Grettnich und sein Teufelskreis

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Nach einem Fehlstart in die neue Saison soll Patrick Grettnich den Racing Lëtzebuerg wieder auf Vordermann bringen. Der ehemalige Strassener Trainer will das volle Potenzial der ambitionierten Hauptstädter in der BGL Ligue ausschöpfen. Am Sonntag feierte er sein Debüt gegen den FC Rodange 91.

Tageblatt: Wie haben Sie die Länderspielpause mit Ihrem neuen Verein genutzt?
Patrick Grettnich: In den zwei Wochen habe ich vor allem versucht, die Spieler in vielen Gesprächen kennen zu lernen. Wir haben uns gegenseitig beschnuppert und gut in allen Bereichen gearbeitet. Es war wichtig, den Spielern Vertrauen zu schenken, wieder bei Null anzufangen und sich die Frage zu stellen, warum der Verein auf dem zweitletzten Platz der BGL Ligue steht.

Und warum steht der Racing auf dem 13. Rang?
Die Situation war vergleichbar mit einem Teufelskreis, aus dem man manchmal nicht so einfach rauskommt. In der Mannschaft steckt sehr viel Potenzial und im Sommer wurde sie gut verstärkt. Das Ziel war von Beginn an, sich im ersten Tabellendrittel zu etablieren. Eine solche Platzierung entspricht auch der Qualität des Kaders. Es ist aber nun mal so, dass die Meisterschaft nicht optimal begonnen wurde. Am ersten Spieltag wäre durchaus ein Unentschieden gegen Niederkorn möglich gewesen (1:3-Niederlage, d. Red.). Danach wurde in vielen Partien die Führung abgegeben. Das führte dazu, dass bei manchen Zweifel aufkamen, die nicht mehr so einfach beseitigt werden konnten. Außerdem waren es viele der Neuzugänge gewohnt, um den Meistertitel mitzuspielen. Wenn man dann auf einmal mit dem Abstiegskampf konfrontiert wird, ist es nicht so leicht, mit dieser neuen Situation umzugehen.

Der Racing hat sich im Sommer entschieden, viele neue Spieler zu holen. Die Integration braucht bekanntlich Zeit. Waren die hoch gesteckten Ziele aus diesem Grund vielleicht ein bisschen fehl am Platz?
Das denke ich nicht. Niederkorn hat deutlich mehr an seinem Kader verändert als wir und dort hat es funktioniert. Wenn man Spieler wie Daniel da Mota und Kevin Nakache vom F91 Düdelingen holt, ist es nur normal, höhere Ziele zu haben.

In Ihrer Trainerkarriere haben Sie nur einmal eine Mannschaft während einer laufenden Saison übernommen. War Ihre Herangehensweise deshalb eine andere?
Zu den Vorteilen, ein Team während des Jahres zu übernehmen, gehört sicherlich, dass man unbefleckt in eine Situation kommt, die nicht optimal ist. Die Spieler stellen sich bei einem Trainerwechsel neu in Frage und geben mehr Gas. Ich hatte diesmal wegen der Länderspiele das Glück, die Mannschaft zwei Wochen auf das Spiel gegen Rodange vorbereiten zu können. Wir konnten fast in allen Bereichen arbeiten. Zu den Nachteilen, eine Saison nicht zu beginnen, gehört, dass man die Vorbereitung nicht steuern kann.

In Strassen haben Sie über die Jahre einen gewissen UNA-Geist entwickelt. Ist es möglich, diesen in ähnlicher Form am Verlorenkost anzuwenden?
Werte wie Teamgeist hat jeder Trainer natürlich sehr gerne. Ich möchte, dass auch der Racing in Zukunft als geschlossene Einheit auftritt. Es ist meine Aufgabe, dies hinzubekommen. Das bereitet mir aber nur wenig Sorgen, denn ich habe eine intakte Mannschaft vorgefunden. Man darf aber nicht vergessen, dass die Stimmung auch sehr abhängig von den Ergebnissen ist. In Strassen hat sich diese Eigendynamik auch durch die Erfolgserlebnisse entwickelt.

In Strassen hatten Sie es vorwiegend mit Amateuren zu tun, beim Racing stehen einige Profis und Ex-Profis im Kader. Ist es schwieriger, diese zu einer Gemeinschaft zu formen?
Profispieler sind charakterlich durch das Fußballmilieu anders geformt. Sie sind vielleicht willensstärker und durchsetzungsfähiger, weil sie diese Eigenschaften in dieser Branche benötigen, um zu überleben. Im Prinzip mag aber jeder Spieler Harmonie und keiner hat etwas dagegen wenn man sich untereinander gut versteht.

„Im Prinzip mag jeder Spieler Harmonie und keiner hat etwas dagegen, wenn man sich untereinander gut versteht.“

Mit Daniel da Mota haben Sie noch in Ettelbrück während Ihrer aktiven Karriere zusammen gespielt. Kann er zu Ihrem verlängerten Arm auf dem Platz werden?
Dan ist erst am vergangenen Montag nach dem Länderspiel gegen Ungarn zur Mannschaft gestoßen. Er ist sicherlich eine Führungspersönlichkeit, aber nicht der einzige Spieler, der Verantwortung übernehmen kann. Auch mit Julien Jahier, Kevin Nakache und Romain Ruffier habe ich bereits Gespräche geführt, bevor ich Trainer beim Racing wurde. Das sind Spieler mit einer Menge Erfahrung. Trotzdem versuche ich immer unvorbelastet zu einem Verein zu kommen und jeden neu zu entdecken.

Der Racing hatte in den letzten Jahren nicht das beste Image. Hat Sie das nicht ins Grübeln gebracht?
Die neue Führung musste nach der Ära von Präsident Daniel Masoni ein schweres Erbe antreten. Es musste viel aufgearbeitet werden. Jetzt hat der Verein eine leistungsstarke Mannschaft und eine gute Jugendakademie. Mir liegt es am Herzen, den Nachwuchs mit einzubauen. Jetzt müssen wir nur noch die erste Mannschaft in die Spur bringen. Niederkorn ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel. Heute redet jeder von ihnen, weil sie auf dem ersten Platz stehen, vor vier Jahren, als sie im Tabellenmittelfeld herumkrebsten, war das anders.

Beim Racing standen in den letzten fünf Jahren sechs Trainer in der Verantwortung. Schreckt das nicht ab?
Damit habe ich mich nicht beschäftigt. Die Vergangenheit interessiert mich nicht. Ich lebe im Jetzt. Während der Gespräche habe ich gemerkt, dass mittelfristig etwas möglich ist mit dieser Mannschaft.

Gibt es Nachholbedarf im Winter auf dem Transfermarkt und haben Sie Ihre Wünsche schon geäußert?
Meine 14 Tage im Amt waren zu kurz, um mich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Zunächst muss ich unsere Spieler kennenlernen. Danach kann ich meine Wünsche äußern oder entscheiden, auf die aktuelle Mannschaft zu bauen.

Am Sonntag feiern Sie gegen Rodange Ihr Debüt auf der Racing-Trainerbank. Was kann man von Ihrer neuen Mannschaft erwarten?
Vor heimischer Kulisse wollen wir punkten. Rodange ist ein guter Aufsteiger, es wird kein Zuckerschlecken. Wie wir auftreten, werde ich aber nicht verraten. (lacht)