Nun weiß man in Nordirland, das wegen seiner Grenze zur Republik Irland, den engen wirtschaftlichen Verzweigungen mit dem südlichen Nachbarn und dem nun wieder wackligeren Friedensprozess, nicht so recht, wie es weitergehen soll. Können sich DUP und Sinn Féin, die beide mit Stimmenverlusten rechnen müssen, nicht auf ein Koalitionsprogramm einigen, droht den Nordiren die Direktherrschaft durch London. Womit sie bei den Brexit-Verhandlungen überhaupt keine Stimme mehr hätten.

Keine schönen Aussichten

Das sind keine schönen Aussichten. Außer für die Sektierer beider Seiten, die sich in einem solchen Szenario berufen fühlen könnten, die alten, mehrheitlich begrabenen Feindschaften, neu anzetteln zu können. Was ist also passiert in Belfast, damit es soweit kommen konnte?

Das Fass zum Überlaufen brachte ein „Cash for Ash“ getaufter Energieförder-Skandal. Die staatlichen Beihilfen etwa für Holzpellets waren so hoch angesetzt, dass Nutzer für jedes investierte Pfund das 1,6-Fache zurückbekamen. Ein Bauer konnte sich so um rund eine Million Pfund bereichern, indem er einen leerstehenden Schuppen mit Pellets heizte.

Seinen Ursprung nahm das Programm, als die heutige DUP-Regierungschefin Arlene Foster noch Ministerin für Unternehmen und Investitionen war. „Cash for Ash“ fällt demnach in Fosters Verantwortungsbereich. Die Sinn Féin wollte Foster zum Rücktritt zwingen. Diese lehnte das ab. Also warf Sinn-Féin-Chef und stellvertretender Erster Minister Martin McGuinness (der die gleichen Befugnisse wie die Erste Ministerin Foster hat) vor rund zwei Monaten das Handtuch, brachte die Regierung so an ihr Ende – und Nordirland zu vorgezogenen Neuwahlen.

Sinn Féin vollzieht Wechsel

Hier streiten am Donnerstag die DUP mit Spitzenkandidatin Arlene Foster und die Sinn Féin unter Michelle O’Neill darum, wer stärkste Kraft in Belfast wird. Für die Sinn Féin, die mit O’Neill einen Bruch mit der Vergangenheit hinlegt und erstmals nicht von einem alten IRA-Kämpfer geführt wird, wäre dies eine Premiere.

Wie immer bei Wahlen in Nordirland hält sich die Aufregung in Grenzen. Auch in Belfast sieht man Wahlplakate nur an vielbefahrenen Straßen. Obwohl diesmal für Nordirland nicht weniger auf dem Spiel steht als die delikat austarierte Machtbalance zwischen Katholiken und Protestanten.

Das Wahlresultat wird vor allem dahingehend interessant, wie sehr die beiden großen Parteien an Stimmen einbüßen. Von dieser Machtverschiebung profitieren dürften kleinere Parteien. Das sind vor allem die die Sozialdemokraten der SDLP, die Trotzkisten von „People Before Profit“ und die überkonfessionelle „National Alliance Party“.

Als mehr oder weniger einzige Sicherheit gilt eine niedrige Wahlbeteiligung. Schon im Mai 2016 gingen nur 52 Prozent wählen. Emmet O‘Connor, Historiker an der Universität Ulster, prognostiziert vor allem bei den Protestanten eine gestiegene Wahlmüdigkeit. Der „Ash for Cash“-Skandal habe seine Spuren auch bei den eigenen Wählern hinterlassen. Dazu werde die Sturheit Fosters die DUP wohl Stimmen kosten. Dennoch, sagt O‘Connor, werde es wohl wieder auf Koalitionsverhandlungen zwischen DUP und Sinn Féin hinauslaufen. „Sinn Féin will das zwar nicht mehr, aber was bleibt ihnen übrig?“