Schneider will was sagen – wenn er darf

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Zwei Ex-Stay Behind-Mitglieder bringen vor Gericht das Dossier nicht weiter, ebenso wie Geiben-Freund Pierre Dillenbourg. Ex-Srel-Agent Schneider zufolge steckt hinter den Attentaten ein riesiger Aufwand. Er will Infos liefern, wenn die Geheimhaltung aufgehoben wird.

Eingangs der Sitzung wird bekanntgegeben, dass das Unternehmen Creos auf Schadenersatz durch die Anschläge verzichtet, wenn bis zum 1. Juli sich die Täter oder ihre Komplizen den Behörden stellen. Das Gericht und die Verteidigung begrüßen diesen Vorschlag.

Die Verteidigung kritisiert anschließend das Verhalten des Srel. Sie würden nur das liefern, was sie wollen. Es ginge in dem Prozess nicht mehr um die nationale Sicherheit, ereiferte sich Lydie Lorang. Die Gesetze über die Geheimhaltung würden nicht mehr gelten. Die Anwältin fordert die komplette Einsicht in die Geheimdienstakten.

„Ich weiß von nichts …“

Dann macht Jean Wetz, ehemaliges Mitglied von Stay Behind seine Aussage. Er war Funker und „Operateur“ für das Netzwerk. Er erzählt über seine Aufgaben bei der Spezieleinheit. Der Ex-Stay Behind-Mann dementiert aber, dass es eine Ausbildung im Sprengen gab. Als Stay Behind aufgelöst wurde, habe er alle Materialien dem Geheimdienst übergeben, so Wetz. Vom geheimen Waffenlager von Stay Behind erfuhr er erst nach der Auflösung der Truppe.

Sein Kollege Schenk wurde 1984/85 von Stay Behind rekrutiert. Ob der Geheimdienst dahinter steckt könne er nicht sagen, so der Zeuge vor Gericht. Er wurde am Funk und in der In- und Exfiltration ausgebildet. Die Stay Behind-Leute übernahmen einen Unbekannten und übergaben ihn an einen anderen Unbekannten. Das war ihre Aufgabe. Auch Schenk weiß nichts über ein Waffenlager. Er hat auch nie eine Waffe getragen. An einer Ausbildung im Ausland nahm er auch nie teil.

Ein Freund von Ben Geiben

Die Befragungen der ehemaligen Stay Behind-Mitglieder gehen sehr schnell. Pierre Dillenbourg tritt in den Zeugenstand. Er ist ein Freund des damaligen Hauptverdächtigen Ben Geiben. Dillenbourg sagt, er wisse nichts über Bombenleger-Unterlagen im Parlament. Dillenbourg war bis 2002 Schriftführer des Parlaments.

Dillenbourg sagt, Geben hätte die Gendarmerie aus privaten Gründen verlassen. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass sein Freund etwas mit den Anschlägen zu tun hatte. Geiben hätte ihm gegenüber immer jegliche Täterschaft dementiert. Über die Attentate kann der ehemalige Schreibführer des Parlaments keine Angaben machen. Über den Brief eines wegen Mordes verurteilten Mannes, der angab „Dill“ wisse etwas über die Anschläge, lacht der Zeuge. Man könne diesen Mann nicht ernst nehmen, er habe viel Unsinn in seinen Briefen geschrieben.

Und noch ein Ex-Srel-Mann

Die Befragung vor Gericht geht am Donnerstag im Schnelllauf weiter. Ex-Srel-Operationsleiter Frank Schneider war zwischen 2000 und 2008 beim Geheimdienst. Er erinnert sich noch gut an die Durchsuchungen beim Srel im Rahmen der Bombenleger-Affäre. Es verwunderte ihn damals nicht, dass man nur Zeitungsartikel fand. Bis in die 70er sei das Archiv des Srel gut gewesen, so der Zeuge. Danach herrschte Chaos. Unter Charles Hoffmann stellte das Archiv keine Priorität dar. Hoffmann habe eher das internationale Image des Srel gepflegt, so Schneider. So sei erst 2002 wieder Ordnung in die Sammlung gebracht worden.

Der Zeuge kann sich aber auch nicht erklären, warum der Srel bei den Anschlägen nicht aktiv wurde. Es sei erstaunlich, dass man nicht mit Anfragen aus dem Ausland überhäuft wurde. Und die von Srel gelieferten Antworten waren wahrscheinlich für die ausländischen Geheimdienste unbefriedigend, gibt Schneider zu.

