Franzosen bestimmen neue Nationalversammlung

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Rund einen Monat nach der Wahl des neuen französischen Präsidenten wird die Nationalversammlung neu gewählt. Zu den Premieren zählen die Abstimmung per Internet und die Kandidaten der Piratenpartei.

Frankreich wählt – mal wieder. Nach der Wahl des neuen Präsidenten geht es diesmal um die Neubesetzung der Pariser Nationalversammlung. Auf dem Spiel steht für die Sozialisten und ihre linken Bündnispartner eine Absicherung ihrer Machtbasis. In der zweiten Kammer des Parlaments, dem Senat, haben sie schon die Mehrheit – nun wollen sie auch die bisherige konservative Mehrheit in der Nationalversammlung knacken. Ein Sieg der Linken und ihrer grünen Verbündeten würde Präsident François Hollande eine breite Machtbasis geben, da er dann das Parlament kontrollieren würde.

Eine „breite, solide und kohärente“Mehrheit seiner Sozialisten wünscht sich Hollande; er möchte die Notwendigkeit von Kompromissen – auch mit den Bündnispartnern – nach Möglichkeit gering halten. Seine ehemalige Lebensgefährtin Ségolène Royal, die 2007 als Präsidentschaftskandidatin an Nicolas Sarkozy gescheitert war, werden Ambitionen auf den Vorsitz der Nationalversammlung nachgesagt.

Linke weit vorne

Ein Erfolg des bürgerlichen Lagers dagegen könnte Hollandes gerade frisch ernannte Regierung zu Kompromissen zwingen, wenn sie Gesetzesinitiativen auf den Weg bringt. Doch damit ist kaum zu rechnen. Im Gegenteil: Für den ersten Wahlgang am kommenden Sonntag (10. Juni) sehen die Umfragen die Linke mit 44 bis 45 Prozent der Stimmen weit vorne – das bürgerlich-konservative Lager liegt bei 33 bis 35 Prozent.

Nach seinem Wahlerfolg und ersten symbolischen Weichenstellungen hat Hollande seine Glaubwürdigkeit abgesichert, „ein anderes, ein gerechteres“ Frankreich zu repräsentieren. Bei seinen bisherigen Amtshandlungen ließ der Nachfolger von Nicolas Sarkozy keine Zweifel: Das verschlissene Mobiliar der Sarkozy-Jahre hat sich überlebt. Mit Appellen und demonstrativen Aktionen hat seine neue Regierungsequipe erste Akzente gesetzt. Verschuldung und Wachstumsschwäche – die beiden hartnäckigen Sorgenkinder der französischen Politik – blieben bisher aber weitgehend außen vor.

Abstimmen per Internet

Erstmals dürfen auch 1,1 Millionen Auslandsfranzosen 11 der Abgeordneten bestimmen; sie begannen schon am Wochenende mit der ersten Runde. Zum ersten Mal ist ihnen zudem seit dem 23. Mai die Abstimmung per Internet erlaubt – nach Angaben der Zeitung „Libération“ ein bereits von Pannen und Problemen überschatteter Test mit rund 600.000 Wählern. Vor allem die mangelnde Datensicherheit wurde bemängelt – unter anderem von der erstmals in Frankreich antretenden Piratenpartei, die ihr Wahldebüt feiert.

46 Millionen Stimmberechtigte

Aufgerufen zur Wahl der neuen Nationalversammlung sind insgesamt 46 Millionen Stimmberechtigte. Bei dem Urnengang geht es auch um viel Geld – denn die staatliche Parteienfinanzierung richtet sich nach den erzielten Stimmanteilen. Hat eine Partei in mindestens 50 Wahlkreisen wenigstens ein Prozent der Stimmen errungen, gibt es eine komfortable Erstattung der Wahlkampfkosten.

Das spannendste Duell dürfte es in der nordfranzösischen Bergbau-Stadt Henin-Beaumont geben. Dort tritt der Chef der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, gegen die rechtsextreme Ultranationalistin Marine Le Pen an. Beide Politiker haben als Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl Achtungserfolge erzielt – Le Pen kam auf knapp 18, Mélenchon auf 11 Prozent der Stimmen.

Marine Le Pen, die auf eine Verdrängung der konservativen UMP von Sarkozy setzt, hofft auf einen Einzug ihrer Front National (FN) in Fraktionsstärke. Bisher stellt die Partei in der Nationalversammlung keine Abgeordneten.