„Griechen sind liebenswerte Sturköpfe“

„Griechen sind liebenswerte Sturköpfe“
(AP/AP Photo/Giannis Papanikos)

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Ein Auswanderer aus Esch/Alzette erlebt die Krise auf Kreta, wo Banken und Staat mittlerweile Großgrundbesitzer sind und ganze Hotelanlagen einfach vor sich hin bröckeln.

Bereits vor fünf Jahren, als Jean-Claude Reinhard nach Chania auf Kreta zog, konnte man die Zeichen der aktuellen Krise deutlich erkennen. Preiszuschläge durch Steuererhöhungen, Gehaltskürzungen im Öffentlichen Dienst und Rentenkürzungen machten den Einwohnern zu schaffen und haben sich mittlerweile zu einer untragbaren Bürde entwickelt: „Eine durchschnittliche Stromrechnung für 4 Monate beträgt beispielsweise rund 740 Euro, obwohl man nur für 390 Euro Strom verbraucht hat – die Differenz machen allein die Zusatzsteuern“, klagt der Zugezogene aus dem fernen Luxemburg. Daher erkläre es sich auch von selbst, dass jeder Grieche privat so hoch verschuldet ist.

Jean-Claude Reinhard ist vor 5 Jahren nach Chania ausgewandert.

Dennoch schlage man sich auf der Insel verhältnismäßig gut: „Hier auf Kreta ist das Leben für die Griechen etwas leichter, da viele in großen Familien zusammenleben, wovon etliche aus den Bergdörfern stammen. Es gibt reichlich Agrikultur und die meisten Kreten besitzen Olivenhaine, Gemüseplantagen oder Ähnliches. Dies hilft natürlich enorm an Lebenserhaltungskosten zu sparen. Wäre dies nicht der Fall, dann würden die Menschen genau wie in Athen am Hungertuch nagen.“

Herzlich aber sturköpfig

Jean-Claude Reinhard beschreibt die Griechen als sehr herzlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Auf der anderen Seite hat der Projektmanager sie aber auch als sehr stolz, starrköpfig und eifersüchtig kennen gelernt, was es sehr schwer mache, sie auf neue Wege zu führen: „Die Griechen wollen sehr clever sein, beweisen dies dann auch gerne mit kleinen Betrügereien untereinander. Einem Griechen kann man nicht sagen, ‚das musst du so machen, dann läuft das besser‘, sonst schalten sie auf stur und es passiert nichts.“ Vielmehr müsse man sie mit Ideen locken und dann selbst mit dem Vorschlag kommen lassen – erst als Jean-Claude das verstanden hatte, gelang es ihm auch, sich in der Tourismusbranche zu etablieren. Aber die Glanzzeiten auf der Insel sind auch für ihn vorbei.

„Es ist nichts mehr da“

„Man kann einfach keine Gelder mehr kürzen oder noch höhere Steuern aufsetzen. Es ist nichts mehr da. Die Gehälter liegen zwischen 600 und 800 Euro für jeden einfachen Beruf und bei 800 bis 1200 Euro für Langzeitangestellte sowie Führungsposten in der Privatwirtschaft. Ein Kleinverdiener erhält dabei eine Rente von nur noch 400-450 Euro.“

Auch das Referendums bereitet den Griechen große Sorgen: „Einwohner haben das Recht, 60 Euro täglich abzuheben, aber Transfers in andere Länder sind komplett verboten. Online Transfers ins Ausland sind nur mit Erlaubnis der Regierung möglich – was die internationalen Investoren natürlich stark behindert.“ Schlange stehen würde man allerdings vor allem vor den staatlichen Banken, die privaten Banken werden von der Bevölkerung als sicherer wahrgenommen.

Jean-Claude Reinhard bedauert, dass sein Namensvetter Juncker in Griechenland zusehends skeptisch betrachtet wird, der er persönlich ihn für ein Finanzgenie hält: „Die Griechen werten Junckers Angebote als Versuch, der Griechichen Regierung Honig um den Mund zu schmieren und mit Tsipras die ‚Good cop, bad cop‘-Nummer zu spielen.“

Obwohl die Krise den Siedepunkt erreicht hat, habe man das Lächeln in Chania aber nicht verloren – eine Eigenschaft, die Jean-Claude an den Griechen ganz besonders schätzt.