Kompromitierende Berichte

Auf die Berichte des Ex-Srel-Agenten Kaudé angesprochen, die vom Geheimdienst nie an die Gendarmerie weitergereicht wurden, sagt Schneider, es habe damals eine unklare Gesetzeslage geherrscht. Der Srel habe die Autonomie, das Personal und die Kompetenz gehabt, um in der Bombenleger-Affäre zu ermitteln. Er versteht bis heute nicht, warum nicht reagiert wurde.

Staatsanwalt Oswald wirft ein, dass Akten im Srel-Archiv, u.a. ausländische Faxe, gefunden wurden, die belegen, dass sich sehr wohl um die Anschläge gekümmert wurde. So soll der Geheimdienst beim Anschlag auf den Justizpalast Ende Oktober 1985 aktiv gewesen sein. Er will den ehemaligen Srel-Chef Hoffmann darüber befragen. Laut Schneider war der damalige Srel-Direktor Marco Mille sehr daran interessiert, dass sämtliche Unterlagen über die Attentate an die Justiz gehen.

Die Sache mit der Lagerung der Akten …

Bei der Hausdurchsuchung bei Frank Schneider im letzten Jahr wurden Ermittlungsunterlagen über die Attentate gefunden. Sie seien aber nicht wichtig gewesen, erklärt der Zeuge vor Gericht. Er habe sie nur verwaltet. Der Zeuge weiß nicht, wo die Akten herkamen und warum Ex-Agent André Kemmer Zugang zu den Dossiers hatte. Er kann auch keine Angaben machen, weshalb die Unterlagen nicht an die Justiz wweitergereicht wurden. Er soll vergessen worden sein, so Schneider. Er habe auf jeden Fall nie den auftrag von seinem Chef bekommen, im Fall der Anschläge zu ermitteln. Diese Aussagen verärgern den Staatsanwalt.

Schneider zufolge habe man durch Presseartikel angefangen beim Srel Hypothesen in Richtung Stay Behind aufzustellen. Man ging davon aus, dass es einen geheimen militärischen Stay Behind-Arm gab, der durch die Armee geführt wurde. Man habe die Informationen auch an Jean-Claude Juncker (Regierungschef) und Luc Frieden (Justizminister) weitergegeben. Ein Einsatzbefehl weiterzugraben blieb aber aus. Warum die Informationen nicht beim Untersuchungsrichter landeten weiß der Ex-Agent nicht. Eine Konsequenz sei aber sicher der Parlamentsbericht 2008 über Stay Behind gwwesen. Es sei richtig, die rolle Luxemburgs im Kalten Krieg aufzuarbeiten. Das ginge aber nur mit Hilfe des Auslands, erklärt Schneider.

Eine Doktrin

Schneider ist der Überzeugung, dass der „Plan“ im Geheimdienst nichts mit den Anschlägen zu tun hat. Stay Behind war eine Doktrin, eine Ideologie, getrieben durch die amerikanische Politik. Schneider zieht Vergleiche mit den Anschlägen vom 11. September 2001.

Ein paar Gendarmen könnten nicht so einfach eine solche Anschlagsserie durchziehen, betont Schneider. Dazu muss eine große Geheimhaltung aufgebaut werden. Es stecken mehrere Leute dahinter. Und das Ganze muss „von oben“ gedeckt werden, so Richterin Conter. Schneider nickt. Der Zeuge gibt an, seine Theorie mit seiner Frau, Ex-Srel-Chef Mille, Luc Frieden und Jean-Claude Juncker geteilt zu haben. Über die Existenz eines militärischen Arms im Stay Behind-Netz weiß eer aber nichts. Unklar ist auch die Rolle der „Ösling-Manöver“. Gibt es eine Verbindung zu den Anschlägen? Laut Verteidigung ist es möglich. Gaston Vogel bedauert in dem Zusammenhang, dass man die Archive der Armee nicht beschlagnahmt hat.

Kann die Geheimhaltung aufgehoben werden?

Durch Gespräche mit ausländischen Geheimdiensten, unter anderem dem US-amerikanischen auf „hohem Niveau“, hätten sich die Hintergründe der Anschläge in Luxemburg klarer dargestellt, so Schneider weiter. Er will mehr Details preisgeben, aber nur in einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Staatsanwalt. Schneider soll sein Geheimwissen in einem Umschlag an das Gericht weiterreichen, entscheidet das Gericht. Das Verfassungsgericht soll eine Entscheidung treffen, ob die Geheimhaltung über diese Information aufgehoben werden kann.

Frank Schneider berichtet auch über eine kodierte CD mit einem Gespräch zwischen Juncker und Großherzog Henri. Darin soll es angeblich über die Anschläge gehen. Laut einer nicht genannten Quelle wurde dort über Prinz Jean im Kontext der Anschläge gesprochen.