Ein Fall für die Aufsicht

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Die Kontrollinstanzen beschäftigen sich nun mit der Affäre RTL/Lunghi. Währenddessden laufen die Verhandlungen zum neuen Konzessionsvertrag. Was steht im alten?

Xavier Bettel kommt am Montag mit gleich drei Hüten auf dem Kopf in die „Commission de l’Enseignement supérieur, de la Recherche, des Médias, des Communications et de l’Espace“. Er ist Regierungschef, Kulturminister und Medienminister. In seiner Eigenschaft als Kulturminister hatte er am Tag nach der Ausstrahlung des umstrittenen Videos ein Disziplinarverfahren gegen den scheidenden Direktor des Mudam, Enrico Lunghi, eingeleitet. Als Medienminister verantwortet er den Konzessionsvertrag von RTL Lëtzebuerg mit der Regierung.

In der Kommission, in der Tage nach dem Vorfall auf einer Sitzung von „Assassinat médiatique“ die Rede war, regt sich schon länger Widerstand. Der Vertrag ist ein gut gehütetes Geheimnis, das Parlament bleibt außen vor. „Wenn der neue Vertrag verhandelt wird, sollte die Chamber eingebunden werden“, sagt Yves Cruchten, der in der zuständigen Kommission des Parlaments sitzt. „Das Mindeste ist, dass der Minister mit den Resultaten in die Chamber-Kommission kommt“, so Cruchten. Außerdem sei es fragwürdig, dass es nur einen Fernsehsender im Land gebe, so das Kommissionsmitglied weiter. Wie „öffentlich“ der Auftrag unter diesen Umständen ist, sei dahingestellt…

Ein denkbar schlechter Zeitpunkt

Die Affäre kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt für RTL. Die Verwaltung des Medienministeriums, die nach eigenen Angaben den Vertrag im Auftrag der Regierung vorbereitet, bestätigt, dass der bestehende, 2007 abgeschlossene Konzessionsvertrag, der zum 31. Dezember 2020 ausläuft, gerade neu verhandelt wird. Er gilt für die Radio- und Fernsehprogramme von RTL, die Internetaktivitäten des Senders sind nicht mit inbegriffen. Der Grund für den frühen Beginn der Verhandlungen liegt im „Sinne der Voraussagbarkeit auf beiden Seiten“, wie der „premier conseiller“ im Medienministerium, Jean-Paul Zens, es auf Tageblatt-Anfrage formuliert.

Finanziert wird der öffentliche Auftrag laut Zens durch die zur Verfügung gestellten Sendefrequenzen und zum Teil über Werbeeinnahmen. Die Sendefrequenzen mit nationaler Reichweite sind demnach gratis, die internationalen gibt es für den „Service public“, wie Zens bestätigt. Sie kosten also auch nichts. Im Hinblick darauf, dass die RTL Group im letzten Jahr erstmals die Sechs-Milliarden-Euro-Umsatzmarke mit all ihren Aktivitäten – dazu zählt auch Radio Télé Lëtzebuerg – geknackt hat, ist das ein interessanter Aspekt. Der größte Umsatzbatzen des Konzerns kommt mit 49 Prozent aus dem Geschäftsbereich Fernsehwerbung.

Berichterstattung nach „Liste“

Die RTL Group, auch das geht aus dem Geschäftsbericht für 2015 hervor, hat ihren sozialen Sitz in Luxemburg und wird dort besteuert. Ins Auge fällt auch, dass die meisten anderen Ländersparten des Konzerns im Geschäftsbericht Angaben zu ihrem Umsatz machen. Im Kapitel „RTL Lëtzebuerg“ steht nichts dazu. Understatement oder luxemburgische Verschwiegenheit in Geldangelegenheiten?

Was regelt der Konzessionsvertrag? Der „Service public luxembourgois de la télévision“ verpflichtet zuerst zur Ausstrahlung eines täglichen Programms in luxemburgischer Sprache, das sich an die Bevölkerung des Großherzogtums richtet. Das umfasst eine mindestens halbstündige Nachrichtensendung pro Tag, eine Stunde Kultur- und Sportnachrichten pro Woche und eine mindestens halbstündige Sendung pro Woche zur Information der in Luxemburg ansässigen Nicht-Luxemburger.

Was RTL muss und was nicht

Offizielle Informationen zur Sicherheit und von der Polizei müssen gratis und prioritär gesendet werden. Hinzu kommt die Verpflichtung „nationale Schlüsselevents“ abzudecken. Als Schlüsselevents gelten aktuell Ansprachen des Staatschefs, Ansprachen des Regierungschefs, Liveübertragung der Festlichkeiten zum Nationalfeiertag, Sendungen zu den Legislativwahlen und die Liveübertragung von national relevanten Ereignissen. Zusätzlich angeforderte Dienstleistungen könnte CLT-UFA an die Regierung verrechnen, so Jean-Paul Zens, was in der Praxis nie geschehen sei, weil die Regierung keine zusätzlichen Forderungen erhoben habe. Das verwundert nicht, denn die geltende Liste ist seit 2014 nicht aktualisiert worden, wie Zens bestätigt.

Auch enthält der Vertrag die Möglichkeit, die festgehaltenen Regeln der Qualität anzusprechen und gegebenenfalls prüfen zu lassen. Eine externe Prüfung sei bisher nicht notwendig gewesen, heißt es dazu aus der Verwaltung im Medienministerium. Fragen wie diese würden in regelmäßigen Abständen im Verwaltungsrat von CLT-UFA beziehungsweise im direkten Gespräch mit den Verantwortlichen des Senders angesprochen, so Zens.

Schweigen bei RTL

Das dürfte dann am 7. Dezember geschehen, wenn der Verwaltungsrat der CLT-UFA zusammenkommt. Verwaltungsratspräsident ist seit 2014 Jacques Santer, der Bettels Entscheidung, ein Disziplinarverfahren gegen den Mudam-Direktor einzuleiten, bereits sinngemäß als „vorschnell“ kritisiert hatte (siehe unsere Berichterstattung vom 19. November). In dem Aufsichtsgremium sitzen laut Medienministerium 20 Personen, darunter drei Vertreter mit luxemburgischer Nationalität.

Traditionell werden dazu die Fraktionschefs der drei stärksten politischen Parteien im Parlament ernannt. Derzeit sind das Eugène Berger (DP), Alex Bodry (LSAP) und Claude Wiseler (CSV). Und nicht nur dort wird der Vorfall untersucht. Auch die „Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel“ (ALIA) hat den Vorfall zu ihrer Sache gemacht. Sie untersucht auf eigene Initiative hin den im Raum stehenden Verdacht, dass das ausgestrahlte Material manipuliert worden sei.

Auf der Tagesordnung des Presserates, der am 6. Dezember in Vollversammlung tagt, steht die Affäre nicht. Jedoch haben die Mitglieder der Vollversammlung das Recht, Vorschläge für die Tagesordnung einzubringen, wie der Generalsekretär der Instanz, Roger Infalt, auf Tageblatt-Anfrage mitteilt. RTL Lëtzebuerg selbst schweigt bislang eisern zu den Vorkommnissen.
Eine pikante Petitesse ist in diesem Zusammenhang, dass von den Online-Aktivitäten des Senders in dem geltenden Vertrag keine Rede ist. Sie sind ausgenommen vom „Service public“.